Tageskonferenz: Der Bandera-Komplex
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Aus: Ausgabe vom 24.07.2023, Seite 5 / Inland
Finanzpolitik

Kahlschlag im Sozialbereich

Kritik aus Gewerkschaftskreisen zum Bundeshaushalt
Von Gudrun Giese
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Desaströse Haushaltspolitik der Bundesregierung trifft Hilfsbedürftige am stärksten

Deutliche Kritik übt die »Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen« (KOS) am Regierungsentwurf für den Bundeshaushalt für 2024, den das Kabinett Anfang Juli beschlossen hat. Statt Wege zur Überwindung der sozialen Krise einzuschlagen, verschärfe diese Art von Haushaltspolitik sie noch und führe »ins sozialpolitische Desaster«, heißt es in einer Pressemitteilung der KOS vom Donnerstag.

Die Koordinierungsstelle zeigt die Diskrepanz zwischen erforderlichen Mittelerhöhungen und tatsächlichen Haushaltsansätzen an einigen Beispielen auf. So ergäbe sich aus einem Bericht der Bundesregierung zur Entwicklung des Existenzminimums, dass der Regelbedarf bei Bürgergeld und Sozialhilfe zum 1. Januar 2024 auf 537 Euro steigen könnte, was allerdings erheblich zu niedrig wäre, schon weil bei der jährlichen Anpassung der Sätze die Preisentwicklung des jeweils zweiten Halbjahres nicht berücksichtigt würden. So sei die letzte Erhöhung zum 1. Januar dieses Jahres längst aufgezehrt, da insbesondere die Preise für Grundnahrungsmittel über der durchschnittlichen Inflationsrate lägen. Deshalb müsse die Bemessung des Regelbedarfs grundsätzlich geändert werden. »Realistisch wäre ein Eckregelsatz für volljährige Alleinstehende in Höhe von 725 Euro plus Übernahme der vollen Stromkosten«, heißt es in der Erklärung mit Verweis auf Berechnungen des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes.

Weit hinter dem realen Bedarf bleibe auch das im Haushalt vorgesehene Geld für die Kindergrundsicherung zurück. Hier seien ab 2025 lediglich 2,5 Milliarden Euro Mehrkosten eingeplant, auch weil die Bundesregierung stillschweigend davon ausgehe, dass lediglich ein Drittel der Anspruchsberechtigten die Leistung beantrage. Tatsächlich nähmen nach wissenschaftlichen Erkenntnissen nur Teile der Berechtigten Sozialleistungen etwa für Bildung und Teilhabe in Anspruch. Eine Ursache sei Unkenntnis über die Zugangsmöglichkeiten, eine andere seien abschreckende, weil umständliche Antragsverfahren bei Jobcentern oder Sozialämtern. Es sei davon auszugehen, so die KOS, dass der viel zu gering angesetzte Betrag für die Kindergrundsicherung nichts an der seit langem bestehenden Bildungsungerechtigkeit ändern werde. In der Bundesrepublik hänge der Schulerfolg nach Angaben der UNESCO besonders stark vom Einkommen der Eltern ab. Und das werde aller Voraussicht nach auch so bleiben, da die Bundesregierung keine ernsthaften Anstrengungen unternehme, die Benachteiligungen armer Kinder und Jugendlicher auszugleichen.

Schließlich kritisiert die Koordinierungsstelle einen Widerspruch im Zusammenhang mit Eingliederungsmaßnahmen für Erwerbslose und junge Erwachsene, die bei der Reform des Bürgergeldes erklärtermaßen verbessert worden waren. Doch nun zeige sich, dass die Bundesregierung die für die Eingliederung erforderlichen Mittel nicht erhöhe, sondern sogar kürze. »Auf der Strecke bleiben so die Betroffenen, für deren Aus- und Weiterbildung sowie für deren Integration in den Arbeitsmarkt bei weitem nicht genügend Geld übrigbleibt«, heißt es in der Erklärung der KOS.

Als offizieller Grund für die Kürzungen im Sozialbereich werde gern der allgemeine Sparzwang bei öffentlichen Ausgaben angeführt. »Doch wenn es um den Militärhaushalt oder Geld für Unternehmer geht, so spielt dieses Argument keine Rolle.« Dann würden etwa Steuer- und Investitionshilfen in Höhe von sechs Milliarden Euro jährlich für Firmen lockergemacht, obwohl die OECD gerade erst festgestellt hätte, wie stark die Unternehmensgewinne in Deutschland seit 2019 gestiegen seien.

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