Knockout vor Gericht
Von Henning von Stoltzenberg
Vor dem Oberlandesgericht in Jena läuft seit Ende August ein Staatsschutzverfahren gegen vier Männer, die Mitglieder der neonazistischen Kampfsportgruppe »Knockout 51« gewesen sein sollen. Der Versuch der Verteidigung, den Prozess zu beenden und eine Einstellung zu erwirken, wurde am Montag vom Gericht abgelehnt. Die Beweise, auf denen die Anklage gegen die Männer fuße, seien erlangt worden, ohne dass rechtsstaatliche Prinzipien verletzt worden seien.
Im Prozess wirft der Generalbundesanwalt vier Neonazis im Alter zwischen 21 und 25 Jahren vor, schwerste Straftaten vorbereitet zu haben. Den Ermittlungen zufolge waren alle Männer Mitglieder der in Eisenach angesiedelten braunen Schlägertruppe. Diese soll spätestens ab April 2021 auf Körperverletzungen und die Tötung von politischen Gegnern ausgerichtet gewesen sein, wie der Vertreter des Generalbundesanwalts bei der Verlesung der Anklage verlauten ließ. Die Anklage lautet daher auf Bildung einer »kriminellen Vereinigung«. Der entsprechende Paragraph 129 wurde bisher vornehmlich gegen antifaschistische Gruppen, beispielsweise im »Antifa-Ost-Verfahren« angewendet.
In diesem Zusammenhang versuchte der Verteidiger des Hauptangeklagten, die Verfahrenseinstellung zu erreichen. Sein Mandant sei angeblich gezwungen worden, im Verfahren gegen die vier Antifaschisten vor dem Oberlandesgericht Dresden auszusagen. Dabei sei ihm sein Aussageverweigerungsrecht vorenthalten worden. Die von ihm dabei zu »Knockout 51« gemachten Angaben hätten angeblich zur Anklage des Generalbundesanwalts beigetragen. Der Staatsschutzsenat wies diese Einschätzung umgehend zurück.
Erstmals wurden im Prozess am Montag auch Zeugen vernommen. Einer von ihnen hatte im Februar 2022 eine Party veranstaltet, auf der einer der Angeklagten gemeinsam mit anderen aufgetaucht und einen Polizeibeamten geschlagen haben soll, der privat an der Feier teilgenommen habe. Vor Gericht gab der 18jährige zunächst an, sich an viele Dinge nicht mehr erinnern zu können. Erst auf mehrfache Nachfrage durch Gericht und Generalbundesanwalt räumte er schließlich ein, dass er unter anderem gesehen habe, wie sich einer der mutmaßlichen Angreifer einen Mundschutz vor die Zähne geschoben habe, ehe es zu dem Übergriff kam. Dies hätte ihn in »Angst und Panik« versetzt. Ein anderer Zeuge äußerte sich ähnlich.
Die Verhandlung wird am Donnerstag fortgesetzt. Dann soll nach Gerichtsangaben auch ein Video im Saal gezeigt werden, in dem der vorsitzende Richter verhöhnt und beleidigt wird. Das Video war nach dem ersten Prozesstag in Neonazikreisen aufgetaucht. Verteidigung und Generalbundesanwaltschaft wollen es nach eigenen Angaben sehen, da es möglicherweise verfahrensrelevant sei. Im Video posieren mehrere Neonazis vor einem Eingangsschild, welches direkt vor dem Gerichtsgebäude des Justizzentrums Jena steht. In der unterlegten Musik wird der Richter mit unflätigen Worten beschimpft.
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