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Aus: Ausgabe vom 12.09.2023, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Skandal im Gesundheitswesen

Reibach mit Medikamenten

Nordmazedonien: Ärzte und Krankenschwestern sollen teure Arzneien gestohlen und verkauft haben. Tausende protestieren gegen Korruption
Von Marko Dejanovic
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Tausende Menschen protestierten vergangene Woche in der nordmazedonischen Hauptstadt Skopje

Ein Skandal in einer Krebsklinik erschüttert die Öffentlichkeit in Nordmazedonien. Der Vorwurf: Anstelle moderner medizinischer Zytostatika hätten Patienten dort eine gemischte Lösung aus Antibiotika mit Vitamin C erhalten. Die echten Krebsmedikamente verschwanden aus den Krankenhäusern und wurden wohl auf dem Schwarzmarkt verkauft. Auf einer Pressekonferenz, über die die mazedonische Nachrichtenagentur Makfax am Sonnabend berichtete, beschworen Gesundheitsminister Fatmir Majiti und die Direktorin des Onkologiezentrums, Violeta Klisarova, die Sicherheit der Patienten und die Wirksamkeit der Therapien.

Nachdem die mazedonische Zeitung Fokus die Vorgänge Mitte August aufgedeckt hatte, folgte Anfang September eine Razzia in jener Onkologie. Die Polizei konfiszierte dabei Dokumente und Computer der Klinik. Am Montag vergangener Woche versammelten sich Tausende Menschen zu einem Protestmarsch gegen die Regierung, der sie vorwerfen, an dem Medikamentenklau beteiligt zu sein. Der Protest richtete sich gegen das gesamte Netz korrupter Angestellter im medizinischen Bereich und die dahinterstehenden Behörden und Politiker.

Der sozialdemokratische Präsident Nordmazedoniens, Stevo Pendarovski erklärte am Montag in einer Mitteilung, das staatliche Gesundheitssystem habe die Öffentlichkeit im Stich gelassen. Die nun laufenden Ermittlungen müssten zeigen, dass man in der Lage sei, »mit schwerwiegenden Formen der organisierten Kriminalität und Korruption« umzugehen und »der Kultur der Straflosigkeit bei schwerwiegenden Gesetzesverstößen ein Ende zu setzen«. Die rechtskonservative Oppositionspartei VMRO-DPMNE erklärte dagegen, alle regierenden Parteien seien eng verstrickt mit den leitenden Abteilungen der onkologischen Praxis. Direktorin Klisarova habe Überwachungsmechanismen zu »günstigen Zeitpunkten« ausgeschaltet. Die vorwiegend albanische BDI habe zu einem anderen Direktor Kontakt, der die zugehörigen Dokumente gefälscht haben soll.

Eins der gestohlenen Medikamente ist das für Immuntherapien verwendete Pembrolizumab. Es kostet bis zu 3.600 Euro pro zu verabreichender Einheit. Weitere sind: Palbociclib, das bei fortgeschrittenem Brustkrebs eingesetzt wird, es kostet 4.000 Euro pro Dosis; Herceptin, ebenfalls zur Behandlung von Brustkrebs, schlägt mit 2.000 Euro pro Einheit zu Buche; Vemurafenib, ein Hautkrebsmedikament, kostet 3.600 Euro, während das häufig in Kombination verabreichte Cotellic 3.000 Euro pro Einheit kostet. Der durch den Medikamentenraub verursachte finanzielle Schaden spielt in mazedonischen Medien bisher kaum eine Rolle. Statt dessen steht insbesondere die Frage im Raum, wie viele Menschen Opfer dieser kriminellen Machenschaften werden mussten und wie viele Ärzte und Krankenschwestern sich beteiligten.

Laut Fokus ist ein Diebstahl der Medikamente ohne die Mitwirkung von Direktorin Klisarova und bis zu zehn Krankenschwestern, die vermutlich andere Ärzte in das Unterfangen eingeweiht haben, kaum denkbar. Die gestohlenen Medikamente wurden anscheinend auf dem Schwarzmarkt im benachbarten Kosovo verkauft, erklärte die Journalistin Irena Mulechka darin. Nach Informationen der Zeitung seien bis zu 95 Prozent des gesamten Personals in diesen illegalen Handel verwickelt.

Am Montag vergangener Woche waren Schilder mit der Aufschrift »Gerechtigkeit für Jana« (Pravda za Jana) auf den Protesten deutlich sichtbar. Das sechsjährige Mädchen war im Krankenhaus verstorben, nachdem ihr eine Infusion mit falschen Mitteln verabreicht worden war. Seither fanden Mahnwachen für sie und andere Opfer des maroden Gesundheitssystems in Nordmazedonien statt. So ist vielen auch noch der Krankenhausbrand in der Stadt Tetovo im September 2021 in Erinnerung. Damals starben 14 Menschen in dem Feuer, das durch Baumängel begünstigt worden war.

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