Rechte Abgründe
Von Gabriel Kuhn, Stockholm
Die Bilanz nach nicht einmal einem Monat im Amt ist fatal: Gleich drei Minister der ultrarechten »Wahren Finnen« stolpern über Skandale und geben damit erschreckenden Einblick in den rechten Sumpf, dem sie entspringen. Bei den Parlamentswahlen am 2. April hatten sie 20,2 Prozent der Stimmen erreicht. Nur die Nationale Sammlungspartei (KOK), die mit Petteri Orpo den Ministerpräsidenten stellt, war knapp stärker. Daher koaliert nun ein Parteienbündnis bestehend aus der KOK, den Christdemokraten, der Schwedischen Volkspartei und den Wahren Finnen. Letztere ist in der Regierung mit acht Ministern vertreten. 1995 waren sie aus der ehemaligen Finnischen Bauernpartei hervorgegangen. Migration ist ihr ein besonderer Dorn im Auge. Bei den Parlamentswahlen 2011 gelang ihr mit 19 Prozent der große Durchbruch. Eine erste Regierungsbeteiligung 2015 endete aufgrund interner Querelen rasch.
Nach Amtsantritt am 20. Juni ließ der erste Skandal nicht lange auf sich warten. Nur wenige Tage danach wurden Verbindungen des Wirtschaftsministers Vilhelm Junnila zu rechten Organisationen öffentlich. So arbeitete er eng mit der Organisation Suomen Sisu (in etwa »Finnische Ehre«) zusammen, die beansprucht, das kulturelle Erbe Finnlands zu verteidigen. Dazu gehört offenbar auch, Publikationen von bekannten Rechten wie dem US-amerikanischen Neonazi David Duke feilzubieten, mit der inzwischen verbotenen »Finnischen Widerstandsbewegung« Veranstaltungen abzuhalten und Gedenkfeiern für ehemalige SS-Mitglieder zu organisieren. Ein von der Opposition gefordertes Misstrauensvotum überlebte Junnila, gab jedoch kurz darauf freiwillig seinen Rücktritt bekannt. Seine Begründung: Es gebe eine Hetzjagd »der Linken und der Medien« gegen ihn. Mit der zehntägigen Amtszeit stellte Junnila einen finnischen Rekord für ministerielle Schnellebigkeit auf.
Anfang Juli dann der zweite Skandal. Medien machten bekannt, dass die Parteivorsitzende, stellvertretende Ministerpräsidentin und Finanzministerin Riikka Purra lange in einem rechten Onlineforum rassistische Inhalte geteilt hatte. Nach einer Begegnung mit einer Gruppe somalischer Jugendlicher in der S-Bahn schrieb sie im Jahr 2008, dass es in dem Wagen »Leichen geben würde, hätte ich eine Waffe«. Purri zeigte wenig Einsicht. Sie hätte die Beiträge geschrieben, als »Sarkasmus noch erlaubt gewesen« sei, außerdem hätten alle Menschen ein Recht auf »Privatsphäre«. Die Ministerin zog sich anschließend mit Hilfe der Sommerpause des finnischen Parlaments aus der Affäre. Premier Orpo ist das nur recht. Er ist auf die Unterstützung der Wahren Finnen angewiesen. Für den Herbst versprach er eine Stellungnahme der Regierung gegen Rassismus und Antisemitismus. Damit solle es dann auch gut sein.
Vor wenigen Tagen dann wurde ausgerechnet der Nachfolger von Junnila im Amt des Wirtschaftsministers, Wille Rydman, mit Textnachrichten konfrontiert, die er im Jahr 2016 an seine damalige Freundin geschickt hatte. Rydman verglich darin unter anderem Somalier mit Maiglöckchen: »Gibt es sie einmal im Hof, vermehren sie sich ungehindert.« Innenministerin Mari Rantanen erweist sich derweil als Verfechterin der Theorie des »Bevölkerungsaustausches«. Unter diesem Hashtag verbreitet sie in den sozialen Netzwerken Nachrichten wie: »Wenn es so weitergeht, wird Europa vor Ende des Jahrhunderts ein Teil Afrikas sein.«
Der große Unsicherheitsfaktor in der Regierung ist die Volkspartei. Sie folgt allein den Interessen der schwedischsprachigen Minderheit. Beim Misstrauensvotum gegen Junnila stimmte die Mehrheit der Abgeordneten gegen ihn. Mittlerweile gibt es eine eigene Fraktion, die den Austritt aus der Regierung fordert. Vor Ende der Sommerpause wird jedoch wenig passieren. Parlamentspräsident Jussi Halla-aho lehnt eine vorzeitige Einberufung des Parlaments ab. Kein Wunder. Halla-aho ist nicht nur Mitglied der Wahren Finnen, sondern auch früheres Ehrenmitglied von Suomen Sisu sowie Betreiber des Blogs, auf dem Purra ihrem Rassismus freien Lauf ließ. Wie mehrere andere prominente Mitglieder der Partei wurde Halla-aho im Laufe seiner Politkarriere der Volksverhetzung für schuldig befunden.
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