3 Monate jW-digital für 18 Euro
Gegründet 1947 Sa. / So., 03. / 4. Juni 2023, Nr. 127
Die junge Welt wird von 2709 GenossInnen herausgegeben
3 Monate jW-digital für 18 Euro 3 Monate jW-digital für 18 Euro
3 Monate jW-digital für 18 Euro
Aus: Ausgabe vom 27.05.2023, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Venezuela

Maduro auf Abwegen

Venezuela: Wirtschaftskurs der Regierung verschärft soziale Ungleichheit. Sanktionsmacht USA will Gelder für Sozialfonds freigeben
Von Frederic Schnatterer
9.JPG
130 Bolívares Mindestlohn im Monat reichen nicht zum Überleben: Warten auf Lebensmittel einer Hilfsorganisation in Caracas

Es wäre ein wichtiger Schritt für die venezolanische Bevölkerung. Wie die Nachrichtenagentur Reuters Ende vergangener Woche berichtete, will Washington in den USA liegende Gelder Venezuelas in Höhe von 3,2 Milliarden US-Dollar noch vor Ablauf des Monats für einen Sozialfonds freigeben. Auf dessen Einrichtung hatten sich die Regierung von Nicolás Maduro und die Rechtsopposition des Landes Ende vergangenen Jahres bei Gesprächen in Mexiko geeinigt. Die wegen der US-Finanzsanktionen eingefrorenen Mittel sollen auf diesem Weg vor der Beschlagnahme zur Tilgung von Schulden bewahrt werden.

Aus dem Fonds sollen unter Schirmherrschaft der Vereinten Nationen Hilfsprogramme für die venezolanische Bevölkerung finanziert werden. Vor allem sollen die Mittel in Bildungs- und Gesundheitswesen sowie die Instandsetzung von Infrastruktur gesteckt werden. Der Lebensstandard in Venezuela ist in den vergangenen Jahren immer weiter gesunken. 2021 kam die UN-Sondergesandte Alena Douhan nach einem zwölftägigen Aufenthalt in dem südamerikanischen Land zu dem Schluss, dass vor allem die normale Bevölkerung unter den weitreichenden US-Sanktionen leidet.

Dem stehen Erfolgsmeldungen gegenüber, mit denen sich die Regierung Maduro schmückt. Im April prognostizierte der Internationale Währungsfonds (IWF) dem Land für 2023 ein Wirtschaftswachstum von fünf Prozent – womit das Land an erster Stelle im lateinamerikanischen Vergleich steht. Für 2024 erwartet der IWF eine Zunahme des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 4,5 Prozent. Im vergangenen Jahr wuchs die Wirtschaft sogar um acht Prozent.

Zum Gesamtbild gehört, dass das BIP von 2013 bis 2021 um rund 80 Prozent geschrumpft war. Das lag auch an fallenden Preisen für Erdöl – zuvor mit einem Anteil von rund 95 Prozent die Haupteinnahmequelle des venezolanischen Staates. Vor allem aber trafen die ab 2017 immer weiter verschärften US-Sanktionen die venezolanische Wirtschaft. Die mit dem Abschwung einhergehende Hyperinflation hat zuletzt zwar an Fahrt verloren, ihre Auswirkungen sind für die breite Masse jedoch weiterhin stark spürbar.

Da reicht ein Blick auf die Reallöhne. Der Mindestlohn liegt seit März 2022 bei 130 Bolívares im Monat (rund fünf US-Dollar) – ein Betrag, der nicht zum Überleben reicht. Und statt einer Erhöhung der Gehälter der Staatsangestellten kündigte Maduro bei einer Kundgebung zum 1. Mai an, den Wert der mit dem Lohn ausgegebenen Lebensmittelgutscheine von umgerechnet zwei auf 40 US-Dollar zu erhöhen. Außerdem stellte er eine weitere monatliche Zahlung in Aussicht, einen »Wirtschaftskriegsbonus« in Höhe von umgerechnet 30 Dollar. Gutscheine und Boni lauten zwar auf die Landeswährung, orientieren sollen sie sich jedoch am Dollar, der seit 2019 als Zahlungsmittel akzeptiert wird. Viele Produkte sind nur noch in der US-Währung erhältlich, während der größte Teil der Bevölkerung in Bolívares entlohnt wird, wodurch die soziale Ungleichheit stetig zunimmt.

Für ihren wirtschaftlichen Kurs erhält die Maduro-Regierung mittlerweile Lob aus der rechten Ecke. So erkannte das Handelsblatt vom Dienstag an, Venezuela habe sich »von der sozialistischen Mangelwirtschaft der vergangenen Jahre ab- und dem neoliberalen Kapitalismus zugewendet«. Linke Beobachter sprechen seit geraumer Zeit davon, dass es die USA mit ihrem Wirtschaftskrieg zwar nicht geschafft hätten, Maduro aus dem Amt zu jagen. Zu einem neoliberalen Kurs gedrängt hätten sie ihn aber durchaus.

So auch die Kommunistische Partei Venezuelas (PCV), die lange Teil des Regierungsblocks war. Sie bezeichnet den Wirtschaftskurs Maduros mittlerweile offen als »arbeiterfeindlich«. Die Regierung habe die staatliche Regulierung des Marktes, etwa durch Preiskontrollen, immer weiter zurückgefahren und das Land de facto dollarisiert. Auch würden öffentliche Ausgaben immer weiter gekürzt. Wegen solcher Kritik steht die PCV als wichtigste linke Oppositionspartei zunehmend unter Druck von seiten der Regierung. Mittlerweile befürchtet sie sogar ein Verbot.

Onlineaktionsabo

Das Onlineaktionsabo der Tageszeitung junge Welt bietet alle Vorteile der gedruckten Ausgabe zum unschlagbaren Preis von 18 Euro für drei Monate. Das Abo endet automatisch, muss also nicht abbestellt werden. Jetzt Abo abschließen und gleich loslesen!

Ähnliche:

  • 17.05.2023

    Schachfiguren des Nordens

    Wer es am Ende der gefährlichen Reise in die USA schafft, entscheidet das Kapital
  • Asylsuchende und Aktivisten gedenken der Opfer von Brownsville (...
    12.05.2023

    »Kultur der Intoleranz«

    USA: Rassistischer Anschlag auf venezolanische Asylsuchende. Abschieberegelung »Title 42« läuft aus

Mehr aus: Kapital & Arbeit