Mal eben zehn Milliarden
Von Reinhard Lauterbach
Die Bundesregierung will allein für das kommende Jahr die Militärhilfe für die Ukraine verdoppeln. Das geht nach Informationen von dpa aus einer Vorlage des Finanzministeriums für den Haushaltsausschuss des Bundestages hervor, der der Agentur vorliege. Weitere zwei Milliarden Euro seien als sogenannte Verpflichtungsermächtigungen für Ausgaben in späteren Haushaltsjahren eingeplant. Die BRD hat bisher etwa 18 Milliarden Euro an Rüstungsgütern für die Ukraine bereitgestellt. Sie ist damit der zweitgrößte Ausstatter des ukrainischen Militärs nach den USA.
Allerdings geht aus dem Papier auch hervor, dass wohl nur ein Teil der genannten acht Milliarden Euro tatsächlich an die Ukraine und ihre Aufrüstung fließen wird. Von dem Geld soll laut dpa auch die Wiederbeschaffung desjenigen Materials finanziert werden, das die Bundeswehr bereits an die Ukraine abgegeben hat. Zum Verhältnis der beiden Posten wurde nichts mitgeteilt. Der Düsseldorfer Rüstungskonzern Rheinmetall veröffentlichte am Dienstag eine Erklärung, wonach im kommenden Jahr 25 »Leopard«-Panzer des – freilich schon etwas veralteten – Typs 2A5 an die Ukraine geliefert werden sollen. Den Auftragswert beziffert der Konzern mit unter 100 Millionen. Das wäre also nur ein geringer Teil der acht Milliarden. Außer den genannten 25 Panzern will Rheinmetall im kommenden Jahr auch noch 14 weitere »Leopard«-Panzer aus niederländischen und dänischen Beständen nach ihrer Instandsetzung an die Ukraine weitergeben.
Derweilen reicht Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius das Ausmaß der geplanten Munitionslieferungen der EU an die Ukraine nicht aus. Bei einem Treffen der EU-Verteidigungsminister am Dienstag in Brüssel sagte er, die EU werde ihre Zusage, der Ukraine bis zum Frühjahr 2024 eine Million Granaten vom Standardkaliber 155 Milimeter zu liefern, deutlich verfehlen. Bisher habe die EU insgesamt etwa 300.000 Granaten und Raketen verschiedener Kaliber bereitgestellt. Mehr Geschosse könnten aus den vorhandenen Lagerbeständen nicht entnommen werden, so Pistorius. Es liege nun an den EU-Staaten, ihre Munitionsproduktion hochzufahren. Ähnlich hatte sich auch der französische Verteidigungsminister Sébastien Lecornu Anfang der Woche geäußert.
In der Ukraine setzten russische Truppen ihre Angriffe zur Einkreisung der Stadt Awdijiwka nordwestlich von Donezk fort. Quellen beider Seiten berichteten über russische Geländegewinne in mehreren Umlandgemeinden der inzwischen völlig zerstörten Stadt. Der ukrainische Bürgermeister von Awdijiwka, Witalij Barabasch, teilte mit, die Evakuierung der verbliebenen 1.500 Einwohner sei im Gange. Vor dem Krieg hatte die Stadt gut 30.000 Einwohner. Allerdings liegt die einzige noch für die Evakuierung zur Verfügung stehende Straße inzwischen auch in Schussweite der russischen Truppen. Russische Militärblogger verbreiteten Optimismus und schrieben, bis zum Einsetzen der Fröste werde Awdijiwka eingeschlossen sein. Einen direkten Angriff auf die Stadt sucht die russische Seite erkennbar zu vermeiden.
Unterdessen erklärte der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij, sein Land arbeite daran, eine »bedingungslose Entscheidung über die Aufnahme von Verhandlungen über eine EU-Mitgliedschaft« zu erreichen. Ein ukrainischer EU-Beitritt sei ein Projekt für ganz Europa und könne nur als gemeinsamer Erfolg ganz Europas erreicht werden, sagte Selenskij am Montag in seiner abendlichen Videoansprache.
Siehe auch
Immer noch kein Abo?
Die junge Welt ist oft provokant, inhaltlich klar und immer ehrlich. Als einzige marxistische Tageszeitung Deutschlands beschäftigt sie sich mit den großen und drängendsten Fragen unserer Zeit: Wieso wird wieder aufgerüstet? Wer führt Krieg gegen wen? Wessen Interessen vertritt der Staat? Und wem nützen die aktuellen Herrschaftsverhältnisse? Kurz: Wem gehört die Welt? In Zeiten wie diesen, in denen sich der Meinungskorridor in der BRD immer weiter schließt, ist die junge Welt unersetzlich.
-
Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (15. November 2023 um 10:11 Uhr)Im Jahr 2020 überstiegen die Ausgaben in der allgemeinen Rentenversicherung die Einnahmen um knapp 3,9 Milliarden Euro (338,3 gegenüber 334,4 Mrd. Euro), und es wird gejammert! Gleichzeitig werden Hunderte Milliarden für das Bundeswehr-»Sondervermögen« und acht Milliarden für die Ukraine ohne größere Aufregung ausgegeben. Die Rentenreform unter Gerhard Schröder wurde als dringend notwendig dargestellt, obwohl sie damals »nur« das drei Milliarden Euro Defizit jährlich in die Haushaltskasse brachte. Heute werden Milliarden scheinbar sorglos verteilt, ohne dass sich jemand regt. Die SPD befindet sich in einem Abwärtstrend, die Linkspartei geht ein – und es scheint richtig zu sein, weil sie nichts dagegen hielten und halten. Aber in Anbetracht dieser Entwicklungen stellt sich die Frage nach dem Zustand unserer Demokratie: Ist dies wirklich noch Demokratie? Zur Erinnerung: »4,2 Billionen Mark: So viel erhielt im November 1923, wer einen amerikanischen Dollar eintauschte. Innerhalb weniger Monate verwandelte sich die galoppierende Inflation ab Juli 1922 in eine Hyperinflation mit Preissteigerungen von über 50 Prozent pro Monat. Es war der Höhepunkt der deutschen Hyperinflation. Die Reichsbank hatte die Kontrolle über die monetären Verhältnisse verloren. Die Noten wurden mit höheren Denominationen überstempelt oder nur noch einseitig bedruckt. Löhne zahlten die Firmen wöchentlich, bald täglich und am Ende zweimal täglich aus.«
-
Leserbrief von Onlineabonnent/in Wieland K. aus Neustadt in Holstein (15. November 2023 um 17:07 Uhr)Und worin besteht nun der Zusammenhang zwischen obigem Artikel und diesem Leserbrief? Einerseits geht es um gigantische Rüstungsausgaben, u. a. für kriegführende Parteien, mit denen uns keinerlei vertragliche Pflichten verbinden außer Ideologie und Amerikagehorsam, andererseits werden zusammenhangslos Informationen über die Hyperinflation vor hundert Jahren beschrieben. Schön wäre es, wenn man analytische Zusammenhänge aufdecken würde. Vielleicht das nächste Mal.
-
-
Leserbrief von Joachim Seider aus Berlin (15. November 2023 um 06:51 Uhr)Eine Artilleriegranate des Kalibers 155 kostet bei Rheinmetall so um die 3.000 €. Kein Wunder, wenn sich in den Brotbüchsen mancher Kinder meiner Klasse kaum Vernünftiges findet. Der Staat füttert die Kanonenrohre der Ukraine. Die Kinder dürfen deshalb zusehends in die Röhre sehen.
Ähnliche:
- IMAGO/Bernd Elmenthaler14.11.2023
Baerbock pfeift im Walde
- Bernd von Jutrczenka/dpa04.09.2023
Wertebasierte Wissenschaft
- Annegret Hilse/REUTERS29.08.2023
Moneten und Raketen