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Aus: Ausgabe vom 22.09.2023, Seite 5 / Inland
Landwirtschaftspolitik

Konvoi mit Treckern

Agrarministerkonferenz in Kiel: Bauern beklagen Planungsunsicherheit und Genehmigungshürden. Protest von Verbänden gespalten
Von Oliver Rast
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Ein Berufsstand in der Dauerkrise. Mit Folgen: Protestzug am Donnerstag in Schleswig-Holsteins Landeshauptstadt

Im Schrittempo bewegt sich der Konvoi tonnenschwerer Vehikel auf der B 404, dem »Kieler Schnellweg«. Motoren brausen auf, Hunderte Traktoren verstopfen am Donnerstag vormittag die Asphaltroute in die Innenstadt der Landeshauptstadt Schleswig-Holsteins (SH). Die Organisatoren: der Verein »Land schafft Verbindung« (LsV). Der Anlass: die turnusmäßige halbjährliche Agrarministerkonferenz (AMK) von Bund und Ländern. Ausrichter ist in diesem Jahr SH-Landwirtschaftsminister Werner Schwarz (CDU).

Die Tagesordnung der AMK (Mittwoch bis Freitag) ist pickepackevoll, 48 Themen. Vom EU-Mercosur-»Freihandelsabkommen« über Wolfsabschüsse und Weidetierhaltung bis zum Tierwohl samt Tierhaltungskennzeichnungsgesetz steht alles auf der Agenda. Und nicht zuletzt Mittelkürzungen im Agrarhaushalt des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMEL) von Ressortchef Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen). Das bringt den Deutschen Bauernverband (DBV) auf. Statt Einsparungen seien Erhöhungen notwendig, wurde dessen Generalsekretär Bernhard Krüsken am Mittwoch in einer Mitteilung zitiert. »Alles andere wäre ein Kahlschlag zu Lasten der Agrarstruktur und der ländlichen Räume.« Völlig inakzeptabel. Vertreter mehrerer Landewirteorganisationen beklagten im Vorfeld der AMK unisono Planungsunsicherheit, Genehmigungshürden, kurz Perspektivlosigkeit. All das, was Konferenzchef Schwarz Bauern zugesagt hatte, ändern zu wollen. Pustekuchen.

Auch deshalb der Unmut. Landwirte seien lösungsorientiert und zukunftsbereit, nun sei verlässlicher Rückenwind seitens politisch Verantwortlicher angezeigt, sagte Klaus-Peter Lucht auf der Kundgebung am Kieler Hauptbahnhof vor dem AMK-Tagungshotel »Atlantic«. Zügig. Das heißt? Der Präsident des Bauernverbands SH weiter: »Wir brauchen Rechtssicherheit für Investitionen und die Honorierung von Leistungen, die nicht über den Markt entlohnt werden.« Hehre Wünsche, vor allem schwierig umzusetzen bei knapperen Mitteln und höheren Auflagen.

Wie reagiert Özdemirs Haus auf die Kritik? Wortkarg. »Nein, eine aktuelle Pressemitteilung ist meines Wissens heute nicht geplant«, sagte ein Assistent des Pressestabs leicht verdutzt am Donnerstag zu jW. Auf der Abschlusspressekonferenz am Freitag werde sich der Minister indes äußern.

Irgendwie typisch, findet Ina Latendorf (Die Linke), auch für das Beispiel Tierhaltung. »Es passiert einfach nichts: keine Novelle des Baugesetzbuchs für die Ställe, nichts Neues beim Immissionsschutz«, sagte die agrarpolitische Sprecherin ihrer Bundestagsfraktion am Donnerstag zu jW. Allenfalls eine völlig unzureichende Tierhaltungskennzeichnung. Latendorf: »Wo bleibt der Kraftakt aus dem BMEL?« Das fragt sich ferner Jann-Harro Petersen von der Bundesvertretung der Freien Bauern gegenüber jW. Er appelliere an die Ministerschar, »sich wieder der Wirklichkeit zuzuwenden«. Denn es gebe zwei Parameter für erfolgreiche Agrarpolitik. Die wären? Petersen: »Einen möglichst hohen Selbstversorgungsgrad aus heimischer Produktion und zahlreiche Bauernfamilien, die nachhaltig ihre Höfe bewirtschaften.« Und dann sei das Gefeilsche um Finanzmittel aus dem Bundeshaushalt auch nicht mehr zentral. »Wir wollen eh von unserer eigenen Hände Arbeit leben«, betonte LsV-Sprecher Robert Erdmann im jW-Gespräch.

Was auffällt, der Bauernprotest ist gespalten. Eine Art Aktionseinheit fehlt. Obwohl Bauernverband SH sowie LsV und Freie Bauern auf dem Bahnhofsvorplatz demonstrierten. Zeitlich versetzt und durch das »Atlantic« getrennt. »Luftlinie kaum mehr als 50 Meter«, sagte Erdmann etwas verkniffen. Wa­rum? Wegen der Wahl der Mittel etwa. DBV samt Landesverbänden ist gegen Aufzüge von Traktoren, zu viel Radau. LsV und Freien Bauern hingegen sind Politik und Praxis des Unions-nahen DBV zu lasch. Hinzu kommt: Die Teilnehmerzahlen bei Protesten sinken, nur noch Hunderte, keine Tausenden. Was tun? Unklar. Was bleibt? Ein Hupkonzert von Treckerfahrern durch die Kieler Innenstadt zurück Richtung B 404. Auf einem der selbstgebastelten Schilder stand: »Schluss mit Bauern-Bashing«.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Gottfried W. aus Berlin (22. September 2023 um 12:28 Uhr)
    Der deutsche Bauernverband ist unter anderem Lobby für Glyphosat und Großgrund. Warum sollte mit denen was zusammen laufen?
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Christa K. (21. September 2023 um 21:01 Uhr)
    »Wir wollen eh von unsrer Hände Arbeit leben« … genau dort »liegt der Hase im Pfeffer« – in der modernen Agrarindustrie – die von globalen Konzernen gesteuert wird, wird genau das verhindert mit all den nachfolgenden Problemen – wie überall geht’s um den Profit – die Rückkehr zur Subsistenzwirtschaft, die über Jahrtausende regional ausreichend funktioniert hat – ist unter den profitorientierten Voraussetzungen kaum mehr möglich – der Hunger in den »vormaligen Kolonien« kam ja erst durch die »weißen« Kolonisatoren. Natürlich lebten in präkolonialer Zeit die Menschen nicht im Überfluss, diverse »Wetterkatastrophen« und andere schädigende Einflüsse gab es seit jeher – doch das derzeitige System führt in den Abgrund, für die armen Länder mehr denn je.

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