Krieg vor der UNO
Von Jörg Kronauer
Russlands Außenminister Sergej Lawrow sieht die Menschheit »an einem Scheidepunkt« und warnt »vor einer Abwärtsspirale in einen Krieg im großen Stil«. Wie Lawrow am Sonnabend (Ortszeit) in New York in seinem Auftritt vor der UN-Generalversammlung erklärte, entstehe zur Zeit »vor unseren Augen eine neue Weltordnung«. Die unmittelbare Zukunft sei geprägt vom Kampf zwischen einer »globalen Mehrheit«, die für eine »gerechtere Verteilung« der weltweit verfügbaren Güter eintrete, und einer kleinen Minderheit, die »neokoloniale Methoden der Unterwerfung« anwende, um ihre überkommene Dominanz zu wahren; diese beginne ihr inzwischen »durch die Finger zu schlüpfen«. Europäer und Nordamerikaner machten dabei »alle möglichen Versprechungen«, hielten sie dann jedoch nicht ein, kritisierte Lawrow mit Blick auf die transatlantischen Zusicherungen aus dem Jahr 1990, die NATO nicht nach Osten zu erweitern. Der Westen habe ein »Imperium der Lügen« errichtet.
Konkret attackierte der russische Außenminister den Wirtschaftskrieg gegen Staaten wie Kuba, Venezuela oder Syrien, die der Westen mit brutalen Sanktionen in Elend und Kollaps zu treiben droht. Sämtliche Maßnahmen dieser Art, die nicht vom UN-Sicherheitsrat gebilligt worden seien, »müssen gestoppt werden«, forderte Lawrow. Zudem gelte es, die globalen politischen und ökonomischen Strukturen zu reformieren. Das betreffe nicht nur den UN-Sicherheitsrat, in den Staaten Afrikas und Lateinamerikas und zusätzliche Staaten Asiens aufgenommen werden müssten, sondern etwa auch das UN-Generalsekretariat, das bisher zugunsten von NATO und EU voreingenommen sei. Lawrow protestierte außerdem gegen den »hybriden Krieg«, den die transatlantischen Mächte derzeit gegen Russland führten: »Sie kämpfen direkt mit uns.« Als Beleg nannte er die Aufrüstung der Ukraine, Finanzhilfe für Kiew und den Einsatz westlicher »Söldner« im Krieg gegen Russland.
Dabei betätigen sich auf ukrainischer Seite womöglich mehr deutsche Militärs als bisher bekannt. Als sie bei einer Operation im Bezirk Saporischschja einen extrem beschädigten »Leopard«-Kampfpanzer hätten inspizieren wollen, erklärten russische Soldaten gegenüber der Nachrichtenagentur RIA Nowosti am Sonnabend, habe der schwerverletzte Fahrer auf Deutsch »Nicht schießen!« gerufen und beteuert, er sei kein Söldner, sondern regulärer Bundeswehrsoldat – wie die anderen drei Besatzungsmitglieder, die bereits tot gewesen seien. Auch der Fahrer sei trotz all ihrer Bemühungen, sein Leben zu retten, wenig später gestorben, erklärte der Kommandant der russischen Einheit.
Konkret überprüfbare Belege für die Nationalität der »Leopard«-Besatzung oder gar für ihre Zugehörigkeit zur Bundeswehr legte Russland bislang allerdings nicht vor. Bekannt ist, dass auch Deutsche auf seiten der Ukraine kämpfen – allerdings aus eigenem Antrieb und zumindest teilweise in der eigens geschaffenen Internationalen Legion oder in Einheiten der regulären ukrainischen Streitkräfte; in beiden Fällen gelten sie völkerrechtlich als reguläre Kombattanten. Das ist wichtig, weil sie dann Schutzrechte genießen, die irregulären Kräften bzw. Söldnern nicht zustehen. Aus früheren Jahren ist belegt, dass sich aktive deutsche Soldaten, wenn sie in einen Krieg ziehen wollten, an dem die Bundesrepublik offiziell nicht beteiligt war – etwa im Afghanistan der 1980er Jahre –, beurlauben lassen konnten. Damit war die Bundeswehr für ihr Handeln in aller Form nicht mehr verantwortlich.
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Marsch in Feldgrün
1. Ausbildung ukrainischer Soldaten in der Ukraine und in NATO seit Jahrzehnten, gesteigert seit 2014, nochmals gesteigert seit 2022.
2. Die gesamte Planung der Kriegsoperationen erfolgt in Absprache mit der NATO. Die NATO plant ebenso wie die Ukraine und teils allein für die Ukraine. Die Ukraine führt es dann aus.
3. Die Ukraine erhält die elektronischen Aufklärungsdaten, welche Ziele sie angreifen soll, auch operativ in Echtzeit von der NATO. Hinzu kommen privat betriebene Satellitensysteme von Musk. Immer dann, wenn er diesen Service einschränken wollte, wurde er von US-Regierung und Pentagon unter Druck gesetzt.
4. Der Sanktions- und Wirtschaftskrieg gegen Russland
5. Die finanzielle Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des ukrainischen Staates. Das ist keine »Finanzhilfe«, sondern die vollkommene Finanzierung eines Vasallenstaates. Die NATO-Länder sind Kriegspartei. Alles andere ist eine faustdicke Lüge. Ohne Punkt 3 und 5 sowie die Waffenlieferungen des Westens könnte die Ukraine als Staat nicht mehr weiter existieren und natürlich auch keinen Krieg führen. Besonders infam ist die Taktik, selbst keine oder nur minimale menschliche Opfer zu bringen und andere für sich kämpfen zu lassen. Das wurde bereits 1945 klar, als man Vergleiche zog, wie viele Soldaten USA, Briten und Franzosen opfern mussten, um Hitlerdeutschland in Europa zu besiegen mit den Opfern der UdSSR. Die Russen zogen ab. Die USA spielen sich weiter als dominante Siegermacht auf. Das wird sich nun allerdings in der Ukraine nicht wiederholen, obwohl es die gleiche, feige Taktik des Westens ist wie im Zweiten Weltkrieg – die eigenen Opfer minimieren und maximal absahnen.