Rosa-Luxemburg-Konferenz am 13.01.2024
Gegründet 1947 Mittwoch, 6. Dezember 2023, Nr. 284
Die junge Welt wird von 2753 GenossInnen herausgegeben
Rosa-Luxemburg-Konferenz am 13.01.2024 Rosa-Luxemburg-Konferenz am 13.01.2024
Rosa-Luxemburg-Konferenz am 13.01.2024
Aus: Ausgabe vom 07.10.2023, Seite 3 (Beilage) / Wochenendbeilage

Wuschige Slowakei

Von Arnold Schölzel
schwarzer kanal 1100 x 526.png

Slowakei? Wer das bundesdeutsche Bildungswesen durchlaufen hat, darf mangels Geographie- und Lesekenntnissen das Land mit Slowenien verwechseln. Liegt irgendwo im Osten. Das Land mit der höchsten Autoproduktion pro Kopf weltweit? Wissensballast. VW (15.000 Arbeiter). Autozulieferer Schaeffler (14.000). Werke von PSA, Hyundai und Land Rover und sechsmal mehr Arbeiter als dort bei Zulieferern. 2018 nannte der Spiegel die Slowakei »das Billiglohnland der Euro-Zone«, seitdem sind die Durchschnittseinkommen in der Halbkolonie erfolgreich gesunken. Die Region um die Hauptstadt Bratislava hat eine höhere Wirtschaftsleistung als Wien oder Stuttgart, die Ostslowakei ist ökonomisch abgehängt. Möglich, dass so etwas für das Wahlergebnis am 30. September eine Rolle gespielt hat.

Medienredaktionen sind die Ersatzschulen der Nation. Am Wahltag lehrte zum Beispiel AFP, dass die Slowaken noch dümmer sind als die Ostdeutschen: »Die Slowakei ist während des Wahlkampfs von einer Flut von Falschinformationen überschwemmt worden. Experten zufolge fällt etwa die Hälfte der 5,4 Millionen Einwohner auf Falschinformationen herein.« Die 50 Prozent Schwachköpfe glaubten so was: »Dazu gehört beispielsweise die unbewiesene Behauptung, der Krieg in der Ukraine habe bereits 2014 mit der Tötung russischer Zivilisten durch ukrainische ›Faschisten‹ begonnen – eine oft von Moskau verbreitete These.« Das Attribut »unbewiesene« sollten sich die AFP-Pädagogen vielleicht noch einmal überlegen. Oder jW zur Ukraine seit 2014 lesen, woanders erfährt keiner was vom Putsch in Kiew, vom Verbot des Russischen und der »Antiterroristischen Operation« gegen alle, die es dennoch sprechen. Hat mit Faschismus nichts zu tun, weil: passiert ja im Osten und mit »unserer« Hilfe.

Stärkste Partei wurde in der Slowakei am 30. September die von Robert Fico mit 23 Prozent. Also verkündete AFP am Tag danach Bedrohliches: »Der Sieger der Parlamentswahl in der Slowakei, Exregierungschef Robert Fico, hat für den Fall einer Regierungsbildung seiner populistischen Partei Smer-SD den Einsatz für Friedensverhandlungen zwischen Russland und der Ukraine angekündigt. Die Slowakei habe ›größere Probleme‹ als die Ukraine-Hilfe, sagte der prorussische Fico am Sonntag vor Journalisten. Sollte seine Partei den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten, werde sie ihr ›Bestes tun‹, um schnellstmöglich Friedensgespräche zu organisieren.«

Der Mann ist nicht Regierungschef und droht mit Frieden – für deutsche Qualitätsredakteure heißt das: Da heult der Häuptling aller Höllenhunde.

Siehe ZDF-»Heutejournal« am Sonntag abend. Moderator Christian Sievers interviewt die Fachfrau fürs Privatisieren von Staatsfinanzen für Rüstungskonzerne und daher Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (MASZ), kennt sich also im Osten aus, wo immer der gerade ist. Frage: »Bröckelt jetzt die Hilfe?« Antwort: »Hoffentlich nicht.« Sievers: »Im Wahlkampf gab es eine unglaubliche Desinformationskampagne. Viele Experten sagen, das war aus Moskau gesteuert … Ist der Arm Putins in Europa dann doch länger als wir denken?« MASZ: »Also in den sozialen Netzwerken ganz sicher.« Und: »Wir wissen, dass diese hybriden Angriffe deutlich über die Ukraine hinausgehen und besonders die Staaten wuschig machen, die bereit sind zu helfen.« »Wuschig« bedeutet »aufgeregt, fahrig, verwirrt«, aber auch »sexuell erregt«.

So findet alles sein gutes Ende. Die Slowaken sind zum Glück nicht so dumm wie etwa die Ostdeutschen, die mehrheitlich Kiew nicht helfen wollen, sondern diese Slowenen oder so waren bloß durcheinander. Ist genehmigt. Dürfen weiter billig in »unserem« Autobau malochen.

Die Slowaken sind nicht so dumm wie etwa die Ostdeutschen, die mehrheitlich Kiew nicht helfen wollen, sondern diese Slowenen waren bloß durcheinander. Das ist gestattet. Dürfen weiter billig in »unserem« Autobau malochen.

Immer noch kein Abo?

Die junge Welt ist oft provokant, inhaltlich klar und immer ehrlich. Als einzige marxistische Tageszeitung Deutschlands beschäftigt sie sich mit den großen und drängendsten Fragen unserer Zeit: Wieso wird wieder aufgerüstet? Wer führt Krieg gegen wen? Wessen Interessen vertritt der Staat? Und wem nützen die aktuellen Herrschaftsverhältnisse? Kurz: Wem gehört die Welt? In Zeiten wie diesen, in denen sich der Meinungskorridor in der BRD immer weiter schließt, ist die junge Welt unersetzlich.

Ähnliche:

  • Umgehung der Ukraine: Verdichterstation der Turk-Stream-Pipeline...
    18.08.2023

    Ende des Gastransits

    Mit dem Auslaufen des jetzigen Vertrags will Kiew ab 2025 kein russisches Gas mehr weiterleiten. Österreich, Slowakei und Ungarn besonders betroffen
  • Die nach dem Ersten Weltkrieg entstandene Zweite Polnische Repub...
    04.07.2022

    Doppelbödiger Journalismus

    Die Artikel der sowjetischen Agentin Ilse Stöbe zeigen, wie eine falsche Minderheitenpolitik Hitlers Kriegspläne stützte
  • Am 30. März veröffentlichte das russische Verteidigungsministeri...
    12.04.2022

    Bratislava mischt mit

    Slowakei: Opposition kritisiert »S-300«-Luftabwehr-Lieferung an Ukraine. Moskau meldet Neutralisierung