50 Jahre Putsch in Chile: jW-Reihe
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Aus: Ausgabe vom 19.09.2023, Seite 15 / Betrieb & Gewerkschaft
Großbritannien

Krieg spaltet Gewerkschafter

Britische Arbeiterorganisationen uneins bei Ukraine-Konflikt. TUC-Kongress lehnt Waffenlieferungen nach heftiger Debatte ab
Von Dieter Reinisch
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Positionieren sich klar gegen Waffenlieferungen: Mitglieder der Beamtengewerkschaft PCS (Edinburgh, 1.2.2023)

Progressive und linke Bewegungen streiten auch im Vereinigten Königreich darüber, wie sie sich zum Ukraine-Krieg positionieren sollen. Einen Antrag zum Thema legte beim britischen TUC-Gewerkschaftskongress in der vergangene Woche diese Spaltung offen. Die GMB-Gewerkschaft und die ASLEF-Lokführer hatten Solidarität mit der Ukraine sowie »finanzielle und praktische Hilfe« gefordert. Dies löste eine heftige Debatte aus. Der Antrag wurde am Ende in abgeschwächter Form angenommen. Wie bereits der schottische Gewerkschaftskongress im vergangenen Jahr schlug sich damit nun auch der britische TUC-Kongress auf die Seite der Kriegspartei Ukraine.

Konkret hatte GMB, eine der größten Gewerkschaften mit mehr als 600.000 Mitgliedern, die Lieferung von Waffen für Kiew gefordert. Die entsprechenden Anträge Nummer 71 und 72 wurden zusammen mit den Lokführern eingebracht. Formell unterstützt wurden sie außerdem von der Bergarbeitergewerkschaft NUM. In den Anträgen wurden »moralische und materielle Hilfe, einschließlich der Mittel zur Selbstverteidigung der Ukraine« sowie »finanzielle und praktische Hilfe aus dem Vereinigten Königreich« verlangt.

Mark Serwotka von der Beamtengewerkschaft PCS lehnte die Forderungen vehement ab. Der mächtige Beamtengewerkschaftschef erklärte zwar, er sei für die »Unterstützung der leidenden Bevölkerung«, wies aber auf Probleme hin: »Wir glauben, dass der Antrag fehlerhaft ist und haben Vorbehalte.« Serwotka betonte, dass er sich eine friedliche Lösung des Kriegs wünsche und ausländische Einflussnahme auf die Zukunft der Ukraine ablehne. Damit wies er klar die Forderungen der Antragsteller nach Weiterführung des Kriegs und eine Einflussnahme des Vereinigten Königreichs neben anderen westlichen Ländern in der Ukraine zurück.

GMB-Präsidentin Barbara Plant widersprach: »Unsere Solidarität darf keine Grenzen kennen.« Auch Unite, die seit dem vergangenen Sommer die meisten Arbeitskämpfe gewonnen hat, stimmte für den Antrag. Einer ihrer Delegierten erklärte, Kriege seien »niemals im Interesse der arbeitenden Bevölkerung«. Warum Unite dennoch für die Verlängerung des Kriegs durch Waffenlieferungen stimmte, führte der Delegierte nicht aus. Die Eisenbahngewerkschaft RMT enthielt sich. Bereits 2015 hatte sie eine Kampagne zur Unterstützung des »antifaschistischen Widerstands in der Ukraine« gestartet. Damals besuchte ihr stellvertretender Generalsekretär Eddie Dempsey die russischen Gebiete in der Ostukraine.

Gegen den Antrag stimmte neben der PCS auch die Feuerwehrgewerkschaft FBU. Sie lehne »eine Eskalation des Krieges« ab, hieß es im Redebeitrag des Delegierten Jamie Newell. Dieser erklärte weiter, der Antrag diene nur dazu, »uns mit der Tory-Regierung in Einklang zu bringen«. Imperialistische Interessen »bestehen auf beiden Seiten dieses Konflikts«, betonte Newell. Er verwies auf die Rolle der NATO-Kriegsallianz in der Region und ihre Kriege in den vergangenen zwei Jahrzehnten. Seit längerem ist die FBU die politisch radikalste Gewerkschaft Großbritanniens.

Hinter dem Antrag für die Bewaffnung der Ukraine stand die Ukraine Solidarity Campaign (USC), zu deren bekanntesten Mitgliedern Paul Mason zählt. USC organisierte am Rande des TUC-Kongresses mehrere Veranstaltungen zur Unterstützung der Ukraine. Der ehemalige BBC-Journalist, Buchautor und Labour-Mitglied Mason hatte im Juni einen Kommentar auf der Onlineplattform Labour List veröffentlicht, der dazu führte, dass die Veranstalter des Musikfestivals Glastonbury eine Dokumentation über Jeremy Corbyn aus dem Programm nahmen.

Mason ist im deutschsprachigen Raum vor allem für seine im Suhrkamp-Verlag erschienenen Bestseller über Postkapitalismus und Faschismus bekannt. Zuletzt wandelte er sich zum antikommunistischen Stichwortgeber der Labour-Rechten. So forderte er Anfang des Jahres eine Erhöhung der britischen Militärausgaben aufgrund des Konflikts mit Russland.

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  • Leserbrief von Engform (19. September 2023 um 12:19 Uhr)
    Corbin gecancelt. Die Gegenreaktion: Einen eigenen Veranstaltungsort für den Film anbieten und Werbung machen. Aber auch DVDs verteilen, auf den Gewerkschaftsveranstaltungen.

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