Augen zu vor Kiews Nazis
Von Guido Bergler
Die Bundesregierung verschließt ihre Augen davor, dass deutsches Kriegsgerät in der Ukraine auch in die Hände von Neonazis gelangt. Seit 2022 hat sie dem Land Waffen im Wert von rund 18 Milliarden Euro geliefert oder zugesagt – auf Kosten deutscher Steuerzahler. Dass Kiew mit Ultrarechten kooperiert und Waffen damit auch an europaweit vernetzte Neonazis geraten, interessiert in der Ampel aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP nicht weiter. Das ist die Quintessenz einer 22 Seiten langen Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage »Rechtsextreme Einflüsse in der ukrainischen Politik« der Abgeordneten Sevim Dagdelen, die diese Woche auf der Website des Bundestags veröffentlicht wurde.
Die Regierung hat »keine Erkenntnisse«, ob und in welchem Umfang aus Deutschland gelieferte Waffen an »rechtsextreme Einheiten« weitergegeben wurden. Auch kann die Ampel nicht ausschließen, dass ukrainische Soldaten, die an Ausbildungen der Bundeswehr teilnehmen, »rechtsextremen Einheiten« angehören. »Die Bundesregierung veranlasst keine Überprüfung von Angehörigen der ukrainischen Streitkräfte im Sinne der Fragestellung.« Welche ukrainischen Einheiten an Ausbildungsprogrammen der Bundeswehr teilgenommen haben und welche hiervon »rechtsextrem bzw. rechtsextrem beeinflusst« waren, erklärt die Bundesregierung wiederum – »aus Gründen des Staatswohls« – zur Verschlusssache.
Ultrarechte Kräfte haben einen erheblichen Einfluss auf die ukrainische Politik, wie Dagdelens Anfrage aufzeigt. Vertreter faschistischer Organisationen sind prominent in zahlreichen staatlichen, zivilgesellschaftlichen und militärischen Einrichtungen tätig. Der frühere Anführer des »Rechten Sektors«, Dmitro Jarosch, ist mittlerweile Berater des Generalstabs der ukrainischen Streitkräfte. 2019 hatte er noch gedroht, Präsident Wolodimir Selenskij aufzuhängen, sollte er mit Russland Frieden schließen. Zu den wohl gefährlichsten faschistischen Kräften gehört die »Asow«-Bewegung mit ihrem Regiment bei der ukrainischen Nationalgarde, ihren Verbindungen in die Führung des Innenministeriums und ihrem klaren Bekenntnis zu Hitler-Kollaborateuren wie Stepan Bandera und Roman Schuchewitsch.
Und während das Auswärtige Amt »Asow«-Abgesandte empfängt, bringt die Neonazipartei »Der III. Weg« aus Deutschland »verschiedene Materiallieferungen« für die braunen Kameraden an die Front. Die Bundesregierung listet zahlreiche Treffen der »Asow«-Bewegung mit den völkischen »Identitären« auf. Deren Kriegsunterstützung für »kämpfende Freiwilligenverbände« hält »unvermindert« an, wie sie auf ihrer Homepage aktuell berichten.
Es ist eine reine Luftnummer, wenn die Bundesregierung behauptet, sie trete »Rechtsextremismus« in der Ukraine »nachdrücklich entgegen«, diesen aber gleichzeitig verharmlost: Auf 53 von 73 Fragen bekundet die Bundesregierung schlicht, »keine eigenen Erkenntnisse« zu haben. »Dass rechtsextremistische Kräfte einen erheblichen Einfluss auf die ukrainische Politik hätten«, will sie »pauschal« nicht teilen. »Das Abwiegeln samt Weißwaschen der finster-braunen Truppen ist brandgefährlich«, warnte Dagdelen gegenüber jW. »Statt weiter Waffen für einen sinnlosen Abnutzungskrieg an eine Führung in Kiew zu liefern, die ungeniert mit Neonaziorganisationen kooperiert, sollte die Ampel endlich anfangen, an einer Verhandlungslösung zu arbeiten und Frieden zu stiften.«
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Leserbrief von Ullrich-Kurt Pfannschmidt (25. Oktober 2023 um 09:46 Uhr)Nachdem ich diesen Artikel, sowie die weiteren Artikel zum »Hintergrund: Der Bandera-Komplex« gelesen habe, konnte ich keinen wesentlichen Erkenntniszuwachs ausmachen, denn alle Argumente wurden bereits in früheren Artikeln behandelt. Dagegen bleiben andere Fragen weiterhin unbeantwortet. – Beispielsweise: Die notwendige Entnazifizierung der Ukraine wurde von Putin seinerzeit als besonders wichtiger Kriegsgrund benannt. Inzwischen sind über 600 Tage seit Kriegsbeginn vergangen. Aber die russische Armee, die jede Eroberung eines ukrainischen Dorfes als »Erfolg« verbucht, konnte bisher nichts über Erfolge bei der Entnazifizierung der Ukraine berichten! - Wie ist eigentlich das Verhältnis der russischen Staatsführung zu Nazis im eigenen Land? D. Utkin, Mitgründer der Wagner-Truppe, bekam jedenfalls keine Probleme wegen der Siegrunen der Waffen-SS als Kragenspiegel und einen Reichsadler mit Hakenkreuz als Tätowierung auf der Brust. Bestimmt gibt es noch weitere »Nazis« in Russland, um die sich W. Putin mal kümmern müsste! – Last, but not least: Wie kommt es, dass die AfD so positiv über Putin und das von ihm regierte Russland spricht? Und wieso hat W. Putin anscheinend nichts gegen diesen braunen Haufen einzuwenden? Dessen Vorgänger einst die Sowjetunion einschl. Russland und Ukraine überfielen? Ich konnte noch nicht herausfinden, weshalb Putin so große Unterschiede zwischen den braunen Haufen in der Ukraine und in Deutschland macht!
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Ralf S. aus Gießen (25. Oktober 2023 um 13:42 Uhr)Es ist ein Unterschied, ob einzelne Personen Nazis sind, die gibt es in Russland natürlich auch, oder ob sie Teil der staatlichen Identitätskultur sind, siehe z.B. die Rolle Banderas für die Post-Maida-Ukraine. Außerdem wurde Utkin aus dem Verkehr gezogen, also bleibt ihr Argument ganz schön stecken, denn offenbar spielte er keine gewichtige Rolle für Russland. Wär schön, wenn der ukrainische Geheimdienst mal ein paar »Asow«-Kommandeure aus dem Verkehr ziehen würde. Außerdem ist die »Wagner«-Truppe keine explizit rechte Organisation, ganz im Gegensatz zu »Asow«. Dass Militär und erst recht Söldnertruppen generell kein Hort von emanzipatorischen und fortschrittlichen Ideen sind, ist aber natürlich klar. Warum die AfD positiv über Putin spricht? Kommen Sie da wirklich nicht selbst drauf? Ich hätte ein paar Thesen, aber vielleicht fragen Sie mal ein paar AfD-Politiker. Und was sollte Putin gegen die AfD einzuwenden haben? Warum sollte ihn eine deutsche Oppositionspartei interessieren? Es bleibt dabei, Wolfsangel hier, Balkenkreuz da, überall die schwarz-roten Banner der Bandera-Faschisten in der Ukraine. Machen Sie sich ruhig weiter Illusionen, dass dort »westliche Werte« verteidigt werden. Wobei, die »Untermenschen« (O-Ton ukrainischer Politiker über Russen) aus dem weißen Paradies der Herrenmenschen fern halten (siehe Kommentar von EU-Chefdiplomat Borell, für den der Westen ein schöner Garten und der Rest der Welt nur Dschungel ist) und sie als Tiere abzuqualifizieren, ist ja auch Teil der westlichen Werte.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (25. Oktober 2023 um 15:54 Uhr)Über die »westlichen Werte«, die in der Ukraine verteidigt werden, braucht man sich keine Illusionen machen. Die heißen Dollar, Euro und ggf. Yen. Es sind die einzigen Werte, die dem Wertewesten was wert sind.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinz-Joachim R. aus Berlin (24. Oktober 2023 um 18:38 Uhr)Die Geschichte holt die Gegenwart immer wieder ein. Da denke ich an alte Nazis, die als staatstragende Figuren wie Globke, Lübke, Kiesinger, Filbinger, Oberländer, Heusinger, Abs etc. wirkten. Die AfD selbst bildet wie alle früheren Vereine und Parteien, von der NPD über Landsmannschaften bis zum Reichsbürger, nur ein Spiegelbild der staatlichen Verhältnisse ab. Alles andere drumherum ist Schönrednerei nach dem Motto: »Haltet den Dieb!« Der Staat BRD rekrutierte sich doch unter Bruch der Beschlüsse des Potsdamer Abkommens bei Duldung und Förderung der westlichen Besatzungsmächte, allen voran der USA, aus Kriegs- und Naziverbrechern in der Bundesrepublik und in Berlin-West. Wer da mehr wissen möchte, nehme das »Braunbuch« zur Hand. Genauso erwuchs die Bundeswehr aus der alten Wehrmacht.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Josie M. aus 38448 Wolfsburg (25. Oktober 2023 um 13:19 Uhr)Ganz genau! Josie Michel-Brüning, Wolfsburg
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