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Aus: Ausgabe vom 20.05.2023, Seite 4 (Beilage) / Wochenendbeilage
Boxsport

Kaderschmiede in der Altstadt

Havanna: Im legendären »Gimnasio de Boxeo Rafael Trejo« clinchen bereits die jüngsten Talente – und erhalten ihren ersten Feinschliff. Eine Stippvisite
Von Oliver Rast (Text) und Ivett Polyak-Bar Am (Fotos), Havanna
Notdürftig mit Wellblech überdacht: Das legendäre »Gimnasio de Boxeo Rafael Trejo« in Havanna
Kleine Hände in großen Handschuhen: Luiz beim Training in der Boxhalle »Rafael Trejo«
Sinnbildlich für die derzeit schwierigen Bedingungen in Kuba
Es hat lange gedauert, aber seit Dezember dürfen auch Frauen in Kuba ganz offiziell in den Ring steigen
Vielleicht bald auf der großen Bühne: Kuba erlaubt seit vergangenem Jahr neben dem olympischen auch das Profiboxen
In Erinnerung an den 1930 ermordeten kubanischen Studentenführer Rafael Trejo González

Seine zu Fäusten geballten Kinderhände scheinen zu versinken in seinen übergroßen Boxhandschuhen mit porösem steingrauen Filzüberzug. Luiz stört das nicht. Der Siebenjährige fokussiert mit wachem Blick die rechte Handpratze seines Trainers. Ein, zwei Momente noch, dann holt er zur satten Geraden aus. Luiz spürt, ein präziser, harter Schlag; aus sicherem Stand mit beinahe laszivem Hüftschwung. So wie er es gelernt hat.

Wir sind in Havanna an einem Dienstag nachmittag Ende April. Mittenmang in der pittoresken Altstadt, etwas abseits von touristischen Hotspots in einer schmalen Gasse; kurz: im legendären »Gimnasio de Boxeo Rafael Trejo«. Eine nur teilweise notdürftig mit Wellblech überdachte Trainings- und Wettkampfstätte mit steilen Tribünen auf dünnen Metallpfosten und reichlich Flugrost. Ein Ort, umschlossen von typischen Wohngebäuden im Kolonialstil mit blätterndem Putz. Und ein Ort mit bekanntem Namensgeber. Rafael Trejo González war kubanischer Studentenführer, der im Herbst 1930 bei Protesten gegen die damalige Diktatur unter Gerardo Machado durch eine Polizeikugel getötet worden war. Trejo, ein Revolutionär und Nationalheld der Karibikinsel, den alle hier kennen.

Auch zahlreiche solidarische Aktivisten. Genossen von Cuba Sí, den Interbrigadas und des Berliner Boxklubs »Roter Stern« steuern die Kaderschmiede der Talente bei Delegationsreisen oft an. Farbenreiche Graffiti an den Wänden des Gyms zeugen davon. Und: Erst vor wenigen Jahren haben die »Polittouristen« in einem Arbeitseinsatz das Gym renoviert, nicht zuletzt den Hochring fitgemacht.

Das gefällt Luiz und seinen jungen Kumpanen aus dem Barrio. Die achtköpfige Rasselbande soll jetzt clinchen. Im Sparring. Luiz geht in Kampfposition, nicht starr, schön elastisch, tänzelt ein wenig. Vor seinen Kinderfäusten hat er Diego. Luiz lugt über seine Filzhandschuhe, dann die erste Links-rechts-Kombination, und gleich noch einmal. Scheinbar aus dem Nichts. Die Trockenübungen bei der Pratzenarbeit eine Viertelstunde zuvor waren lehrreich. Getroffen! Etwas jedenfalls. Ein verschmitztes Grinsen huscht Luiz über die verschwitzten Wangen, als seine Schlaghand Diegos Jochbein touchiert. Der zwinkert seinem Freund keck zu; so, als ob er sagen will: »Hey, Wischer ja, Wirkung nein!« Beide teilen mit flinken Händen weiter fleißig aus, stecken bisweilen ein. Vor allem weg, ungerührt. Wie die Großen eben.

Und ganz vielleicht sehen wir Luiz und Diego in ein, zwei Dekaden auf den Brettern internationaler Wettkampfbühnen. Vom Talent zum Champ etwa.

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