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Aus: Ausgabe vom 27.09.2023, Seite 8 / Ansichten

Warm und sicher

Ungarns Ost- und Weststrategie
Von Arnold Schölzel
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Hand drauf: Sergej Lawrow (r.), Außenminister von Russland und Peter Szijjarto, Außenminister von Ungarn (21.7.2022)

Als einziger Spitzenpolitiker eines EU-Mitgliedstaates traf Ungarns Außenminister Péter Szijjártó am Rande der UN-Generalversammlung vergangenen Freitag seinen russischen Kollegen Sergej Lawrow. Anschließend meinte Szijjártó, wenn andere westliche Politiker das gleiche täten, »gäbe es vielleicht mehr Hoffnung auf Frieden in der Ukraine, ein Ende des Tötens und die Rettung von Menschenleben«. Im übrigen: »Ich denke, dass keine weiteren Sanktionspakete nötig sind.« Die EU habe dabei bislang mehr Schaden erlitten als Russland. Vor allem aber teilte er mit, dass es in Ungarn warm und sicher bleiben werde. Bei den russischen Öl- und Gaslieferungen, für die Budapest in Brüssel eine Sonderregelung durchsetzte, und für Kernbrennstoffe bleibe es bei den Liefermengen, für die Lawrow eine Garantie aussprach.

Am Montag legte Ministerpräsident Viktor Orbán im Budapester Parlament nach: Weil Brüssel beschlossen habe, die EU von den russischen Energielieferungen abzuschneiden, habe Ungarn im Sommer mit der Türkei, Aserbaidschan und Katar Energiekooperationsabkommen unterzeichnet. Fast die Hälfte der benötigten Gaslieferungen komme bereits über die Turkstream-Pipeline. Anders gesagt: Auf US-Fracking-Dreck ist Ungarn nicht angewiesen.

Orbán nimmt für sich in Anspruch, die Situation vorhergesehen zu haben. Das mag stimmen oder nicht, das Ergebnis ist: Sein Land bleibt vom Diktat westlicher Energiekonzerne unabhängig. Orbán brachte am Montag die heutige Situation auf dem Energiesektor mit dem Krieg in der Ukraine seit 2014 in Verbindung: »Die Brüchigkeit des Minsker Friedens war von Anfang an offensichtlich. Wir wussten, dass, wenn die Ukraine ihre Ambitionen auf eine NATO-Mitgliedschaft nicht aufgeben würde, ein neuer Konflikt entstehen würde, der auch die russischen Energielieferungen gefährden würde.« Deshalb sei Ungarn bereits seit 2018 Beobachter in der Organisation der Turkstaaten (OTS), »deshalb stellten der Krieg und der angebliche Staatsterrorismus gegen Nord Stream für uns keine unüberwindbare Herausforderung dar.«

Der frühe »Schwenk nach Asien« Orbáns verschafft jedenfalls Spielräume gegen den Kriegswahn Washingtons, Berlins oder Brüssels und gegen die Versuche, Budapest in den antirussischen Gleichschritt zu zwingen. Am Montag wies Orbán zum Beispiel die Kiewer Forderung zurück, ukrainische Flüchtlinge zurückzuschicken. Außerdem kämpfe die ungarische Regierung in allen internationalen Foren für die Rechte der ungarischen Minderheit in der Ukraine und werde »den ukrainischen Staat in keiner Frage unterstützen, solange er nicht die früheren Gesetze wiederherstellt«. Zudem könne er nicht erkennen, dass Ungarns Zustimmung zum NATO-Beitritt Schwedens »dringend« nötig sei.

Orbán meinte »in aller Bescheidenheit«, seine »Oststrategie« habe funktioniert. Von der Weststrategie sagte er nichts. Die funktioniert noch besser.

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Die junge Welt ist oft provokant, inhaltlich klar und immer ehrlich. Als einzige marxistische Tageszeitung Deutschlands beschäftigt sie sich mit den großen und drängendsten Fragen unserer Zeit: Wieso wird wieder aufgerüstet? Wer führt Krieg gegen wen? Wessen Interessen vertritt der Staat? Und wem nützen die aktuellen Herrschaftsverhältnisse? Kurz: Wem gehört die Welt? In Zeiten wie diesen, in denen sich der Meinungskorridor in der BRD immer weiter schließt, ist die junge Welt unersetzlich.

  • Leserbrief von Rainer Kral aus Potsdam (27. September 2023 um 09:07 Uhr)
    Orbán tut das, zudem er und seine Regierung verpflichtet ist, er kümmert sich um die Bevölkerung und das Wohlergehen seines Landes. Das ist das, wovor sich der Rest der EU-Staaten mit seinen US-willigen Regierungen drückt. Im Gegenteil, man nimmt bewusst die Verschlechterung der Lebensverhältnisse der Menschen und die Rahmenbedingungen der Wirtschaft in Kauf, um dem Befehlsgeber in Washington zu gefallen. Besonders militant gebärden sich die Regierungsmitglieder der ehemaligen Friedenspartei Grüne, die sich innerhalb weniger Jahre in eine militante, »oliv-grüne« NATO-Partei gewandelt hat, die jenseits des gesunden Menschenverstandes einen Krieg unterstützt, der in einen Weltkrieg münden könnte. Dass dies dem verfassungsmäßigen Auftrag einer Regierung widerspricht, sollte jedem klar denkenden Menschen einleuchten. Leider gibt es in diesem Land ganz offensichtlich zu wenig klar denkende Menschen.
    • Leserbrief von Franz Doering (27. September 2023 um 15:02 Uhr)
      Orban ist ein glühender antikommunist, der die linken und marxistischen Kräfte in Ungarn brutal unterdrückt. Er ist extrem ausländerfeindlich und ist Anhänger eines chauvinistischen Großungarns.
  • Leserbrief von A. Katz (27. September 2023 um 08:01 Uhr)
    Wenn bloß alle EU-PolitikerInnen so weitsichtig wie der ungarische Ministerpräsident Orbán gewesen wären, die Welt wäre eine bessere! Statt dessen betreiben große Teile der EU ein Orban-Bashing übelster Sorte. Gott sei Dank gibt es aber in Deutschland auch Politiker und Journalisten, die da nicht mitspielen. Und das macht Hoffnung!
    • Leserbrief von A.Katz aus Berlin (27. September 2023 um 11:57 Uhr)
      Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen; Mein Leserbrief war bittere Satire! Wie sich vermeintlich Linke mit Orbans Regime gemein machen können … das ist unverzeihlich. Da befindet man sich auf einer Linie mit der AfD, die ja bekanntlich enge Beziehungen mit Orbans Fidesz pflegt.
      • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (27. September 2023 um 16:31 Uhr)
        Satire ist eine künstlerische Ausdrucksform, bei der Personen, Ereignisse oder Zustände auf humorvolle Weise kritisiert, verspottet oder angeprangert werden. Ihre Entschuldigung in Bezug auf Ihren Leserbrief liefert einen eigenen Beweis dafür, dass Ihre vielleicht gut gemeinte Satire fehlgeschlagen ist. Da Sie offensichtlich weder mit dieser literarischen Gattung noch mit der ungarischen Politik vertraut sind, hätten Sie sich vielleicht besser von dieser Form der Kunst fernhalten sollen.
        • Leserbrief von A. Katz aus Berlin (28. September 2023 um 11:44 Uhr)
          Ohne Beleidigungen geht es scheinbar nicht. Und wo Sie eine Entschuldigung von mir gesehen haben wollen, anyway. Aber die Zeiten sind Gott und Marx sei Dank vorbei, wo vorgeschrieben wird, was Kunst ist und was nicht! Vielleicht ist das noch nicht in den Talkessel von Stuttgart durchgedrungen … dem quasi Tal der Ahnungslosen der BRD! Mich freut es im übrigen immer wieder, nein mich schaudert, wenn sich sogenannte Linke als Orbanisten outen. Da hat der Tag Struktur!
  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (26. September 2023 um 21:12 Uhr)
    Sehr geehrter Herr Schölzel, was ist daran auszusetzen, wenn sich zwei Diplomaten treffen und Gedanken austauschen? Ist es nicht ihre Pflicht und Aufgabe? Wäre es nicht besser, wenn unsere Baerbock dasselbe tun würde, anstatt Beleidigungen auszusprechen und sinnlos zu schwätzen? Nun zu Ungarn. Orbán hat seit Jahren die absolute Mehrheit, von der westliche Staaten nur träumen können. Er tut, was das Volk wünscht. Ist das nicht Demokratie? Er vertritt ungarische Interessen, wofür er gewählt wurde. Wäre es nicht die Aufgabe einer deutschen Regierung, nach Ihrer geschätzten Meinung dasselbe zu tun? Baerbock hat offen gesagt, dass sie sich nicht für ihre Wähler interessiert, sondern die Interessen der Ukraine vertritt. Warum schätzen Sie Orbans »Oststrategie« weniger? In Bezug auf den aktuellen Anlass möchte ich einige Bemerkungen mitteilen: Die Vereinigten Staaten, die für ihre scharfen Sanktionen gegenüber Russland bekannt sind, haben im ersten Halbjahr 2023 ihre Uranimporte aus Russland verdreifacht, verglichen mit der Zeit vor dem Ukraine-Krieg. Als ob das nicht genug wäre, haben sie sogar die Hälfte dieser Importe zu erheblichen Aufschlägen weiterverkauft. Weiterhin, während weltweit die Ernte aufgrund des Mangels an russischem Dünger zurückging, kauften die USA Rekordmengen an Düngemitteln von Russland. Dies wirft ein Licht auf die Doppelmoral, die von der führenden Macht des Westens an den Tag gelegt wird. Halten Sie das für richtig? Warum schreiben Sie nicht darüber? Sagen Sie mir bitte, worin besteht seine Weststrategie, die, wie Sie es behaupten, noch besser funktioniere. Mit freundlichen Grüßen, Istvan Hidy

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