Kein Lichtblick bei Kinderarmut
Von David Maiwald
Da stimmt was nicht. Wie das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) mit Verweis auf vorläufige Zahlen des Statistischen Bundesamtes am Donnerstag abend berichtete, ist die Armutsquote in der Bundesrepublik im vergangenen Jahr zurückgegangen. Demnach ging die Anzahl der »von Armut gefährdeten« Menschen hierzulande von 16,9 Prozent Anteil an der Gesamtbevölkerung im Jahr 2021 auf 16,7 Prozent im vergangenen Jahr zurück. Es sei ein »überraschender Befund«, kommentierte das RND, der von den Zahlen vermittelte Eindruck sei »trügerisch«. Das stimmt.
Denn der statistischen Erfassung der sogenannten Armutsgefährdung liegt ein Einkommensvergleich zugrunde. Die Definition gilt für jene, die weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung haben – unabhängig von der Kaufkraft, bemerkte auch das RND. Und die Kaufkraft ist im vergangenen Jahr so deutlich gesunken, dass man für diese Erkenntnis keine Statistik wälzen muss. Galoppierende Inflation, steigende Energie- und Lebensmittelpreise, Reallohnverlust – das Jahr 2022 steht vorerst beispielhaft für die zunehmende Verarmung der BRD-Bevölkerung.
Weil davon ausgegangen werden muss, dass besagte Indikatoren für Armut in der BRD falsch sind, ist besonders bedenklich, dass sich die Situation bei einigen Bevölkerungsgruppen – trotz der positiver wirkenden Zahlen – statistisch verschlechtert hat. Das gab der Paritätische Gesamtverband am Freitag in einer Mitteilung zu bedenken. Zwar wiesen die von der Wiesbadener Behörde ermittelten Ergebnisse etwa darauf hin, dass die Erhöhung des Mindestlohns – von 9,60 Euro zu Jahresbeginn auf 12 Euro im Oktober 2022 – »einige pandemiebedingte Verwerfungen« habe ausgleichen können. Die Kinderarmut habe mit 21,3 Prozent aber ein »neues Rekordhoch« erreicht, was man »mit großer Sorge« beobachte, so der Paritätische.
Denn auch die »Armutsschwelle« etwa für eine alleinstehende Person stieg im Jahr 2022 demnach von 1.145 Euro im Vorjahr auf 1.189 Euro. Dabei beruhe der erste Wert auf Endergebnissen der Wiesbadener Behörde, der zweite auf den aktuellen, vorläufigen, so der Paritätische. Die darin enthaltene Steigerung um 44 Euro »oder knapp vier Prozent« liegt dabei deutlich unter der Inflation des vergangenen Jahres, die trotz fragwürdiger Neuberechnung der Behörde immer noch mit durchschnittlich 7,9 Prozent angegeben wird.
Wer im Jahr 2021 unter der Armutsschwelle leben musste, hatte es bereits schwer. Bei Betrachtung der vorläufigen Zahlen zeigt sich, dass 16,7 Prozent der Bevölkerung »trotz Armut eine höhere Kaufkraft als im Jahr 2022« hatten, so der Paritätische. Die Aussichten auf die behördlichen Endergebnisse sind vorerst düster.
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