Macrons Tag der Freude
Von Hansgeorg Hermann
Zweihundert Konzernbosse aus aller Welt, versammelt im Prunkschloss von Versailles, versprochene Investitionen in Höhe von satten 13 Milliarden Euro, angekündigter Zuwachs von rund 8.000 neuen Arbeitsplätzen: ein Tag der Freude für den französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Von seinesgleichen erfuhr der ehemalige Banker, der seit 2017 als Staatschef das Land im Sinne der Bosse glattbügelt, am Montag endlich Anerkennung für seine Gesellschaftspolitik, insbesondere die mit harter Hand durchgesetzte »Rentenreform«. Draußen vor den Festsälen, von einem einige Hundertschaften zählenden Polizeikordon blockiert, protestierten die von den Gewerkschaften ausgesandten Botschafter der Arbeiterschaft. Drinnen lobten jene Chefs, die das Konzept dafür lieferten, Macrons noch nicht abgeschlossenes Gesamtwerk.
Was die Gewerkschaften und mehr als 70 Prozent der Bevölkerung immer noch nicht abgeschrieben haben, ist der Versuch, dem Staatschef den wichtigsten Teil seines Rentendiktats – die Erhöhung des Renteneintrittsalters von 62 auf 64 Jahre ab September – doch noch auszutreiben. Dafür gibt es nach Macrons Fest in Versailles allerdings keine Anzeichen. Die Chefs der 40 größten börsennotierten Unternehmen des Landes in trauter Runde mit internationalen Erzkapitalisten wie dem US-Amerikaner Elon Musk (Tesla), dem indischen Stahlkaiser Lakshmi Mittal (Arcelor Mittal), Walt-Disney-Boss Robert Iger oder Albert Bourla, dem CEO des Pharmagiganten Pfizer, hatten 2017 auf Macron gesetzt – und fahren nun die Ernte ein. Die sei »sehr gut gewesen« in Versailles, resümierten anderntags die Medien der Hauptstadt. Der Staatschef habe zumindest bei den geladenen Großindustriellen den in den vergangenen Monaten der Massenproteste entstandenen Eindruck eines durch seine eigenen Reformen »gefesselten Präsidenten« verwischt. Und sich wohl Zuspruch geholt für die noch nicht abgeschlossene Neuorientierung der Militärpolitik und der Migrationsgesetzgebung.
Offenbar gestärkt vom Bad in der Menge der CEOs, »beglückwünschte« am Abend im Gespräch mit der Fernsehstation TF1 wieder einmal »der Emmanuel den Macron«, wie die Pariser Tageszeitung Libération am Dienstag spottete. Alle hätten sich gegenseitig »fertiggemacht« im bürgerlich-rechten Lager, als es um die Entscheidung der Rentenfrage ging; Regierungschefin Élisabeth Borne habe daher ihren Job erledigt und die »Reform« mit dem Verfassungsartikel 49.3 durchgesetzt. Eine verächtliche Botschaft an Les Républicains, deren vom Regierungslager scharf kritisierte »Unzuverlässigkeit« die Verabschiedung des Rentengesetzes per Dekret notwendig gemacht habe. Nur er selbst und Borne – »kein anderer« – seien bereit gewesen, »Verantwortung zu übernehmen«. Den heftig anhaltenden Widerstand der Mittelschicht gegen die Verlängerung der Lebensarbeitszeit will Macron offenbar, wie er das seit 2017 praktiziert, durch ein kleines Steuergeschenk gering halten. Eine mit zwei Milliarden Euro dotierte Steuererleichterung für die durch anhaltende Inflation vom Abstieg in untere Gesellschaftsschichten bedrohten Gutverdiener soll ihm die Gunst dieses Bevölkerungsteils zurückbringen.
Macron als führender Staatschef der EU, der im TV-Gespräch auch »kein Tabu« mehr sah in der Ausbildung ukrainischer Piloten am heimischen Jagdflugzeug »Mirage 2000«, der die Lieferung solch mörderischen Kriegsgeräts nach Kiew aber (vorerst) noch ausschließt. Das Training der Piloten könne zwar »ab jetzt« beginnen, anstelle der Bomber gebe es zu diesem Zeitpunkt (nur) Raketen. Der Präsident, der noch genau vier Amtsjahre vor sich hat, will nach eigenen Angaben zusammen mit den »Freunden in der Ukraine« gegen die russische Armee in die Offensive gehen. »Wir wollen der Ukraine helfen, (…) in dem Moment, in dem sie es wünscht, die Gegenoffensive zu organisieren«, versprach Macron.
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