Sanierung versemmelt
Von Gudrun Giese
Die Bundesregierung hat das nächste, großspurig als »Reform« angekündigte Projekt versemmelt: Mit der Verabschiedung des Pflegeunterstützungs- und Pflegeentlastungsgesetzes (PUEG) ist allenfalls für sehr kurze Zeit finanziell etwas Luft geschaffen worden in der notorisch schlecht ausgestatteten Pflegeversicherung. Etwas mehr Belastung für die Versicherten, etwas mehr Geld vor allem für die häusliche Pflege – das war es dann im wesentlichen mit der »Reform«. Beinahe wäre nicht einmal dieses Rumpfgesetz durch den Bundestag gekommen, denn die FDP hatte getreu ihrem Ruf als Opposition in der Regierung versucht, die Neuregelung zu flexiblen Budgets bei der Kurzzeit- und Verhinderungspflege aus dem Entwurf zu streichen. Ein Kompromiss auf den letzten Drücker ließ zwar diese Gelder unangetastet, die ab 2025 gezahlt werden können. Dafür wurde allerdings die Erhöhung des Pflegegeldes ab Januar 2024 um einen halben Prozentpunkt gesenkt, womit der ohnehin viel zu karg bemessene Satz nun noch weiter hinter der Preissteigerungsrate zurückbleibt.
Pflegerat, Patientenschützer, Sozialverbände und Gewerkschaften erklären seit Jahren, was nötig wäre, um die Pflege Alter und chronisch Kranker sowohl ambulant als auch stationär zukunftssicher zu gestalten: An erster Stelle ist eine breite Finanzierungsbasis für die Pflegeversicherung überfällig. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi etwa fordert eine solidarische Pflegegarantie, bei der auf alle Einkommensarten ein Obolus für die Pflegeversicherung erhoben wird. Alle pflegebedingten Kosten, ob Personal, Pflegematerial und Hilfsmittel, sollen darüber abgedeckt werden. Zugleich darf niemand es hinnehmen, dass Pflegekräfte wegen unzumutbarer Arbeitsbedingungen ihre Arbeitsstunden reduzieren oder gleich ganz ihren Beruf an den Nagel hängen. Statt in Brasilien, Mexiko und Indonesien Fachkräfte zu ködern, könnte mit einer Pflegekräfterückholaktion hierzulande vorhandenes Personal gewonnen werden. Allerdings müssten die Verantwortlichen dafür tatsächlich die Arbeitsbedingungen spürbar verbessern. Eine Entlastung, die den Namen verdient, brauchen aber auch die Menschen, die Angehörige daheim pflegen und die, die als »24-Stunden-Kräfte« in Osteuropa angeheuert werden, um Schwerstpflegebedürftigen rund um die Uhr zur Verfügung zu stehen.
Doch mit der Zustimmung zum PUEG sind diese Chancen bis auf weiteres vertan.
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