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Aus: Ausgabe vom 09.11.2023, Seite 6 / Ausland
Mexiko

Zapatistas in der Krise

Mexikanische Rebellen geben Auflösung autonomer Landkreise bekannt. Verantwortung für Gewalt liegt bei USA
Von Dominik Wetzel
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War lange das verhüllte Gesicht des Widerstands: Subcomandante Marcos

Die Zapatistas im mexikanischen Chiapas haben die Auflösung ihrer »Rebellischen autonomen Landkreise« und ihrer »Räte der guten Regierung« verkündet. »Alle Stempel, Briefköpfe, Aufgaben, repräsentative Funktionen und Vereinbarungen mit/in dem Namen jeglicher ›Rebellischer autonomer Landkreise‹ (MAREZ) oder jeglichen Rates der guten Regierung sind ab diesem Moment ungültig«, heißt es in der vom zapatistischen Führer Subcomandante Moisés unterzeichneten Erklärung, die auf November 2023 datiert ist. Die Gründe, warum diese Entscheidung getroffen wurde, will die Bewegung in den nächsten Wochen in weiteren Kommuniqués erklären.

Das am Montag öffentlich gewordene Kommuniqué »Vierter Teil und erste Warnung, sich zu nähern – Verschiedene notwendige Tode« verweist darauf, dass »sich die größeren Städte im südöstlichen mexikanischen Bundesstaat Chiapas in einem einzigen Chaos« befinden. Die Zapatistas hatten bereits vor einigen Monaten darauf hingewiesen, dass ihre Gemeinden wiederholt von Söldnern und Kartellen angegriffen würden. Es gebe »Überfälle, Entführungen, Schutzgelderpressungen, gewaltsame Rekrutierungen, Schießereien«. San Cristóbal de las Casas sowie weitere Landkreishauptstädte sollen »entweder in der Hand des einen Kartells« oder »umkämpft vom anderen Kartell« sein.

Die südliche Grenzregion von Chiapas wird seit langem von einem Revierkampf zwischen dem Sinaloa-Kartell und dem Jalisco-Kartell sowie lokalen kriminellen Vereinigungen, die mit diesen Organisationen verbunden sind, geplagt. In der auch auf deutsch veröffentlichten Erklärung der Zapatistischen Nationalen Befreiungsarmee (EZLN) heißt es weiter, dass die Büros der Bürgermeister in »den wichtigsten Städten« von Chiapas »von dem, was wir ›legale Killer‹ oder ›unorganisierte Kriminalität‹ nennen, besetzt sind«.

Während sich wiederholt Karawanen von Tausenden Migranten aus Südamerika in Richtung USA aufmachen, verändert sich damit die Sicherheitslage in dem an Guatemala grenzenden Gebiet. »Das Militär sowie Bundes- und lokale Polizeikräfte sowie die der Bundesstaaten befinden sich nicht in Chiapas, um die Zivilbevölkerung zu schützen. Sie sind dort mit dem einzigen Ziel, die Migration zu stoppen. Das ist ihr Befehl, der von der US-amerikanischen Regierung kommt. Wie es ihre Art ist, haben sie aus der Migration ein Geschäft gemacht. Schleusertum und Menschenhandel sind das Geschäft der offiziellen Verantwortlichen, welche sich mittels Erpressung, Entführung, An- und Verkauf von Migrant*innen schamlos bereichern.«

Die Gemeinden San Cristóbal de las Casas und sechs weitere Provinzstädte im Südosten Mexikos – die von der Bundesregierung nicht offiziell anerkannt sind – wurden in den Jahren nach dem zwölftägigen Aufstand der Zapatisten in Chiapas 1994 zu autonomen Gebieten erklärt. Die indigenen mexikanischen Aufständischen, die in der Tradition der Mexikansichen Revolution (1910–1920) und dem prominenten Anführer Emiliano Zapata stehen, hatten am 1. Januar 1994, mit Inkrafttreten des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens NAFTA, dem mexikanischen Staat den Krieg erklärt, um sich gegen die neoliberale Landnahme zu wehren. Ideologisch lassen sie sich bewusst uneindeutig zwischen freiheitlichem Sozialismus, Anarchismus und Marxismus verorten.

Seit fast 30 Jahren ist die Revolte Bezugspunkt globalisierungskritischer Strömungen weltweit. Die Zapatistas machten in Europa zuletzt auf sich aufmerksam, als sich einige Delegierte im Mai 2021 mit einem Segelboot nach Spanien aufmachten, um sich mit diversen antikapitalistischen Basisbewegungen »von unten und links« zu vernetzen. Zum 30. Jahrestag der Revolte soll dennoch ein Fest stattfinden. Die vorläufigen Daten der Gedenkfeierlichkeiten sind zwischen dem 23. Dezember und 7. Januar angesetzt. Wegen der Sicherheitslage »können wir euch nicht raten, zu kommen. Zumindest müsst ihr euch dafür sehr gut organisieren«, heißt es in der Erklärung, doch »laden wir euch ein«, auch wenn »wir euch nicht erwarten«.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Andreas B. aus Bremen (9. November 2023 um 18:49 Uhr)
    Der Titel des Artikels ist ein wenig irreführend, da es sich um eine Neuorganisierung der zapatistischen Selbstverwaltung handelt. Das im Artikel erwähnte Kommuniqué ist lediglich der 4. Teil eines Kommuniqués der Zapatistas, welches aus mehreren Teilen besteht, die nacheinander veröffentlicht werden. Mittlerweile wurde Teil 5 veröffentlicht. Die neue Form der zapatistischen Selbstverwaltung bilden Autonome Lokale Regierungen. Am Ende dieses Tweets sind auch Bilder davon zu sehen: https://twitter.com/TiD00r/status/1722299084986356101
    Der Vollständigkeit halber hier noch die Links zu den Teilen. Teil 1 »Die Motive des Wolfes«: https://enlacezapatista.ezln.org.mx/2023/10/23/erster-teil-die-motive-des-wolfes/
    Teil 2: »Niesen die Toten?«: https://enlacezapatista.ezln.org.mx/2023/10/30/zweiter-teil-niesen-die-toten/
    Teil 3: »Dení«: https://enlacezapatista.ezln.org.mx/2023/11/03/dritter-teil-deni/
    Teil 4: »Vierter Teil und Erste Warnung, sich zu nähern. Verschiedene notwendige Tode.«: https://enlacezapatista.ezln.org.mx/2023/11/06/vierter-teil-und-erste-warnung-sich-zu-nahern-verschiedene-notwendige-tode/
    Teil 5: »Hier kommt der Schlag, junger Mann!«: https://enlacezapatista.ezln.org.mx/2023/11/09/funfter-teil-hier-kommt-der-schlag-junger-mann/
    Andreas B.

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