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Aus: Ausgabe vom 22.09.2023, Seite 4 / Inland
»Mitte Studie« 2023

Frage des Vertrauens

SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung beklagt mehr »Populismus« und »demokratiegefährdende« Ansichten in der Bevölkerung
Von Philip Tassev
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Nicht jeder Unzufriedene ist rechts. Antikapitalistische 1.-Mai-Demonstration 2022 in München

Die Regierende sind in Sorge: In Umfragen ist die Zustimmung für die AfD zuletzt erneut deutlich gestiegen. Da kommt die neue Studie der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung zum richtigen Zeitpunkt. Seit 2006 gibt sie alle zwei Jahre ihre »Mitte-Studien« heraus, in denen untersucht wird, inwiefern »demokratiegefährdende« Einstellungen in der Bevölkerung verbreitet sind – was den Rechtsruck in der Bundesrepublik aus bürgerlicher Sicht zur Genüge erklärt.

So werden, ganz der Extremismusdoktrin entsprechend, Aussagen als Teil oder als Voraussetzung eines »rechtsextremen Weltbildes« präsentiert, die wohl auch revolutionäre Linke unterschreiben könnten. Knapp die Hälfte der Befragten haben beispielsweise kein Vertrauen in staatliche Institutionen, rund ein Drittel traut dem, was Massenmedien verbreiten, nicht über den Weg, und fast 40 Prozent fühlten sich politisch machtlos. Auch die 38 Prozent, die angeblich einem »Verschwörungsglauben« anhängen, fallen bei näherer Betrachtung durchaus in verschiedene Lager.

Unter dem Begriff »Verschwörung« werden dabei von den Autoren ganz unterschiedliche Ansichten zusammengefasst. Dazu zählt der ganz klar faschistische Mythos von der »Umvolkung«, also dem angeblichen staatlich gelenkten Bevölkerungsaustausch durch Einwanderung. »Verschwörung« sehen die Autoren aber auch in der vielfach belegten, geopolitischen Strategie des westlichen Blocks gegen Russland. Die 32 Prozent der Befragten, die der Meinung sind, »Politiker und andere Führungspersönlichkeiten sind nur Marionetten der dahinterstehenden Mächte«, vertreten damit auch erst mal nur, was seit 150 Jahren zum marxistischen Einmaleins gehört. Genauso die 30 Prozent, die wissen, die »regierenden Parteien betrügen das Volk« oder die 46 Prozent, die der Ansicht sind, die »demokratischen Parteien zerreden alles und lösen die Probleme nicht«. Die Studie summiert solche Aussagen geflissentlich unter »Populismus«.

Die Erfahrung, dass Politiker die Interessen des Kapitals vertreten oder dass Konzernmedien nicht unbedingt der Wahrheit verpflichtet sind, führt – bei dem derzeitigen Fehlen einer konsequenten Partei der Arbeiterklasse wenig verwunderlich – nicht automatisch zu einer verstärkten Akzeptanz von fortschrittlichen oder gar sozialistischen Positionen, oder, wie es in der Studie heißt, nicht zu »Forderungen der Umverteilung von oben nach unten, sondern in einen völkisch-nationalistischen Konflikt zwischen innen und außen«. Sowohl Wirkung als auch teilweise Ursache der rassistischen Hetze und des Nach-unten-Tretens von gewissen Fraktionen der herrschenden Klasse ist tatsächlich der starke Anstieg des nationalen Chauvinismus von 8,6 auf 16,6 Prozent der Befragten im Vergleich zur Studie von 2020/21 und die Forderung nach Abschottung der Grenzen.

Rund 30 Prozent finden die Aufnahme von Geflüchteten aus afrikanischen Staaten »überhaupt nicht« oder »eher nicht« gut, während etwa 35 Prozent dies »voll und ganz« oder »eher gut« finden. Dass Rassismus und Propaganda dabei eine gewichtige Rolle spielen, zeigt sich an der völlig anderen Bewertung von Geflüchteten aus der Ukraine. Dass diese als »kulturell und äußerlich ähnlicher, gut gebildet, mehrheitlich christlich und leichter zu integrieren« und der Ukraine-Krieg als »Krieg gegen westliche Werte« dargestellt werden, spiegelt auch die höhere Bereitschaft von insgesamt 61,5 Prozent wider, Menschen aus der Ukraine aufzunehmen, während nur 16,5 Prozent der Befragten dies ablehnen.

Andere Ergebnisse geben etwas Anlass zur Hoffnung: 46 Prozent der Befragten befürworten zumindest die Forderung nach einer Vermögensumverteilung zugunsten der Armen, immerhin 27 Prozent sagten: »Echte Demokratie ist nur ohne Kapitalismus möglich.« Solche Aussagen kann nur für »demokratiegefährdend« halten, wer im bürgerlichen Parlamentarismus die höchste Form der Demokratie sieht.

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