Staatsversagen zeigt Folgen
Von Kristian Stemmler
Marode Infrastruktur, Staatsunternehmen, die sich aus der Fläche zurückziehen, und eklatanter Personalmangel: Das Vertrauen der Bevölkerung in die Handlungsfähigkeit des Verwaltungsapparats der BRD ist auf einen neuen Tiefstand gesunken. Das geht aus den am Dienstag veröffentlichten Ergebnissen einer Forsa-Umfrage für den Deutschen Beamtenbund (DBB) hervor. Demnach halten nur noch 27 Prozent der Befragten diesen Staat für fähig, seine Aufgaben zu erfüllen. Das waren zwei Prozentpunkte weniger als im vergangenen Jahr. 69 Prozent der Befragten sahen den Staat als überfordert an – vor einem Jahr waren es »nur« 66 Prozent gewesen.
Aufschlussreich sind die Antworten auf die Frage, auf welchen Feldern der Staat hauptsächlich überfordert sei. Während 2022 – kurz nach dem Beginn des Ukraine-Krieges – mit 17 Prozent das Thema Energieversorgung ganz oben stand, ist es jetzt mit 26 Prozent die Asyl- und Migrationspolitik. Entsprechende Kampagnen in rechten Medien zum »Heizhammer« und immerwährende Berichte über überforderte Kommunen dürften ihr übriges dazu beigetragen haben. Die Energieversorgung kommt jetzt nur noch auf sieben Prozent. Als deutlich unfähiger wird der Staat demnach in den Bereichen Schul- und Bildungspolitik (19 Prozent) sowie beim Klima- und Umweltschutz (17 Prozent) bewertet.
Besonders schlecht schneidet die öffentliche Verwaltung in Ostdeutschland ab. Dort waren 77 Prozent der Befragten davon überzeugt, dass sie ihren Aufgaben nicht gewachsen sei, im Westteil der BRD sagten dies 68 Prozent der Befragten. Der DBB-Vorsitzende Ulrich Silberbach bezeichnete die ihm von Forsa gelieferten Zahlen am Dienstag als »erschreckend«. Derzeit bräuchten Bürgerinnen und Bürger »Orientierung« und »auch Führung«, erklärte Silberbach. Der Frust angesichts des Staatsversagens im Alltag entlädt sich auch gegenüber den Beschäftigten im öffentlichen Dienst. So sei 54 Prozent von ihnen bereits im Dienst schon beschimpft, bedroht oder täglich angegriffen worden. Der DBB-Chef forderte eine ausreichende Personalausstattung und eine leistungsgerechte Bezahlung.
Als wichtigste Aufgaben des Staates nannten wie im Vorjahr die meisten Befragten das »Aufrechterhalten der sozialen Gerechtigkeit in der Gesellschaft«. Investitionen für den Klimaschutz wie den Ausbau erneuerbarer Energieträger benannten diesmal deutlich weniger Menschen (minus sieben Prozent). Beim Ansehen von Berufsgruppen stehen wie in den Vorjahren Feuerwehrleute ganz oben, gefolgt von Krankenpflegerinnen und Krankenpflegern, Ärztinnen und Ärzten sowie Altenpflegerinnen und Altenpflegern. Berufspolitikerinnen und -politiker kommen laut Forsa auf 14 Prozent Zustimmung.
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