Tageskonferenz: Der Bandera-Komplex
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Aus: Ausgabe vom 05.09.2023, Seite 7 / Ausland
Präsidentenwahlen Mexiko

Establishment formiert sich

Mexiko: Rechte Opposition beginnt Wahlkampf mit Aufstellung von Spitzenkandidatin. Diese gibt sich volksnah
Von Volker Hermsdorf
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Xóchitl Gálvez auf einer Kundgebung zur Feier ihrer Kandidatur in Mexiko-Stadt (3.9.2023)

Das aus drei Rechtsparteien bestehende mexikanische Oppositionsbündnis »Frente Amplio« hat am Sonntag (Ortszeit) die Senatorin Xóchitl Gálvez als Spitzenkandidatin für die Präsidentschaftswahl am 2. Juni 2024 benannt. Die Parteien der »Nationalen Aktion« (PAN), der »Institutionellen Revolution« (PRI) und der »Demokratischen Revolution« (PRD) bestätigten damit das Ergebnis einer Vorentscheidung vom vergangenen Donnerstag. Die linke Regierungspartei »Morena« will ihren Spitzenkandidaten für die Nachfolge von Amtsinhaber Andrés Manuel López Obrador am Mittwoch bekanntgeben. Als Favoriten gelten der im Juni wegen seiner Bewerbung für die Kandidatur zurückgetretene Exaußenminister Marcelo Ebrard und die ehemalige Bürgermeisterin von Mexiko-Stadt, Claudia Sheinbaum.

López Obrador darf gemäß Verfassung trotz hoher Zustimmungsraten nicht erneut antreten. Damit könnte zum ersten Mal in der Geschichte des Landes eine Frau zur Staats- und Regierungschefin gewählt werden, falls Sheinbaum aufgestellt wird. Die 61jährige gilt als die Bewerberin, die am ehesten den Kurs von Amtsinhaber López Obrador zur Stärkung der Integration der lateinamerikanischen Staaten fortsetzen wird. Mit seiner erst 2011 gegründeten Partei »Morena« hatte der 2018 mit 53,2 Prozent der Stimmen im ersten Durchgang gewählte Amtsinhaber die seit fast hundert Jahren andauernde Dominanz der beiden bis dahin größten Parteien Mexikos, der rechtssozialdemokratischen PRI und der christdemokratischen PAN, gebrochen. Im kommenden Jahr will die mittlerweile bedeutungslos gewordene alte Garde versuchen, die politische Macht mit einer unkonventionellen Spitzenkandidatin wieder zurückzuerobern.

Die 60jährige Senatorin Gálvez gehört formal zwar keiner Partei an, sitzt aber für die PAN-Fraktion im Oberhaus des aus zwei Kammern bestehenden Kongresses. Die Kandidatin der Rechten gibt sich volkstümlich, fährt öfter mit dem Fahrrad durch die Hauptstadt und betont gern ihre indigene Abstammung. In den der »Morena«-Partei nahestehenden Wählerschichten versucht Gálvez mit dem Hinweis zu punkten, dass sie aus armen Verhältnissen komme, ihr indigener Vater als Lehrer die Otomí-Sprache unterrichtete und sie ihrer Familie half, indem sie Tamales (Maisteigtaschen) auf der Straße verkaufte. In ihrer ersten Rede nach der offiziellen Nominierung warf sie López Obrador vor, das Land mit »Ideologie zu spalten«, ging geschickterweise aber nicht auf totale Konfrontation zum derzeitigen Regierungskurs. »Wenn etwas funktioniert, werden wir es belassen«, sagte sie. Populistisch fügte sie hinzu: »Ich bin politisch farbenblind und sehe nur eine Farbe, die Farbe Mexikos.« Wie die mexikanische Tageszeitung La Jornada am Sonntag hervorhob, versucht die Kandidatin den Spagat, sich einerseits bei der meist ärmeren indigenen Bevölkerung anzubiedern und andererseits die wohlhabende Mittelschicht anzusprechen. In ihrer Rede bot Gálvez an, dass sie diejenigen respektieren werde, die zu diesem Sektor gehören, berichtete die Zeitung.

Das größte Hindernis für die Opposition besteht derzeit vermutlich in der Popularität von López Obrador und dessen »Morena«-Partei, die für sich beanspruchen können, mit der langen Tradition von Vetternwirtschaft und Korruption in der mexikanischen Politik gebrochen zu haben. Zudem stehe Gálvez »vor Herausforderungen in ihrer eigenen Koalition, die ein Mischmasch aus konservativen, zentristischen und progressiven Kräften ist, die nur durch ihre Opposition gegen López Obrador vereint sind«, so die US-Agentur AP über die Kandidatin. »Die Wahlen im nächsten Jahr sind López Obradors Chance zu zeigen, ob er eine politische Bewegung aufgebaut hat, die seine charismatische Führung überdauern kann. Wer auch immer sein Nachfolger sein wird, er wird sich mit der anhaltend hohen Gewaltrate, schwer bewaffneten Drogenkartellen und der Migration über die fast 2.000 Meilen lange Grenze zu den Vereinigten Staaten auseinandersetzen müssen«, kommentierte AP.

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