Kampfjets statt Frieden
Von Arnold Schölzel
Am Sonnabend berichtete der Spiegel, die Bundesregierung habe »für die Jahre bis 2032 weitere acht Milliarden Euro für die Aufrüstung und Modernisierung der ukrainischen Armee vorgesehen«. Mit einem schnellen Ende des Konflikts rechne »in Berlin offenbar niemand«. Die Meldung bildete den Schluss eines Artikels, in dem das Nachrichtenmagazin darüber informierte, dass die Regierung »mit der größten Waffenlieferung seit Kriegsbeginn« an Kiew im Wert von rund 2,7 Milliarden Euro vorpresche – parallel zur Verleihung des Karlspreises im Aachener Dom an den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij am Sonntag.
Selenskij zeigte sich bei einem Besuch in Berlin zwar für die Lieferankündigungen dankbar, machte aber klar, dass er mehr erwartet, konkret: westliche Kampfflugzeuge. Bei einem Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) teilte er mit, die Ukraine arbeite in europäischen Hauptstädten daran, »eine Kampfjet-Koalition zu schaffen«. Er werde sich deswegen auch an die deutsche Seite wenden. Scholz wich aus, sicherte aber erneut zu: »Wir unterstützen euch so lange, wie es nötig sein wird.« Bisher sei Hilfe im Wert von 17 Milliarden Euro geleistet worden.
Beide Politiker reagierten abweisend auf Friedensinitiativen aus anderen Ländern. »Wir brauchen nicht viele Pläne«, erklärte Selenskij und fuhr fort: »Wir sind bereit, jegliche Vorschläge zu besprechen, aber nur auf der Plattform, die wir anbieten.« Scholz betonte, Friedensgespräche dürften nicht gegen die Ukraine gerichtet sein und Russland müsse seine Truppen zurückziehen.
Selenskij war am frühen Vormittag von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier begrüßt worden, den er vor einem Jahr unmittelbar vor einem Besuch in Kiew ausgeladen hatte. Er war aus Rom angereist, wo er neben Politikern Italiens Papst Franziskus getroffen hatte. Am Nachmittag flogen Scholz und Selenskij nach Aachen.
Die italienische Ministerpräsidentin und Anführerin der faschistischen »Brüder Italiens« (Fratelli d’Italia, FdI) Giorgia Meloni hatte Selenskij »meinen Freund« genannt und kündigte militärische Hilfe an, »so lange es nötig ist und darüber hinaus«. Etwas weniger stimmungsvoll verlief die Begegnung Selenskijs mit Papst Franziskus. Der hatte am 30. April beim Rückflug von einem Besuch Ungarns vor Journalisten zum Missfallen Kiews über Frieden gesprochen: »Derzeit läuft eine Mission, die aber noch nicht öffentlich ist.« Selenskij nutzte nach dem 40minütigen Gespräch mit dem Kirchenoberhaupt einen Auftritt im Sender Rai 1, um den Papst zu brüskieren: »Bei allem Respekt für den Papst: Die Sache ist die, dass wir keine Vermittler brauchen zwischen der Ukraine und dem Aggressor, der unsere Gebiete besetzt hat, sondern einen Aktionsplan für einen gerechten Frieden in der Ukraine.« Er habe den Papst aufgefordert, sich dem Friedensplan Kiews anzuschließen und verstieg sich zu der Lüge, Franziskus setze »Opfer und Aggressor« gleich. Der Papst antwortete indirekt am Sonntag vor Gläubigen auf dem Petersplatz: »Mit Waffen erreicht man nie Sicherheit und Stabilität, im Gegenteil: Man zerstört jede Hoffnung auf Frieden.«
Ebenfalls am Sonntag kündigte die Linke-Bundestagsfraktion die Reise einer Delegation in die Ukraine an. Sie werde von Dienstag bis Sonntag Kiew, die Vororte Butscha und Irpin sowie Charkiw besuchen. Eine Haltung wie die des Papstes konnte sich in der Partei nicht durchsetzen. Führende Parteivertreter treten vielmehr für Waffenlieferungen an Kiew ein.
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Leserbrief von Albrecht Sturm aus 1796 Pirna (18. Mai 2023 um 00:22 Uhr)Danke für den Bericht. Es ist blamabel für die Linken, dass sie das humane, erfahrungsreiche Wort des Papstes in dem Zusammenhang nicht kurzerhand bekräftigten. Wie bei den Grünen zeigt sich die alte Quasidiagnose »von Links unten nach Rechts oben« als immer noch sehr aktuell, da gibt es der Beispiele leider viele, bei weitem ist es nicht nur ein Herr Ramelow. Wer in Deutschland mitregieren will, muss Rüstungskonzerne füttern und staatskonformen Medien glauben. Diese Leute, die sich »die Linke« nennen, sollte die Kritik erwachsen, wie sie die »Grünen« und Verlogenen (siehe z.B. den Realo Fischer in Bezug auf Jugoslawien) dank Antje Vollmar in den vereinten Schatten stellten, in dem man nicht einmal den 8. Mai mehr sehen will. Er dient ihnen und Konsorten zu wenig der Verhetzung.
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Leserbrief von Peter Groß aus Bodenseekreis (16. Mai 2023 um 16:20 Uhr)SPD-Olaf hat sich den Rufnamen »Blutiger Olaf« redlich verdient und für das parlamentarische Farbenspiel bekommt die SPD von mir den Zuschlag für »blutrote SPD«, um Verwechslungen mit Sozialisten oder Kommunisten künftig zu vermeiden. Ausgerechnet am Muttertag, in der Feierstunde zur Verleihung des Karlspreises an den Front-Comedian Selenskij, zögerte die neue deutsch-europäische Clanaristrokatie nicht, Militärhilfe in Höhe von 2,7 Milliarden Euro für Waffen- und Munitionskäufe zu überreichen, vom ukrainischen Volk den höchstmöglichen Blutzoll zu fordern und größte Umweltzerstörungen zu ermöglichen. Militärische Hilfe, die sich auf »über vier Milliarden Euro« summiert, den Arbeitenden abgepresst wird, die zur Finanzierung von Kindergartenplätzen fehlt, Millionen Kinder und Alte in Deutschland zum Frieren und Hungerleiden verurteilt oder heutige Oberschüler*innen bald in den Wehrdienst und in der Folge an die Ostfront zwingt. »Der tragische Tod ihrer Kinder machte schon die schlagfertige Mutter Courage stumm, doch Einsicht in die Ursachen ihres Unglücks gewann sie nicht. Sie erkannte nicht, dass es ein Trugschluss ist, am Krieg verdienen zu können. Ihre Rechnung mit dem Krieg ging nicht auf, im Gegenteil: Mutter Courage verlor die, die sie durchbringen wollte, ihr Handeln verlor jeden Sinn. Umweltereignisse und Krieg scheinen im Weltvernichtungsfieber zu konkurrieren. Das Handeln der Krieger verletzt humanitäres Völkerrecht, weil täglich deutlicher erkennbar wird, dass die Mittel der Kriegführung ausgedehnte, lang andauernde und schwere Schäden der natürlichen Umwelt verursachen, die auch dann nicht zulässig sind, wenn sie aus militärischer Sicht notwendig scheinen. Beide Parteien sind folglich Umweltverbrecher, die vor ein internationales Strafgericht gehören. Wo man heute über Richtgeschwindigkeiten auf Autobahnen streitet, steht man längst vor unlösbaren Umweltproblemen, die Fluchtbewegungen begünstigen und die Rückkehr von Flüchtlingen auf lange Zeit ausschließen.
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Leserbrief von Ronald Prang aus Berlin (15. Mai 2023 um 18:33 Uhr)Sehr guter Artikel, jeder kluge Mensch versteht ihn sofort. Nur leider leben wir in einem Land, in dem man lieber in Waffen statt in Bildung investiert. Das entspricht dem Selbstverständnis des herrschenden Systems. Bildung der Bevölkerung würde ja dazu führen, dass mehr Menschen die Frage nach Ursache und Wirkung stellen könnten. Warum stellen wir sie nicht öfter? Was ist die Ursache des Ukraine-Kriegs? Der Kampf um die Weltherrschaft von kapitalistischen Staaten! … Und die Wirkung? Die Bevölkerung der Ukraine leidet, die russische aber auch. Die Abgehängten, die Ausgestoßen, Verarmten, Hungernden, die sogenannten »sozial Schwachen« der gesamten Welt leiden. Wer aber profitiert? … Nun wird die Liste lang und sicher auch unvollständig. Die USA in erster Linie, denn es schwächt ihre »Mitbewerber« um die Hegemonialmacht Russland. Die Eskalation des Konfliktes zwischen China und Taiwan dient demselben Zweck. Wie profitiert das deutsche Kapital von seiner Vasallentreue zu USA? Die Gewinne der dt. Rüstungskonzerne gehen durch die Decke, Energiekonzerne verdienen unanständig. Das sozial untere Drittel der dt. Bevölkerung verarmt immer mehr … und Schuld daran ist wieder einmal »der böse Russe«. Mit den »billigen Arbeitskräften« die flüchten müssen, wird nicht nur der Nationalismus befeuert, sondern auch das Lohnniveau gedrückt und die Inflation befeuert. Aus ehemaligen Pazifisten (Grüne) werden Militaristen und der rechte Rand (AfD) schließt seine Reihen. Sie sammeln einfach nur die von der Gesellschaft Ausgestoßenen ein. Der Nationalismus erlebt seine Wiedergeburt, gegen jeden Krieg zu sein wird als »Kniefall vor dem bösen Russen« verunglimpft und verstärkt den Rechtsruck im Land. Kopflos irren wir Linken durch die Welt, hin- und hergerissen von der Verurteilung eines Aggressionskriegs und dem Wissen um seine Ursachen. Das passiert, wenn aus »Linken« opportunistische Egomanen werden, die von Regierungsbeteiligung träumen. Es riecht nach Katastrophe.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Roland W. aus 08280 Aue (15. Mai 2023 um 13:08 Uhr)Zeitenwende bei Friedensbewegung eine neue Männerfreundschaft zwischen Olaf und Wolodimir? Es sah danach aus. Erinnert es manche an die Männerfreundschaft von Helmut und Michail? Wie ist sie geendet? Wer hat wen betrogen? Wie ist es heute ? Etwas peinlich schon, wer genau hinhört und zusieht. Mit leichtem Grinsen weiß Wolodimir, Waffenwünsche gehen mit jedem weiteren Besuch in Erfüllung. Olaf muss nicht mehr zum Krieg getragen werden, ziert sich nicht mehr. Wir liefern, helfen solange es gebraucht wird. Es wird noch lange und viel gebraucht. Rheinmetall und Co helfen uneigennützig, solidarisch. Für den Frieden natürlich. Michail war gefeierter Friedensbote und beerdigte verhassten Kommunismus. Die Nachkommen bis Putin haben Kapitalismus und Markt gelernt. Sodann wurden gelehrige Schüler zu erbitterten Feinden, wo sie nur getan haben, was Jahrzehnte ihnen empfohlen, gefordert wurde. Wettbewerbsfähig um Markt und Macht sein, ist alles andere als friedlich. Was war das noch für bunte, große bis gewaltige Friedensbewegung, die oft durch Stuttgart noch um die Jahrhundertwende mit Forderung nach Frieden zog? Was ist von ihr übrig? Wohin sind sie alle, wo der Frieden nie mehr als heute in Gefahr ist? Wie und woher die Gesinnungswende von Frieden zu Krieg, dem Fordern nach mehr Waffen, Rüstung, Menschenvernichtung auf allen Seiten? Mit Ostvergangenheit ist der Wandel kaum begreifbar. Verständlich nur, wenn angeblich verordnete Friedensbewegung als das gesehen wird, was sie immer war. Nie waren ihr Völker, Menschen, nicht einmal Regierende die Friedensfeinde oder gar verhasst. Friedenskampf war immer gegen das gerichtet, gegen das System, den Kapitalismus, der Krieg hervorbringt. Kluge Politiker des Westens wissen bis heute, sind aber nicht gefragt, wenn Krieg die Welt neu ordnen muss. Deutschland darf nicht dabei fehlen, hat der Olaf wohl endlich auch begriffen. An das oder ihr Ende haben sie noch nie gedacht – nur Sieg …
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Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (15. Mai 2023 um 11:26 Uhr)Eigentlich hätte sich Selenskij seinen Besuch beim Papst auch sparen können: Der Vatikanstaat verfügt über keine Panzer oder Flugabwehrraketen, die er in die Ukraine liefern könnte und der UK-Präsident will mehr Waffen statt Waffenruhe. Zwar hat Papst Franziskus den Angriffskrieg als solchen mehrfach verurteilt, dabei aber immer darauf geachtet, eine gewisse Äquidistant zu den beiden Konfliktparteien zu wahren. Der Pontifex hält dies für unerlässlich, um eine mögliche Vermittlerrolle des Vatikans nicht zu beeinträchtigen. Franziskus hatte sich auch schon bei seinem russisch-orthodoxen »Amtskollegen«, dem Patriarchen von Moskau, für eine Friedenslösung und eine Vermittlung durch die beiden Kirchen eingesetzt. Auch da war er freilich abgeblitzt. Mit diesem klaren Nein sowohl aus Moskau als auch aus Kiew zu einer vatikanischen Friedensmission sind die Hoffnungen im Vatikan, einen Beitrag zu einem baldigen Waffenstillstand leisten können, auf den Nullpunkt gesunken.
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Leserbrief von Ronald Prang aus Berlin (14. Mai 2023 um 23:10 Uhr)Unsere Freunde von der Partei »Die Linke« versteigen sich in ihrem Traum von der Regierungsbeteiligung immer mehr in die Welt des Surrealen. Die Wähler haben sie schon lange verloren, jetzt verschrecken sie mit individuellem Egoismus auch noch den letzten ihrer Unterstützer. Das Traurige daran ist, dass ihr Opportunismus dazu führen wird, dass die Demokratie großen Schaden nehmen wird. Alles noch viel schlimmer als vor 100 Jahren, nur das Ergebnis des Ego-Trips des Führungspersonals »Der Linken« wird nicht die Regierungsbeteiligung der philosophisch herum schwadronierenden sein, sondern auch ihr eigenes Verschwinden in der Bedeutungslosigkeit. Braucht es tatsächlich erst den Dritten Weltkrieg oder den Untergang der Menschheit durch die Klimakatastrophe, dass wir uns auf die Grundlagen einer sozialistischen Gesellschaft zurückbesinnen und anfangen, aus gemachten Fehlern zu lernen? Wann überwinden wir die Triebkräfte der kapitalistischen Gesellschaft, Egoismus und Gier? Ich will der Partei »Die Linke« keinen Egoismus unterstellen, aber ihre Gier nach Deutungshoheit und Aufmerksamkeit verschreckt die Wähler, die nicht über die nötige Bildung verfügen. Dass ihr politischer Gegner in Fragen der Massenpsychologie ihnen überlegen ist, wollen sie einfach nicht wahrhaben. Das Lesen von Wilhelm Reich könnte ihnen helfen, aber leider halten sie sich selbst für die Besitzer der absoluten Wahrheit. Nur ein Zurück hat es in der Geschichte noch nie gegeben, immer nur ein Vorwärts. Wann bewegt sich die einzige linke Kraft im deutschen Parlament auf die Menschen zu, die sie so gern vertreten würden? Im Dummschwätzen sind die Grünen einfach besser, man muss sich nur von seinen Idealen verabschieden. Die erste Regierungsbeteiligung der Grünen hat uns die soziale Ungerechtigkeit eingebracht, die zweite bringt uns die Kriegstreiberei und die Umweltzerstörung. Ist das der Traum der Linkenführung oder der demokratische Sozialismus?
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