Letzte Station Moskau
Von Knut Mellenthin
Der chinesische Spitzendiplomat Li Hui hat am Freitag seine Reise durch mehrere europäische Staaten in Moskau beendet. Neben dem russischen Außenminister Sergej Lawrow traf Li auch mit dessen Stellvertreter Michail Galusin zusammen. Offizielle Bekanntmachungen, sogenannte Readouts, beider Seiten über den Gesprächsverlauf lagen bei Redaktionsschluss noch nicht vor.
Zweck der Reise, die Li zuvor nach Kiew, Warschau, Paris, Berlin und Brüssel geführt hatte, war nach Angaben des Außenministeriums in Beijing ein Meinungsaustausch über das am 24. Februar veröffentlichte Papier »Chinas Position zur politischen Beilegung der Ukraine«. Der 70jährige Diplomat, der den Titel »Sonderbeauftragter für Eurasische Angelegenheiten« führt, sollte einerseits Erläuterungen zu den chinesischen Vorstellungen geben und sich andererseits über Ideen seiner Gesprächspartner zu einer möglichst raschen Einstellung der Kämpfe und zu einer politischen Lösung des Konflikts informieren. Die Ergebnisse sollten zum Abschluss der Mission der russischen Seite vorgetragen werden.
Li begann die Reise am Dienstag und Mittwoch der vorigen Woche in der ukrainischen Hauptstadt, wo er getrennte Gespräche mit Außenminister Dmitro Kuleba und dem Leiter des Präsidentenbüros, Andrij Jermak, hatte. Ob Li auch Präsident Wolodimir Selenskij traf, lässt sich anscheinend nicht eindeutig feststellen. Im ukrainischen Readout wird keine solche Begegnung erwähnt. Referiert werden dort die Aussagen Kulebas, dass sein Land keine Vorschläge akzeptieren werde, »die den Verlust seiner Gebiete oder ein Einfrieren des Konflikts beeinhalten«.
Nächste Station war Warschau, wo Li am Freitag voriger Woche mit dem stellvertretenden Außenminister Wojciech Gerwel zusammentraf. Dem polnischen Readout zufolge erklärte dieser dem Gast, »der Rückzug der russischen Truppen und die Rückgabe der von Russland rechtswidrig in Besitz genommenen Territorien« seien »die einzige akzeptable Lösung, um einen gerechten Frieden zu erreichen«. Waffenlieferungen an die Ukraine seien nicht nur ein aus der Charta der Vereinten Nation hergeleitetes Recht, sondern eine Pflicht aller UN-Mitgliedstaaten.
Vergleichsweise freundlich verlief offenbar das Gespräch in Paris, das Li am Dienstag mit dem Generaldirektor für Politische und Sicherheitsangelegenheiten im Außenministerium, Frédéric Mondoloni, führte. Dem französischen Readout zufolge begrüßte Mondoloni den Besuch des chinesischen Diplomaten und die »Wiederaufnahme des Dialogs zwischen China und der Ukraine«. Frankreich sei überzeugt, dass China »bei der Rückkehr Europas zu einem gerechten und dauerhaften Frieden gemäß internationalem Recht« eine positive Rolle spielen könne. Er betonte aber auch, dass Frankreich und die EU entschlossen seien, die Ukraine auf allen Gebieten langfristig zu unterstützen.
Am Mittwoch hatte Li in Berlin ein Gespräch mit dem Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Andreas Michaelis. Dem chinesischen Readout zufolge soll dieser Deutschlands hohe Wertschätzung für »Chinas positive Bemühungen zur Deeskalierung der Ukraine-Krise« geäußert haben. Das wäre erstaunlich. Michaelis verbreitete nur einen dürren Tweet, der lediglich die Tatsache der Begegnung kundtat. Am Donnerstag schließlich gab es in Brüssel ein erst kurzfristig angekündigtes Gespräch mit dem stellvertretenden Außenpolitikverantwortlichen der EU-Kommission, Enrique Mora. Beide hätten vereinbart, »im Austausch zu bleiben« und weiter auf einen »belastbaren Frieden« in der Ukraine hinzuarbeiten, hieß es.
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