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Aus: Ausgabe vom 29.09.2023, Seite 14 / Medien
Pressefreiheit in Frankreich

Macron zensiert

Frankreich: Reporterin in Untersuchungshaft. Medienhäuser beklagen starke Einschränkung der Pressefreiheit seit Amtsantritt des Präsidenten
Von Raphaël Schmeller
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»Journalistin im Kerker«: Proteste für die Freilassung von Ariane Lavrilleux (Marseille, 19.9.2023)

Fast täglich finden sich in deutschen Zeitungen Artikel über die Pressefreiheit in Russland, Kuba oder China. Über die Lage der Medien in Frankreich wird dagegen kaum berichtet – zu Unrecht. Denn seit Emmanuel Macrons Amtsantritt im Jahr 2017 wird die Pressefreiheit im Nachbarland immer stärker eingeschränkt, beklagen französische Journalistenverbände dieser Tage.

Anlass ist die Verhaftung der Reporterin Ariane Lavrilleux, die 2021 für die Onlinezeitung Disclose aufdeckte, dass das französische Militär mit der ägyptischen Regierung zusammenarbeitete und dabei auch an Menschenrechtsverbrechen (u. a. Hinrichtungen) beteiligt war. Wegen dieser Recherche wurde Lavrilleux nun am 19. September in Polizeigewahrsam genommen und zehn Stunden lang verhört. Die Beamten durchsuchten außerdem ihre Wohnung sowie alle ihre digitalen Geräte. Lavrilleux wurde erst nach 39 Stunden aus der Untersuchungshaft entlassen.

Frankreichs Regierung streitet die im Artikel geschilderten Tatsachen nicht ab. Sie möchte aber den Beamten, der Lavrilleux Dokumente zugespielt hat, ausfindig machen und anschließend anklagen. Ihm drohen wegen Landesverrat bis zu sieben Jahre Haft. »Ein beispielloser Angriff auf den Schutz des Quellengeheimnisses von Journalisten«, reagierten zahlreichen Medien in einem am 21. September in Le Monde veröffentlichten offenen Brief. »Diese gravierende Situation, die vor dem Hintergrund der Zunahme von Verfahren gegen Journalisten in den vergangenen Jahren geschieht, muss alle Menschen mobilisieren, denen die Informationsfreiheit in Frankreich am Herzen liegt«, heißt es darin weiter.

Zu den Unterzeichnern gehört auch die Pariser Tageszeitung Libération, die – wie es der Zufall will – am Tag der Veröffentlichung des Briefs ebenfalls ins Visier der Behörden geriet. Drei ihrer Journalisten wurden von der Polizei vorgeladen und verhört, weil sie zu einem Fall von Polizeigewalt aus dem Jahr 2022 recherchierten. Damals hatte ein Beamter der Spezialeinheit BAC in der nordfranzösischen Stadt Neuville-en-Ferrain den 23järhigen Amine Leknoun in seinem Auto erschossen. Auch die Recherche von ­Libération zu diesem Fall berief sich auf interne Dokumente.

Seit Macron an der Macht ist, geht es rapide bergab mit der Pressefreiheit. Bereits wenige Tage nach seinem Einzug in den Élysée-Palast im Mai 2017 erhielt der Staatschef einen Brief, der von 26 Redaktionen unterzeichnet wurde. Darin kritisierten die Medienschaffenden, dass der Präsident von nun an persönlich die Journalisten auswählen wolle, die bei offiziellen Reisen anwesend sind.

Die Dinge verschlimmerten sich ab 2018 mit der mittlerweile berühmten Benalla-Affäre. Damals kommentierte Macron die Enthüllungen um seinen Sicherheitschef mit den Worten: »Wir haben eine Presse, die nicht mehr nach der Wahrheit sucht.« Im selben Jahr verabschiedete das Parlament zwei Texte, die von Journalistenverbänden heftig kritisiert wurden: das sogenannte Anti-Fake-News-Gesetz und das Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen. Im Jahr 2020 folgte das Avia-Gesetz gegen Hassrede, das aber vom Verfassungsrat zensiert wurde, da dieser der Ansicht war, es bedrohe die Meinungsfreiheit.

Auch die erste Hälfte des Jahres 2019 war von beispiellosen Angriffen auf die Pressefreiheit geprägt. Damals träumte Emmanuel Macron davon, »Strukturen« zu schaffen, die die Aufgabe hätten, die »Neutralität der Presse zu gewährleisten«. Innerhalb weniger Wochen wurden acht Journalisten von den Geheimdiensten vorgeladen, die an Themen wie dem Waffenverkauf Frankreichs an Saudi-Arabien oder der Benalla-Affäre arbeiteten.

Mit dem »Sicherheitsgesetz« von 2021 schränkte die Regierung die Pressefreiheit weiter ein, indem sie neue Regeln für Medienvertreter bei Demonstrationen einführte. Der Innenminister Gérald Darmanin forderte die Journalisten auf, sich vor der Berichterstattung über Proteste »an die Behörden zu wenden«.

Die »Gelbwesten«-Bewegung markierte einen weiteren Wendepunkt im Umgang der Staatsmacht mit der Presse. Damals wurden nicht nur zahlreiche Demonstranten Opfer polizeilicher Übergriffe. Auch Journalisten blieben nicht verschont. Seit diesen Ereignissen gibt es in Frankreich kaum eine Demonstration ohne Polizeigewalt gegen Medienvertreter – das haben nicht zuletzt die Rentenproteste in diesem Jahr gezeigt.

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