Abzug im Desaster
Von Jörg Kronauer
Der Bundestag hat am Freitag den Bundeswehr-Einsatz in Mali zum letzten Mal verlängert. Laut Parlamentsbeschluss wird die deutsche Armee ihre Beteiligung an dem UN-Einsatz Minusma Ende Mai kommenden Jahres beenden. Der Abzug soll offiziell bereits in der nächsten Woche beginnen. Die deutsche Restbeteiligung am EU-Ausbildungseinsatz EUTM Mali wird zum 31. Mai dieses Jahres förmlich eingestellt. Insgesamt waren im Lauf der Jahre rund 25.300 deutsche Soldaten in dem westafrikanischen Land stationiert; die Kosten werden sich bis zum endgültigen Abzug auf rund 4,3 Milliarden Euro summieren. Die Bundeswehr lässt das Land dabei in einem desaströsen Zustand zurück. Allein in Mali sind laut UN-Angaben gut eine halbe Million Menschen auf der Flucht; in der Sahelzone insgesamt sind es 2,7 Millionen. Fast 18 Millionen Menschen im Sahel sind auf humanitäre Hilfe angewiesen.
Der Einsatz, der in sein elftes Jahr geht, gilt denn auch schon seit langem als gescheitert. Waren die Aufstände, als die Bundeswehr 2013 nach Mali entsandt wurde, noch auf den Norden des Landes beschränkt, so weiteten sie sich im Lauf der folgenden Jahre auf Zentralmali aus und erfassten auch Teile der Nachbarländer Burkina Faso und Niger, ohne dass die auswärtigen Streitkräfte dem etwas entgegensetzen konnten. Seit der zweiten Jahreshälfte 2021 waren die in Bamako herrschenden Militärs zum einen bemüht, russische Militärs und private russische Militärfirmen ins Land zu holen, um sich eine Alternative zu dem gescheiterten Einsatz der europäischen Truppen zu eröffnen. Dies sorgte genauso für Ärger in Berlin wie die Tatsache, dass die malische Putschregierung sich zum anderen bemüht, das militärische Geschehen im Land unter Kontrolle zu bekommen. So besteht sie bis heute etwa darauf, dass sämtliche Flüge im malischen Luftraum mit ihr abgestimmt werden. Die dadurch entstandenen Reibereien haben den Abzug der Bundeswehr mitverursacht.
Allerdings weigert sich die Bundesregierung, die Bundeswehr vollständig aus dem Sahel abzuziehen; sie will zumindest punktuell Einfluss behalten und ein Gegengewicht gegen die neue russische Präsenz in der Region erhalten. Sie hat daher einen neuen Einsatz in Niger gestartet, wo bis zu 60 deutsche Soldaten die einheimischen Streitkräfte trainieren, und erst kürzlich eine neue Sahelstrategie verabschiedet. Das Papier sieht vor, nicht nur mit Niger, sondern auch mit Mauretanien enger zu kooperieren. Mauretanien hat im vergangenen Jahr seine Zusammenarbeit mit der NATO intensiviert. In der neuen Sahelstrategie heißt es weiter, Berlin wolle »verhindern, dass sich die Krisen weiter ausbreiten und potentiell ganz Westafrika destabilisieren«. Ist die Bundesrepublik damit so erfolgreich wie in Mali, stehen der gesamten Region üble Zeiten bevor. Laut Sahelstrategie will die Bundesregierung insbesondere »zum Aufbau eines zusätzlichen Stabilitätsbogens um Mali und Burkina Faso beitragen«. Burkina Faso hat wie Mali europäische Truppen aus dem Land geworfen und nähert sich vorsichtig Russland an.
Unterdessen haben die USA Sanktionen gegen den Repräsentanten der privaten Militärfirma »Wagner« in Mali verhängt. Zur Begründung heißt es, der Mann habe versucht, Militärgerät für den Ukraine-Krieg nach Russland zu schmuggeln. Freilich liegt die Vermutung nahe, es gehe den USA vorrangig darum, den weiteren Ausbau der russischen Präsenz im Sahel nach Kräften zu behindern.
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