Frankreich gibt klein bei
Von Ina Sembdner
Zwei Monate nach dem Militärputsch in Niger gibt Frankreich die Militärpräsenz in seiner früheren Kolonie auf. Präsident Emmanuel Macron kündigte am Sonntag abend den Abzug der 1.500 französischen Soldaten bis zum Jahresende an. Frankreich werde sich nicht zur Geisel der Putschisten machen, die »nicht mehr den Terrorismus bekämpfen wollen«, behauptete Macron. Man werde sich mit diesen jedoch verständigen, um einen geordneten Abzug sicherzustellen, sagte der Präsident in einem Interview der Fernsehsender TF 1 und France 2.
Weiter verkündete Macron, seinen Botschafter wie auch mehrere Diplomaten »in den nächsten Stunden zurückzuholen«. Sylvain Itté war bereits Ende August dazu von den nigrischen Behörden aufgefordert worden, Paris weigerte sich jedoch hartnäckig, dem Folge zu leisten. Die von Niamey gesetzte 48-Stunden-Frist verstrich, und Macron lobte wenige Tage später »das Engagement unseres Botschafters, der trotz des Drucks, trotz allem und trotz aller Äußerungen der illegitimen Behörden« bleibe. Die hatten Itte die mit dem Status des Botschafters verbundenen Vorrechte und Immunitäten entzogen und die Polizeidienste angewiesen, seine Ausweisung zu veranlassen, wie es in der damaligen Mitteilung des nigrischen Außenministeriums hieß.
Westliche »Experten« sehen in der Entscheidung naturgemäß keinen Gewinn an Souveränität für die nigrische Übergangsregierung, sondern ein »Imagedesaster für Frankreich, eine Erniedrigung«, wie etwa ein französischer Politikwissenschaftler von AFP zitiert wurde. Sein Zukunftsszenario könnte indes für afrikanische Staaten durchaus positiv sein: »Langfristig werden sämtliche Militärstützpunkte Frankreichs in Afrika geschlossen werden.« Wer dahintersteckt, ist für Thierry Vircoulon auch im Hinblick auf die Umstürze in den westafrikanischen Nachbarländern aber klar: »Nach dem Putsch gab es in jedem Land sofort antifranzösische Demonstrationen und Onlinekampagnen, dahinter steckte eindeutig russische Expertise.« Dass es im Sahel bereits seit Jahren Proteste gegen die ehemalige Kolonialmacht gab, wird geflissentlich verschwiegen.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Reinhard W. aus Hamburg (27. September 2023 um 10:44 Uhr)Hmmm, russische Expertise. Veranlasst Frankreich zum Verlassen des Landes, ohne dass ein Schuss gefallen ist. Nun gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder die »Russische Expertise« ist der »Französischen Expertise« ziemlich heftig überlegen, was Macron dazu bringen sollte, nachzudenken. Oder die Expertise der Nigrer ist auch nicht ohne. Sprich: die französischen Experten haben gründlich verkackt.
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Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (26. September 2023 um 21:42 Uhr)So ist es: Frankreich gibt klein bei! Das Land ist schwach, kann auch nicht anders. Bedauernswert ist es, wenn die Einnahmequellen und Privilegien aus der früheren Kolonialen wegfallen, wird Frankreich Wirtschaftsleistung auf das Niveau Italien als Mittelmaß fallen. Danach wird auf dem Spiel die EU stehen, wo auch die Leistungs- und Zahlungsfähigkeit Deutschland zurückgeht! Niger dagegen kann mit der Angelegenheit nur gewinnen.
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