Rosa-Luxemburg-Konferenz am 13.01.2024
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Aus: Ausgabe vom 25.09.2023, Seite 1 / Titel
Russischer Standpunkt

Krieg vor der UNO

Generalversammlung: Russlands Außenminister prangert westliche Dominanz an und fordert Reformen. Bundeswehr-Soldat soll in Ukraine gefallen sein
Von Jörg Kronauer
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»Imperium der Lügen«: Lawrow formuliert in seiner Rede scharfe Vorwürfe Richtung Westen (New York, 23.9.2023)

Russlands Außenminister Sergej Lawrow sieht die Menschheit »an einem Scheidepunkt« und warnt »vor einer Abwärtsspirale in einen Krieg im großen Stil«. Wie Lawrow am Sonnabend (Ortszeit) in New York in seinem Auftritt vor der UN-Generalversammlung erklärte, entstehe zur Zeit »vor unseren Augen eine neue Weltordnung«. Die unmittelbare Zukunft sei geprägt vom Kampf zwischen einer »globalen Mehrheit«, die für eine »gerechtere Verteilung« der weltweit verfügbaren Güter eintrete, und einer kleinen Minderheit, die »neokoloniale Methoden der Unterwerfung« anwende, um ihre überkommene Dominanz zu wahren; diese beginne ihr inzwischen »durch die Finger zu schlüpfen«. Europäer und Nordamerikaner machten dabei »alle möglichen Versprechungen«, hielten sie dann jedoch nicht ein, kritisierte Lawrow mit Blick auf die transatlantischen Zusicherungen aus dem Jahr 1990, die NATO nicht nach Osten zu erweitern. Der Westen habe ein »Imperium der Lügen« errichtet.

Konkret attackierte der russische Außenminister den Wirtschaftskrieg gegen Staaten wie Kuba, Venezuela oder Syrien, die der Westen mit brutalen Sanktionen in Elend und Kollaps zu treiben droht. Sämtliche Maßnahmen dieser Art, die nicht vom UN-Sicherheitsrat gebilligt worden seien, »müssen gestoppt werden«, forderte Lawrow. Zudem gelte es, die globalen politischen und ökonomischen Strukturen zu reformieren. Das betreffe nicht nur den UN-Sicherheitsrat, in den Staaten Afrikas und Lateinamerikas und zusätzliche Staaten Asiens aufgenommen werden müssten, sondern etwa auch das UN-Generalsekretariat, das bisher zugunsten von NATO und EU voreingenommen sei. Lawrow protestierte außerdem gegen den »hybriden Krieg«, den die transatlantischen Mächte derzeit gegen Russland führten: »Sie kämpfen direkt mit uns.« Als Beleg nannte er die Aufrüstung der Ukraine, Finanzhilfe für Kiew und den Einsatz westlicher »Söldner« im Krieg gegen Russland.

Dabei betätigen sich auf ukrainischer Seite womöglich mehr deutsche Militärs als bisher bekannt. Als sie bei einer Operation im Bezirk Saporischschja einen extrem beschädigten »Leopard«-Kampfpanzer hätten inspizieren wollen, erklärten russische Soldaten gegenüber der Nachrichtenagentur RIA Nowosti am Sonnabend, habe der schwerverletzte Fahrer auf Deutsch »Nicht schießen!« gerufen und beteuert, er sei kein Söldner, sondern regulärer Bundeswehrsoldat – wie die anderen drei Besatzungsmitglieder, die bereits tot gewesen seien. Auch der Fahrer sei trotz all ihrer Bemühungen, sein Leben zu retten, wenig später gestorben, erklärte der Kommandant der russischen Einheit.

Konkret überprüfbare Belege für die Nationalität der »Leopard«-Besatzung oder gar für ihre Zugehörigkeit zur Bundeswehr legte Russland bislang allerdings nicht vor. Bekannt ist, dass auch Deutsche auf seiten der Ukraine kämpfen – allerdings aus eigenem Antrieb und zumindest teilweise in der eigens geschaffenen Internationalen Legion oder in Einheiten der regulären ukrainischen Streitkräfte; in beiden Fällen gelten sie völkerrechtlich als reguläre Kombattanten. Das ist wichtig, weil sie dann Schutzrechte genießen, die irregulären Kräften bzw. Söldnern nicht zustehen. Aus früheren Jahren ist belegt, dass sich aktive deutsche Soldaten, wenn sie in einen Krieg ziehen wollten, an dem die Bundesrepublik offiziell nicht beteiligt war – etwa im Afghanistan der 1980er Jahre –, beurlauben lassen konnten. Damit war die Bundeswehr für ihr Handeln in aller Form nicht mehr verantwortlich.

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  • Leserbrief von Mathias aus Schwerin (25. September 2023 um 17:25 Uhr)
    Was man nicht vergessen darf: Die NATO hat hier zugesagt, nicht nach Osten zu wachsen, Bedingung war aber, dass Russland gewisse demokratische und ethische Standards einhält, die es aber absolut nicht eingehalten hat. Zudem: die NATO-Ost-Erweiterung kam erst, nachdem Russland in die Krim einmarschiert ist. Wenn man anschaut, was Russland aktuell in der Ukraine macht (100.000 Quadratkilometer sind vermint!), dann war es die richtige Entscheidung für die jetzigen NATO-Länder. Außerdem: es gäbe keinerlei Notwendigkeit, die Ukraine aufzurüsten, wenn Russland den Krieg beendet (ist ja auch vor dem Krieg kaum passiert, Stichwort Schutzhelme). Putin könnte den Krieg innerhalb von 5 Minuten beenden.
    • Leserbrief von Wolfgang Schmetterer aus Graz (26. September 2023 um 11:30 Uhr)
      Zur Erinnerung: »Die 31 Mitgliedstaaten der NATO sind: Albanien (Beitritt 2009), Belgien (1949), Bulgarien (2004), Dänemark (1949), Deutschland (1955), Estland (2004), Finnland (2023), Frankreich (1949), Griechenland (1952), Großbritannien (1949), Italien (1949), Island (1949), Kanada (1949), Kroatien (2009), Lettland (2004), Litauen (2004), Luxemburg (1949), Montenegro (2017), Niederlande (1949), Nordmazedonien (2020), Norwegen (1949), Polen (1999), Portugal (1949), Rumänien (2004), Slowakei (2004), Slowenien (2004), Spanien (1982), Tschechien (1999), Türkei (1952), Ungarn (1999), USA (1949).« (Quelle: https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/sicherheit-und-verteidigung/nato-faq-206618)
    • Leserbrief von C. Hoffmann (26. September 2023 um 10:51 Uhr)
      Spannend, was Sie da schreiben. So viel Unfug in wenigen Sätzen habe ich ja lange nicht gelesen. Die NATO hat gar nichts zugesagt, wenn man von Baker und Genscher absieht, die ja dann von nichts mehr gewusst haben wollen (O. Scholz hat Vorbilder), weil es ja nichts Schriftliches gibt. Von Standards aller Art war nie die Rede. Die ersten Runde der NATO-Osterweiterung nach dem Ende der Sowjetunion fand 1999 statt (Polen, Ungarn, Tschechien), 2004 dann Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, Slowakei und Slowenien. Die Rückkehr der Krim in den Bestand der Russischen Föderation 2014 hat damit durchaus zu tun, aber nicht so, wie Sie geschrieben haben. Dass die Ukraine bis an die Zähne seit (spätestens) 2014 aufgerüstet wurde, haben ja nun Leute wie Frau Merkel, Herr Hollande und noch einige andere inzwischen zugegeben. Da ging es definitiv nicht um ein paar Helme. Ja, könnte Putin, indem das russische Militär sich so verhält wie üblicherweise das US-Militär. Ansonsten kann ich Ihnen nur empfehlen: weniger BILD, weniger ARD/ZDF und mehr jW.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Reinhard W. aus Hamburg (25. September 2023 um 13:22 Uhr)
    In der Ukraine sind bereits sei Beginn der »Militäraktion« deutsche Bundeswehrsoldaten aktiv. KSK sowieso, aber auch Piloten, die mit Bundeswehr-A400M Waffen und Hilfsgüter fliegen. Diese Personen sind regulär für aus dem Reservistenstatus für diesen Zweck einberufen worden.
  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (25. September 2023 um 11:55 Uhr)
    Die US-Militärpräsenz in Europa hat ihre Ursprünge in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Nach dem Krieg entbrannte der von Westen erfundene und durchgesetzte Kalte Krieg zwischen den USA und der Sowjetunion, was die USA dazu nutzten, militärisch in Europa präsent zu bleiben. Die NATO wurde 1949 gegründet, um die westlichen Demokratien gegen eine mögliche sowjetische Aggression zu verteidigen. Die USA sahen die NATO als wichtigen Partner bei der Sicherung ihrer eigenen Interessen und der Förderung liberaldemokratischer Werte in Europa. Die Präsenz von US-Truppen in Europa ermöglichte den USA, politischen Einfluss in der Region auszuüben und starke wirtschaftliche und militärische Bindungen zu europäischen Verbündeten weiterhin aufrechtzuerhalten. Schließlich führte die sinn- und nutzlose NATO-Osterweiterung zu einem brutalen Proxykrieg in der Ukraine. Darüber hinaus wird ein Handelskrieg gegen Russland geführt, der den Europäern immer mehr spürbar Schaden als Nutzen zufügt. Die UNO, in der die Parteien jetzt verschiedene Monologe über den Krieg führen, bringt keine Hilfe. Die Möglichkeiten der UNO im Hinblick auf den Krieg sind sehr begrenzt, daher ist es unwahrscheinlich, dass eine Lösung gefunden wird. Ohne Rücksichtnahme auf Russlands eigene strategische Interessen und Verhandlungen wird es keinen Frieden und keine Stabilität in Europa geben. Dies einzusehen, ist nicht schwer. Dennoch verfolgen die USA-NATO-Vasallen in Europa immer noch diese unverständliche Taktik und Strategie, die nur dem US-Dollar- und Militärimperium dient, um sich über Wasser zu halten. All dies erfordert eine sorgfältige Abwägung der geopolitischen Realitäten und gemeinsame Anstrengungen, um hoffentlich mindestens mittelfristige Lösungen zu finden.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Marc P. aus Cottbus (25. September 2023 um 11:28 Uhr)
    Wenn es darum gehen wird, den ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates das Recht auf ein jede Entscheidung blockierendes Veto zu nehmen, werden sich auch die USA querlegen und in deren Fahrwasser – wie üblich – die deutsche Bundesregierung. Man stelle sich vor, die UN-Generalversammlung würde eine bindende Resolution verabschieden gegen die Kuba-Blockade der USA oder gegen die völkerrechtswidrige Besetzung des Westjordanlandes durch Israel, des Gazastreifens und auf dem Golan! Nicht auszudenken.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Gottfried W. aus Berlin (25. September 2023 um 08:59 Uhr)
    Es wäre durchaus denkbar, die Leichen zu einer Identifizierung zu überstellen. Sollten Soldaten in Deutschland dauerhaft vermisst werden oder in Gefallenenlisten auftauchen, wäre das auf Dauer schwer zu verheimlichen, bei vier Leuten. Die russische Seite würde sich sicherlich nicht ohne Versuche der Kontaktaufnahme damit begnügen, die Leichen zu beseitigen. Möglich ist, Rotkreuz weiß schon was.
  • Leserbrief von Fred Buttkewitz aus Ulan - Ude (25. September 2023 um 01:28 Uhr)
    »Als Beleg nannte er die Aufrüstung der Ukraine, Finanzhilfe für Kiew und den Einsatz westlicher ›Söldner‹ im Krieg gegen Russland.« Zusätzlich zu diesen drei Anhaltspunkten dafür, dass der Westen Krieg gegen Russland führt, gehören fünf weitere:
    1. Ausbildung ukrainischer Soldaten in der Ukraine und in NATO seit Jahrzehnten, gesteigert seit 2014, nochmals gesteigert seit 2022.
    2. Die gesamte Planung der Kriegsoperationen erfolgt in Absprache mit der NATO. Die NATO plant ebenso wie die Ukraine und teils allein für die Ukraine. Die Ukraine führt es dann aus.
    3. Die Ukraine erhält die elektronischen Aufklärungsdaten, welche Ziele sie angreifen soll, auch operativ in Echtzeit von der NATO. Hinzu kommen privat betriebene Satellitensysteme von Musk. Immer dann, wenn er diesen Service einschränken wollte, wurde er von US-Regierung und Pentagon unter Druck gesetzt.
    4. Der Sanktions- und Wirtschaftskrieg gegen Russland
    5. Die finanzielle Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des ukrainischen Staates. Das ist keine »Finanzhilfe«, sondern die vollkommene Finanzierung eines Vasallenstaates. Die NATO-Länder sind Kriegspartei. Alles andere ist eine faustdicke Lüge. Ohne Punkt 3 und 5 sowie die Waffenlieferungen des Westens könnte die Ukraine als Staat nicht mehr weiter existieren und natürlich auch keinen Krieg führen. Besonders infam ist die Taktik, selbst keine oder nur minimale menschliche Opfer zu bringen und andere für sich kämpfen zu lassen. Das wurde bereits 1945 klar, als man Vergleiche zog, wie viele Soldaten USA, Briten und Franzosen opfern mussten, um Hitlerdeutschland in Europa zu besiegen mit den Opfern der UdSSR. Die Russen zogen ab. Die USA spielen sich weiter als dominante Siegermacht auf. Das wird sich nun allerdings in der Ukraine nicht wiederholen, obwohl es die gleiche, feige Taktik des Westens ist wie im Zweiten Weltkrieg – die eigenen Opfer minimieren und maximal absahnen.

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