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Aus: Ausgabe vom 31.08.2023, Seite 8 / Abgeschrieben

Günter Verheugen: »Das Gemetzel muss beendet werden«

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Günter Verheugen (Kraków, 15.11.2017)

Der Weser-Kurier veröffentlichte am Montag ein Interview mit dem früheren EU-Kommissar und Vizepräsidenten der Europäischen Kommission (2004–2009) Günter Verheugen (SPD) zum Ukraine-Krieg:

(…)

Sie sagen, dass der Krieg in Deutschland auf einen Kampf zwischen Gut und Böse reduziert wird. Es gibt eine ungeheure Solidarisierung mit dem Guten, der Ukraine, gegen das Böse, Putin und Russland. Wie erklären Sie sich das?

Der Umsturz in der Ukraine wird bei uns dargestellt als eine demokratische Revolution von begeisterten Proeuropäern. Das war eine fabelhafte PR-Nummer, denn es ist nur ein Ausschnitt der Wahrheit. Es war ein vorbereiteter Staatsstreich. Die ersten Maßnahmen der Übergangsregierung waren gegen die russischstämmige Bevölkerung in der Ukraine gerichtet. Dann begann der Krieg, 2014 mit der sogenannten Antiterroroperation, und die russische Politik von Putin wurde dämonisiert. Die Annexion der Krim hat ihn ins Unrecht gesetzt, das machte es leicht. Der Krieg in der Ukraine wird entsprechend überhöht zu einem Kampf zwischen rivalisierenden Systemen.

Zwischen Demokraten und Autokraten …

… aber das ist dieser Krieg nicht. Es geht nicht um Ihre oder meine Sicherheit. Wegen meiner Freiheit und zur Verteidigung meiner demokratischen Rechte muss kein Mensch in der Ukraine sterben. Meine Freiheit ist nicht durch Russland bedroht. Schon allein das zu sagen, bringt einen heute in den Verdacht, ein nützlicher Idiot des Kremls zu sein. Deshalb, um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Es besteht kein Zweifel daran, dass Russland der Aggressor ist, Verträge und Grundsätze verletzt hat, die das friedliche Zusammenleben in Europa regeln sollen. Aber man muss die Vorgeschichte dieses Kriegs kennen, um sich ein sachliches Urteil zu bilden.

(…)

Sie fragen auch, welches Ziel Deutschland mit seiner Beteiligung am Krieg hat.

Ich habe absolut nichts dagegen, dass wir der Ukraine helfen, ihre Souveränität und territoriale Integrität zu verteidigen. (…) Wenn das politische Ziel des Westens ein sogenannter Siegfrieden ist, bei dem der Westen Russland die Friedensbedingungen diktieren kann, dann sage ich: Dieses Ziel ist nicht erreichbar. (…)

Noch einmal zurück zu der Frage von Gut und Böse: Wie erklären Sie sich, dass die Debatte in Deutschland verengt ist?

Ich kann diese Frage nicht vollends beantworten. Einen Grund sehe ich in der fundamentalistischen Außenpolitik der Grünen. (…)

Wie wird es weitergehen?

Es ist doch offensichtlich, dass die Ukraine verzweifelt versucht, dass das Engagement des Westens und der NATO die Grenze zur direkten Intervention überschreitet. Das hätte die direkte Auseinandersetzung der beiden Superatommächte zur Folge und wäre der Schritt in den Abgrund. Wir müssen also unsere ganze Kraft einsetzen, um Russland und die Ukraine an den Verhandlungstisch zu bekommen. Ich halte es für einen Fehler, die Strategie der Ukraine bedingungslos zu unterstützen, ohne Verhandlungsbereitschaft zu verlangen, und zwar ohne Vorbedingungen.

(…) Ich habe sogar den Eindruck, dass die große Mehrheit der Deutschen zwar dafür ist, dass man der Ukraine beisteht, aber auch fordert, dass der Krieg so schnell wie möglich beendet und in Friedensverhandlungen eingetreten wird. Das Gemetzel muss beendet werden. Das zu bewirken ist die wichtigste Aufgabe der deutschen und europäischen Politik.

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  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (31. August 2023 um 13:57 Uhr)
    Nur für den Krieg gibt es ein Drehbuch, aber nicht für den Frieden. Übrigens: In einem industriebasierten Krieg gewinnt derjenige, der über größere industrielle Kapazitäten verfügt und hier hat der Wertewesten sich enorm verrechnet!

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