Gericht stoppt Sunaks Asylpakt
Von Dieter Reinisch
Bei einem seiner wichtigsten Projekte hat der britische Premierminister Rishi Sunak eine krachende Niederlage vor Gericht erlitten. Der Oberste Gerichtshof des Vereinigten Königreichs verwarf am Mittwoch die Pläne des konservativen Regierungschefs, Schutzsuchende noch während des Asylverfahrens nach Ruanda abzuschieben und dort einen Asylantrag stellen zu lassen.
Die Pläne verstießen gegen die Menschenrechte, urteilte der Oberste Gerichtshof und bestätigte damit eine Entscheidung des Berufungsgerichts vom Sommer. In dem einstimmig gefällten Urteil stimmten die fünf Richter mit dem Berufungsgericht darin überein, dass die Sicherheit Ruandas nicht ordnungsgemäß geprüft worden sei. Es gebe »ernsthafte Gründe« für die Annahme, dass die abgeschobenen Personen von der ruandischen Regierung an Orte geschickt werden könnten, an denen sie nicht sicher seien.
Die Beamtengewerkschaft PCS, die im vergangenen Jahr eine Kampagne gegen die Abschiebepläne nach Ruanda gestartet hatte, zeigte sich erfreut über das Urteil. In einer Reaktion auf X schrieb Generalsekretär Mark Serwotka: »PCS begrüßt diese Entscheidung von ganzem Herzen. Aber wir sind uns bewusst, dass unsere Kampagne gegen diese gefährliche Antiflüchtlingsagenda der Regierung noch lange nicht zu Ende ist«. PCS-Mitglieder hatten im Herbst 2022 die ersten Abschiebeflüge nach Ruanda blockiert und so deren Durchführung verhindert.
Es seien nicht die Geflüchteten, die die Löhne drückten und den öffentlichen Diensten die nötigen Mittel entzögen, widersprach PCS der rechten Argumentation der Regierung, die Migranten für Lohndumping und Arbeitsplatzverluste verantwortlich macht: »Es sind die aufeinanderfolgenden konservativen Regierungen, die einen kontinuierlichen Angriff auf den Lebensstandard durchgeführt haben«, so Serwotka.
Das Gerichtsurteil setzt Sunak auch parteiintern unter Druck. Hardliner wie der stellvertretende Parteivorsitzende Lee Anderson forderten die Regierung auf, das Urteil kurzerhand zu ignorieren und Schutzsuchende in das nächste Flugzeug zu setzen. Anderson sprach von einem »schwarzen Tag für die Briten«. Der rechte Flügel ist ohnehin in Aufruhr, weil Sunak am Montag die bisherige Innenministerin Suella Braverman gefeuert hatte. Die Rechtsaußenpolitikerin warf dem Premier daraufhin vor, die Wähler belogen und das Land betrogen zu haben. Medienberichten zufolge will Braverman nach der erwarteten Wahlniederlage selbst Parteichefin der Tories werden.
Im Parlament kündigte der neue Innenminister James Cleverly nun ein neues Abkommen mit Ruanda an. Darin solle unter anderem verankert werden, dass Asylsuchende nicht in ein anderes Land abgeschoben werden können, sagte Cleverly. In einem Telefonat betonten Sunak und der ruandische Präsident Paul Kagame, sie wollten alles tun, um eine »robuste und legale Politik« zu gewährleisten.
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