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Aus: Ausgabe vom 12.05.2023, Seite 7 / Ausland

Gleiche Anteile, gleiche Rechte

Serie. Teil 11: China als Teil der BRICS-Staaten. Ein alternativer Weltmarkt entsteht
Von Jörg Kronauer
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Boomende Metropole: Die chinesische Hafenstadt Shanghai mit dem Gebäude der BRICS-Bank (20.6.2022)

Chinas Aufstieg verändert die Welt. Der Volksrepublik ist es nicht bloß gelungen, sich aus der Armut zu befreien. Ökonomisch erstarkt, ist sie längst zu einem Machtfaktor geworden, der die globale Dominanz des Westens in Frage stellt. Der reagiert, indem er China immer schärfer attackiert – per Wirtschaftskrieg und mit einem militärischen Aufmarsch, der einen dritten Weltkrieg befürchten lässt.

Jörg Kronauer beleuchtet in der zwölfteiligen jW-Serie anhand zentraler Aspekte die Konsequenzen, die sich aus dem Aufstieg der Volksrepublik für die internationalen Beziehungen ergeben. (jW)

Einen Gegenpol zum Westen bilden sie bereits, und jetzt könnten sie möglicherweise kräftig wachsen: die BRICS, ein Zusammenschluss Brasiliens, Russlands, Indiens, Chinas und Südafrikas, der jenseits der westlichen Welt nach eignem Wege sucht. Meldungen, dass den BRICS weitere Staaten beitreten wollen, machen schon länger die Runde. Ende April wurde von bis zu 19 Ländern berichtet, die mittlerweile Mitgliedschaft beantragt haben sollen, zum Teil informell, zum Teil bereits formell.

Die BRICS-Staaten, erstmals im Jahr 2009 zu einem Gipfeltreffen zusammengekommen, damals noch ohne Südafrika, eint vor allem eins: Sie sind aufstrebende Schwellenländer, die beim Versuch, in die erste Liga der Weltpolitik aufzusteigen, vom Westen nach Kräften ausgebremst werden. Ein Beispiel, wie das vor sich geht, hat man in Weltbank und IWF. Dort verfügen etwa China und Indien nicht auch bloß annähernd über die Stimmrechte, die ihrem wirtschaftlichen Gewicht entsprächen, obwohl vor allem China sich lange darum bemüht hat. Die westlichen Staaten, allen voran die USA, blockieren eine gerechtere Verteilung. Derlei Mauern zu überwinden, mit denen der Westen seine globale Dominanz abschottet, ist das Ziel der BRICS, trotz aller sonstigen Differenzen untereinander.

Da es ihnen bislang nicht gelingen kann, innerhalb der bestehenden globalen Finanzinstitutionen aufzusteigen, arbeiten die BRICS-Staaten an Alternativen. Im Juli 2014 beispielsweise unterzeichneten sie den Gründungsvertrag für die New Development Bank (NDB), die im Westen als Konkurrenz zu Weltbank und IWF eingestuft wird. Im Juli 2015 nahm die NDB an ihrem Sitz in Shanghais Finanzdistrikt Lujiazui die Arbeit auf. Erster Präsident war der indische Banker Kundapur Vaman Kamath; im Jahr 2020 folgte ihm ein brasilianischer Ökonom, der am 24. März 2023 von Brasiliens früherer Präsidentin Dilma Rousseff abgelöst wurde. Alle fünf Gründungsmitglieder haben gleiche Anteile und gleiche Stimmrechte. Inzwischen sind drei weitere Staaten – Bangladesch, Ägypten, Vereinigte Arabische Emirate – Mitglieder geworden, freilich mit geringeren Anteilen; mehr Staaten könnten folgen. In den fünf Jahren von 2017 bis 2021 hat die NDB Infrastruktur- und Klimaschutzprojekte im Wert von knapp 30 Milliarden US-Dollar finanziert; von 2022 bis 2026 wird sie das in gleicher Höhe tun.

Ein Knackpunkt bei den BRICS sind die traditionellen Spannungen zwischen China und Indien. Indien versteht sich seit je als großer asiatischer Rivale der Volksrepublik; der Streit um den Verlauf der indisch-chinesischen Grenze hoch oben im Himalaja, der zuletzt im Jahr 2020 zu tödlichen Scharmützeln geführt hatte, belastet die Beziehungen zusätzlich. New Delhi ist in seiner Rivalität zu Beijing immer wieder um Unterstützung aus Washington bemüht; die USA haben Indien dabei in ihren Quad-Pakt (Quadrilateral Security Dialogue) mit Japan und Australien integriert, ein gegen China gerichtetes Bündnis, das vor allem gemeinsame Kriegsübungen umfasst. Für China ist das bedrohlich. Die BRICS-Kooperation über alle Rivalität hinweg auszubauen ist eine notwendige Voraussetzung beim Etablieren globaler Strukturen jenseits des Westens.

Aktuell wird diskutiert, ob die BRICS in der Lage sein könnten, eine breit aufgestellte Alternative zum US-Dollar zu entwickeln. Die Sanktionsorgien des Westens, die sich gegen immer mehr Länder richten, zuletzt gegen Russland, haben wohl allen Staaten weltweit, die sich nicht prinzipiell als US-Verbündete begreifen, die wachsende Dringlichkeit vor Augen geführt, sich vom US-dominierten Finanzsystem unabhängig zu machen. Dabei nimmt, wie erwähnt, das Interesse an einer BRICS-Mitgliedschaft international zu. Unproblematisch ist die Erweiterungsdebatte nicht. Längst nicht alle Staaten, die Berichten zufolge gern beiträten, sind aufstrebende Schwellenländer. Eine Aufnahme aller Bewerber dürfte den Charakter der BRICS verändern. Hinzukommt – wie bei jedem Bündnis –, dass keines der aktuellen Mitglieder durch eine Erweiterung an Einfluss verlieren möchte. Wie zu hören ist, achtet insbesondere New Delhi penibel darauf, dass sich die inneren Kräfteverhältnisse in dem Zusammenschluss durch die Aufnahme neuer Mitglieder nicht zugunsten Beijings verschieben. Bei allen Problemen: Eine BRICS-Erweiterung böte wohl neue Chancen, dem Westen im Kampf gegen seine Dominanz geschlossen gegenüberzutreten.

Teil zehn: »Auf einer neuen Ebene«
Teil zwölf: »Die Weltkriegsperspektive«

der zwölfteiligen China-Serie von Jörg Kronauer

Lesen Sie am Wochenende Teil 12 und Schluss: Weltkriegsperspektive«

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In der Serie Auf dem langen Marsch. Chinas Aufstieg:

Chinas Aufstieg verändert die Welt. Der Volksrepublik ist es nicht bloß gelungen, sich aus der Armut zu befreien. Wirtschaftlich erstarkt, ist sie längst zu einem Machtfaktor geworden, der die globale Dominanz des Westens in Frage stellt. Der reagiert, indem er China immer schärfer attackiert – per Wirtschaftskrieg und mit einem militärischen Aufmarsch, der einen dritten Weltkrieg befürchten lässt.

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