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Aus: Ausgabe vom 04.10.2023, Seite 16 / Sport
Rugby-Union-WM

Einseitig, aber unterhaltsam

Neuseeland fertigt bei der Rugby-WM Italien 96:17 ab
Von Bernhard Krebs, Lyon
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Die Erde bebt: Die »All Blacks« tanzen den »Haka« (29.9.2023)

Lyon trägt Schwarz. Das Bild der südostfranzösischen Stadt wird am vorigen Freitag von Anhängern der »All Blacks«, der neuseeländischen Nationalmannschaft im Rugby Union geprägt. Überall sind Fangruppen und Familien unterwegs, die das schwarze Trikot mit dem Silberfarn auf der linken Brust tragen. Nicht wenige haben einen Ball dabei und spielen mit wildfremden Menschen Doppelpässe beim Überqueren von Fußgängerüberwegen an Kreuzungen oder beim Bier vor einer der vielen gutbesuchten Bars in der Altstadt. Dabei feuern sie sich immer wieder an: »Come on, All Blacks! Let’s give it to the Italians!« Für den dreimaligen Weltmeister (1987, 2011 und 2015) ist das Spiel in Gruppe A gegen Italien ein »Do or die«-Match, nachdem das Eröffnungsspiel gegen Gastgeber Frankreich 27:13 verloren gegangen war.

Und die Italiener? Im Stadtbild sind sie unterrepräsentiert. Hier und da sind Fans im azurblauen Trikot neben den trinkfreudigen Neuseeländern vor den Bars auszumachen. Die Stimmung ist von freundschaftlicher Konkurrenz geprägt. Man drückt sich gegenseitig Sprüche, lacht viel und trinkt. Der gegenseitige Respekt ist groß, das Kämpfen überlassen die Fans beider Teams den Mannschaften am Abend im Stadion von Olympique Lyon.

Die Anreise dorthin wird zur Geduldsprobe, die Shuttle-Bahnen kommen nur langsam und fahren noch langsamer ab. Eine mehrere hundert Meter lange Schlange von Supportern erstreckt sich vom Hauptbahnhof »Part-Dieu« bis zur Haltestelle. Auch hier dominieren die schwarzen Leibchen, wenn auch nicht immer Neuseeländer drin stecken. Vier junge Männer, die sich als Neuseeländer ausgeben, deren Dialekt aber nicht passt, räumen nach einigem Hin und Her mit den umstehenden Kiwis ein, waschechte Engländer aus London zu sein. Andrew, ein in der Nähe von Köln lebender Neuseeländer, stellt lakonisch fest: »Ah, you’re supporting the Colonies!« (Ah, ihr unterstützt die Kolonien). Die Lacher der umstehenden Kiwis sind Andrew sicher.

Im Stadion sind die »Azzurri« überraschend in der Überzahl. Doch die meisten scheinen Franzosen zu sein, die den Underdog unterstützen wollen. Anhänger beider Teams sitzen kreuz und quer gemischt. Fanblöcke gibt es nicht, es herrscht ausgelassene Volksfeststimmung. Und das, trotz Biermangels: Die wenigen Verkaufsstände sind mit dem Durst der Rugbyenthusiasten völlig überfordert.

Kurz vor 21 Uhr betreten die Mannschaften das Spielfeld. Nach den Hymen formieren sich die »All Blacks« zum »Haka«, einem traditionellen Kriegstanz der Maori, den Ureinwohnern Neuseelands. Es wird gestampft und geschrien, furchteinflößende Grimassen werden gerissen, symbolisch Kehlen durchgeschnitten, die Erde zum Beben gebracht – Gänsehaut für die über 57.000 Zuschauer.

Das Spiel ist dann eine Einbahnstraße: Neuseeland demontiert das italienische Team – das nicht im Ruf steht, Fallobst zu sein – von der ersten Spielminute an mit inspiriertem Lauf- und Passspiel und kompromissloser Härte in den Kontakt- und Standardsituationen. Die Azzurri wirken über weite Strecken überfordert. Der Endstand von 96:17 nach 80 Spielminuten spricht Bände. Die »All Blacks« legen 14 Versuche, Italien nur zwei. Den Punktereigen eröffnet Flügelspieler Will Jordan bereits in Spielminute sechs. »Fly Half« Aaron Smith kann mit drei Versuchen (17./27./34.) gar einen Hattrick verbuchen. Nach dem dritten Versuch von Mark Telea (19.) wollen die Franzosen im Stadion zeigen, wer eigentlich der Herr im Haus ist und stimmen die »Marseillaise« an. Doch als sie gerade die »Citoyens« aufrufen, Bataillone gegen die Unterdrücker zu bilden, gibt Neuseelands Kapitän Ardie Savea (22.) den »Party-Crasher« und pumpt sich humorlos durch die italienische Verteidigungslinie ins Malfeld. Der Rest der Hymne geht im Jubel unter.

In der 48. Spielminute dann ein italienisches Lebenszeichen: Ange Capuozzo sprintet über den rechten Flügel und kann, trotz eines harten Doppeltacklings den Ball noch gerade so im Malfeld ablegen, während zwei »All Blacks« ihn ins Spielfeldaus hämmern. Doch bis zur 80. Spielminute zaubern nur noch die »All Blacks« und gewinnen hochverdient eine einseitige, aber unterhaltsame Partie. Den Schlusspunkt setzt dann Montanna »Monty« Ioane. In der Nachspielzeit (81.) legt der Flügelspieler den verdienten zweiten Versuch für ein aufopferungsvoll kämpfendes, dem Gegner jedoch in allen Belangen unterlegenes italienisches Team.

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