Kleinbauern gegen Atomklo
Von Luc Śkaille, Bure
In Lothringen, bei Bure, plant der umtriebige Atomstaat Frankreich eine als Forschungslabor deklarierte Atommülldeponie, die ihresgleichen sucht. Folglich schlugen die Widerständler der Antiatombewegung Ende August im Rahmen der »Begegnungen kleinbäuerlicher und ländlicher Kämpfe« (LPR) ihre Zelte auf der geplanten Castor-Trasse auf.
»Wir haben eineinhalb Jahre mit der Planung verbracht, um ein internationales Widerstandstreffen auf die Beine zu stellen und der Atommafia eine Absage zu erteilen«, sagte Anne aus dem Orgateam des Camps gegenüber Radio Dreyeckland. Über 1.000 Linke aus 20 Ländern beteiligten sich an rund 150 Veranstaltungen zu Kämpfen gegen die Agrarindustrie, unnütze Großbauprojekte und die kapitalistische Repression. »Es geht darum, das Lebendige zu verteidigen und den kolonialistischen Atomplänen dieses Staates mit aller Entschlossenheit entgegenzutreten«, so Anne. Wie die meisten der Beteiligten ist sie im landwirtschaftlichen Sektor tätig, als Hirtin. »Mit unserer Aktion stärken wir den Widerstand gegen die technokratische Willkür und bringen neues Leben in einen vom Kapital verdammten Landstrich.«
Für Marie-Jeanne, eine Bäuerin fortgeschrittenen Alters, ist der Standort des Camps genau richtig gewählt. »Der Atomzug wird hier niemals durchkommen, wenn der Widerstand nur radikal genug ist«, versichert sie gegenüber jW. Bure ist schon länger ein Hotspot der Auseinandersetzung um den Atommüll. Die Agentur ANDRA will hier das weltweit größte geologische Endlager für hochradioaktive Abfälle bauen. Angeblich seien die massiven Tonschichten geeignet, den Strahlenmüll für Hunderttausende von Jahren sicher aufzubewahren. Hohe Investitionen begleiten das Projekt – und wenn das Zuckerbrot nicht ausreicht, helfen eigens von der Agentur finanzierte Einsatzkräfte bei der Umsetzung der Projektabschnitte. Auch die LPR wurden von einem Großaufgebot überwacht, mit Drohnen, Räumpanzern, Flugzeugen und Helikoptern.
Für die Organisation der LPR waren die zehntägigen Begegnungen in der Gemeinde Cirfontaines-en-Ornois trotz der Schikanen ein großer Erfolg. »Es wurde inhaltlich kaum etwas ausgelassen«, so Pierrot, ein Forstwirt aus dem Zentralmassiv. »Seien es Vorträge über Saatgut, Hofschlachtung, die Zukunft der Wälder, Antispeziesismus, Zugang zu Land, Migration und Landwirtschaft, Antipatriarchat, neue Gentechnik oder Kollektivismus, es war ein Feuerwerk an wertvollen Debatten.« Im Camp wurde die Notwendigkeit internationalistischer Antworten betont. So wird das Programm, das zum Teil in sechs Sprachen gedolmetscht wurde, unter anderem von der europäischen Koordination der Via Campesina (ECVC), Gewerkschaften, Bürgerinitiativen und Hofkooperativen wie Longo Maï getragen. Auch Delegationen aus afrikanischen Ländern, Palästina, dem Libanon, Nord- und Südamerika waren zugegen. Das Kulturprogramm mit Theater, Filmen und Konzerten trug ebenfalls eine transnationale Handschrift.
Am Rande der von Traktoren angeführten Demonstration »Ohne Atomkraft wird unsere Erde leben« erkletterten Vermummte den Mast einer Hochspannungsleitung, um mit einem großen Banner gegen die Netzagentur RTE zu demonstrieren. Reden thematisierten »massive landschaftliche Eingriffe und Versiegelung durch die Energieversorger«. So auch durch das fast 10 Hektar große Umspannwerk, das für das Atommüllendlager errichtet werden soll. Die nennenswerteste Konfrontation des von Hundertschaften auf Distanz begleiteten Umzugs bestand im Ausschluss einiger als »Agents Provocateurs« enttarnter Zivilpolizisten.
Die LPR-Orga scheint gerüstet für kommende Auseinandersetzungen mit der Atomindustrie und den Kampf gegen agrarindustrielle Verwüstung. Das anstehende 500jährige Jubiläum der Bauernkriege weckte in ersten auswertenden Debatten Lust auf neuen Protest mit Bezug auf ländliche Rebellion. Für Pierrot war das Camp eine »deutliche Ansage gegen die Atomindustrie und die Endlageragentur ANDRA, die die Landkreise mit Millionen zur Begünstigung korrumpierter Gemüter übergießt«, für Anne »ein weiterer Schritt zur Stärkung rebellischer Selbstverwaltung auf dem Land durch kleinbäuerliche Praxis«.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Marian R. (11. September 2023 um 12:38 Uhr)Ausgewogen wäre, auch einmal die Akzeptanz der Atomkraft in Russland und China zu beleuchten – ansonsten macht sich die jW zu Recht der einseitigen Betrachtung schuldig.
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