Kolonisten greifen Westbank an
Von Gerrit Hoekman
Nach dem von der Hamas angeführten, blutigen Angriff auf Israel am 7. Oktober haben die Angriffe militanter, jüdischer Siedler gegen die palästinensische Bevölkerung auf der Westbank noch einmal erheblich zugenommen. Die Vereinten Nationen registrierten seitdem mehr als 170 Attacken. Mehrere Hundert Palästinenser, vor allem Beduinen, wurden von ihrem Land vertrieben. Die Milizionäre trugen teilweise Uniformen der israelischen Armee, berichteten Augenzeugen dem Sender Al-Dschasira.
Die marodierenden Siedler dringen inzwischen täglich in Dörfer ein, beschädigen und stehlen Vieh und Ernte, fällen Bäume und zerstören Trinkwassertanks und Sonnenkollektoren. Sie blockieren Feldwege und hindern die palästinensischen Bauern daran, ihr Land zu erreichen. Besonders während der gerade stattfindenden Olivenernte sind palästinensische Bauern der Gewalt militanter Siedler ausgesetzt. Das ist zwar schon viele Jahre so, aber seit der Krieg um Gaza tobt, fühlen sie sich offenbar besonders aufgestachelt, den Palästinensern zu zeigen, wer die eigentlichen Herren auf der Westbank sind. Wenn die Bauern aus Angst um das nackte Überleben nicht ernten können, verlieren sie ihr gesamtes Jahreseinkommen und damit ihre Existenzgrundlage.
Die Siedlernetzwerke in den sozialen Medien seien voller Hetze und Hass gegen Palästinenser, registriert die israelische NGO B’Tselem eine besorgniserregende Entwicklung. Einige palästinensische Ortschaften haben bereits aufgehört zu existieren – die Bewohner sind von den ultraorthodoxen Siedlern vertrieben worden. Zwischen dem 7. und 19. Oktober hat B’Tselem insgesamt 98 Familien mit 552 Personen gezählt, die ihre Häuser verlassen haben, darunter 173 Minderjährige.
»Wir (…) fordern die internationale Gemeinschaft auf, dringend zu handeln, um die staatlich unterstützte Welle der Siedlergewalt zu stoppen, die zur gewaltsamen Umsiedlung palästinensischer Gemeinden im Westjordanland geführt hat und noch führt.« – Mit diesen Worten riefen über 30 israelische NGOs am 29. Oktober zu einer konzertierten Aktion auf, darunter auch B’Tselem. Einen Tag vor dem Aufruf wurde Bilad Salih aus dem Dorf As-Sawija von Siedlern ermordet, als er sich um seine Olivenbäume kümmerte.
»Leider unterstützt die israelische Regierung diese Angriffe und unternimmt nichts, um die Gewalt zu stoppen. Im Gegenteil: Minister und andere Beamte unterstützen sie und in vielen Fällen ist das Militär anwesend oder beteiligt sich sogar an der Gewalt, auch bei Vorfällen, bei denen Siedler Palästinenser getötet haben«, heißt es in dem Aufruf der israelischen NGOs. »Darüber hinaus kam es seit Beginn des Krieges zu einer wachsenden Zahl von Vorfällen, bei denen gewalttätige Siedler dokumentiert wurden, die umliegende palästinensische Gemeinden angriffen, während sie Militäruniformen trugen und von der Regierung ausgegebene Waffen benutzten.«
Immer noch kein Abo?
Die junge Welt ist oft provokant, inhaltlich klar und immer ehrlich. Als einzige marxistische Tageszeitung Deutschlands beschäftigt sie sich mit den großen und drängendsten Fragen unserer Zeit: Wieso wird wieder aufgerüstet? Wer führt Krieg gegen wen? Wessen Interessen vertritt der Staat? Und wem nützen die aktuellen Herrschaftsverhältnisse? Kurz: Wem gehört die Welt? In Zeiten wie diesen, in denen sich der Meinungskorridor in der BRD immer weiter schließt, ist die junge Welt unersetzlich.
Ähnliche:
- Anne Paq26.11.2022
Kampf um Aufklärung
- imago/ZUMA Press11.06.2022
Barriere mit vielen Namen
- imago images/ZUMA Wire15.01.2022
Entgegen den Fakten
Mehr aus: Schwerpunkt
-
Widerstandsikone verhaftet
vom 09.11.2023