»Kultur der Intoleranz«
Von Volker Hermsdorf
Nur vier Tage vor Auslaufen einer als »Title 42« bekannten US-Abschieberegelung hat ein 34jähriger Amokfahrer in der südtexanischen Stadt Brownsville am Sonntag acht venezolanische Migranten getötet und zehn weitere Personen verletzt, einige davon schwer. Während die Polizei zunächst von einem »schweren Unfall« ausging, berichteten Überlebende gegenüber der Agentur AFP, dass der Täter die Gruppe zuvor beschimpft habe. Örtlichen Medien zufolge haben mehrere Zeugen ausgesagt, der angebliche »Unfall« sei absichtlich herbeigeführt worden. Der als George Álvarez identifizierte, mehrfach vorbestrafte Fahrer habe geschrien, die Einwanderer würden »in die Vereinigten Staaten eindringen«.
Álvarez werde wegen fahrlässiger Tötung in acht und schwerer Körperverletzung in zehn Fällen angeklagt, kündigte der Polizeichef von Brownsville, Felix Sauceda, auf einer Pressekonferenz am Montag an. Caracas forderte die US-Behörden auf, »alle Fakten gründlich zu untersuchen und die Ursachen zu klären«. Das sei erforderlich, um jeglichen Zusammenhang mit »dem Hass und der Fremdenfeindlichkeit gegenüber dem venezolanischen Volk« auszuschließen, »die das Produkt einer Kultur der Gewalt und Intoleranz sind, die von extremistischen Sektoren der US-amerikanischen Politik und Gesellschaft gefördert wird«, heißt es in einer Erklärung des Außenministeriums vom Sonntag.
Auch das rechte venezolanische Oppositionsbündnis Plataforma Unitaria forderte von den US-Behörden »Gerechtigkeit«. Derweil machte der mittlerweile isolierte Oppositionspolitiker Juan Guaidó, der sich nach seiner kürzlich erfolgten Ausweisung aus Kolumbien in die USA abgesetzt hatte, bereits vor Abschluss der Ermittlungen Präsident Nicolás Maduro für »die Tragödie, die Venezolaner im Exil durchmachen«, verantwortlich, berichtete das Nachrichtenportal NTN 24. Der Vizepräsident der regierenden Vereinigten Sozialistischen Partei Venezuelas, Diosdado Cabello, wies derartige Äußerungen zurück und erklärte am Mittwoch, »Teile der schmutzigen venezolanischen Rechten« würden versuchen, aus dem Vorfall in Texas »politischen Nutzen zu ziehen«.
Unterdessen endete am Donnerstag die Geltungsdauer der Titel-42-Regelung. Die im März 2020 zu Beginn der Coronapandemie unter dem damaligen Präsidenten Donald Trump eingeführte Verordnung ermöglichte es den Grenzschutzbeamten, Einwanderer umgehend abzuschieben. Bisher hätten die Behörden »2,7millionenmal von dieser Regelung Gebrauch gemacht, um Migranten schnell aus den USA auszuweisen, ohne dass sie einen Asylantrag stellen können«, resümierte das Onlineportal Texas Tribune am Montag. Um sich »auf den Ansturm vorzubereiten«, der nun erwartet werde, habe »die Regierung Biden in der vergangenen Woche 1.500 zusätzliche Soldaten an die Grenze beordert«, hieß es weiter. Auch der republikanische Gouverneur von Texas, Greg Abbott, habe sich in seiner ersten Rede nach dem Vorfall von Brownsville auf die Grenzsicherheit konzentriert und angekündigt, dass er zusätzlich 450 Soldaten der Nationalgarde an die südliche Grenze entsenden werde, so das Portal.
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