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Aus: Ausgabe vom 09.05.2023, Seite 7 / Ausland

Unteilbares China

Serie. Teil 8: Taiwan. Westliche Spaltungsversuche provozieren Krieg
Von Jörg Kronauer
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Antichinesische Politik ist in Taiwan nicht beliebt: Protest gegen Treffen der US-Rüstungslobby in Taipeh (3.5.2023)

Chinas Aufstieg verändert die Welt. Der Volksrepublik ist es nicht bloß gelungen, sich aus der Armut zu befreien. Ökonomisch erstarkt, ist sie längst zu einem Machtfaktor geworden, der die globale Dominanz des Westens in Frage stellt. Der reagiert, indem er China immer schärfer attackiert – per Wirtschaftskrieg und mit einem militärischen Aufmarsch, der einen dritten Weltkrieg befürchten lässt.

Jörg Kronauer beleuchtet in der zwölfteiligen jW-Serie anhand zentraler Aspekte die Konsequenzen, die sich aus dem Aufstieg der Volksrepublik für die internationalen Beziehungen ergeben. (jW)

Kommt es zum Krieg um Taiwan? Kaum eine Woche vergeht, ohne dass diese Frage in Politik und Medien im Westen zumindest angeschnitten wird. Und es stimmt ja auch: Der Konflikt zwischen der Volksrepublik und dem Westen um die Insel spitzt sich gefährlich zu.

Taiwan gehört zu China, seit es gegen Ende des 17. Jahrhunderts unter der Qing-Dynastie offiziell in die chinesische Provinz Fujian eingegliedert wurde. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts schufen, ganz wie auch in anderen Landesteilen, die Kolonialmächte Probleme. In den 1860er Jahren beispielsweise liebäugelte Preußen mit dem Gedanken, auf Taiwan eine Kolonie zu errichten. Daraus wurde allerdings nichts. Im Jahr 1895 verwirklichte Japan Preußens gescheiterten Plan: Nach seinem Sieg im Ersten Japanisch-Chinesischen Krieg unterwarf es sich die Insel. 1945 musste Tokio, eine Folge seiner Niederlage im Zweiten Weltkrieg, seine Kolonialherrschaft über Taiwan beenden und es an China zurückgeben. Damit waren die Probleme allerdings nicht vorbei.

Denn es gelang der im chinesischen Bürgerkrieg unterlegenen Guomindang, sich auf Taiwan festzusetzen und die Insel der Kontrolle der Kommunistischen Partei zu entziehen, dies nicht zuletzt mit Unterstützung aus dem Westen. Auf Taiwan trat die Guomindang nun mit dem Anspruch auf, dort bestehe unter ihrer Herrschaft die Republik China fort, wenn auch vorläufig – man hoffte auf den Sturz der Volksrepublik – beschränkt auf das kleine Inselterritorium. Beijing hat dies nie anerkannt. International aber konnte Taipeh sich damit zunächst durchsetzen: Es hatte Chinas Sitz nicht nur bei den Vereinten Nationen, sondern sogar im UN-Sicherheitsrat inne. Dies änderte sich erst, als Beijing dank der Entkolonialisierung eine Mehrheit bei den Vereinten Nationen für sich mobilisieren konnte. Am 25. Oktober 1971 beschloss die UN-Generalversammlung insbesondere dank der Zustimmung vieler ehemaliger Kolonien in ihrer Resolution 2758, ab sofort nicht mehr Taiwan, sondern die Volksrepublik als die rechtmäßige Vertreterin Chinas zu betrachten. Taipeh musste alle seine Positionen bei der UNO räumen.

Die westlichen Staaten haben sich gefügt, zumal sie im Verlauf der 1970er Jahre ohnehin diplomatische Beziehungen zur Volksrepublik aufnahmen und dabei das »Ein-China-Prinzip« – wonach es nur einen rechtmäßigen Staat China gibt – zumindest faktisch anerkennen mussten. Offiziell halten sie daran bis heute fest. Allerdings haben sie vor knapp zwei Jahren begonnen, Taiwan systematisch aufzuwerten und damit das »Ein-China-Prinzip« faktisch in Frage zu stellen. Das ist keine Marginalie. Denn die Volksrepublik besteht unerbittlich – das ist eine Konsequenz aus der kolonialen Aufspaltung des Landes im 19. Jahrhundert – auf ihrer territorialen Integrität. Ironie der Geschichte: Ausgerechnet mit der Guomindang kann sie dabei Kompromisse schließen. Vor gut 30 Jahren etwa einigte sie sich mit ihr auf den »Konsens von 1992«: Beide Seiten halten am »Ein-China-Prinzip« fest, wobei sie natürlich unterschiedlicher Meinung sind, wer denn nun Chinas legitime Regierung sei. Der Grundkonsens aber dämpft den Konflikt.

Mit der Demokratischen Fortschrittspartei (DPP), die von 2000 bis 2008 und seit 2016 auf der Insel regiert, ist ein solcher Kompromiss nicht wirklich möglich: Die Partei setzt im Kern auf die formelle Abspaltung Taiwans. Das ist der Grund, weshalb der Nationale Volkskongress in Beijing am 14. März 2005 ein Antiabspaltungsgesetz verabschiedet hat: China bietet Taiwan bei einer Wiedervereinigung Autonomie an, behält sich aber im Fall einer offiziellen Sezession militärische Maßnahmen vor. Das macht das Zündeln des Westens mit der politischen Aufwertung Taiwans so gefährlich: Entschließt sich die DPP-Regierung in Taipeh, befeuert vom Westen, dazu, offiziell die Abspaltung zu erklären, dann steht womöglich wirklich ein Krieg bevor.

Für diesen Fall rüsten die USA die taiwanischen Streitkräfte auf, haben zuletzt sogar rund 200 Militärausbilder auf die Insel entsandt. Beijing hat seinerseits begonnen, auf besondere Provokationen des Westens mit Großmanövern zu reagieren: mit einer Demonstration dessen, was auf eine formelle Abspaltung der Insel zu folgen drohte. Dabei hat sich gezeigt, dass eine Blockade Taiwans aus Sicht Beijings wohl erfolgversprechender als eine Invasion wäre. Freilich kann daraus auch leicht eine bewaffnete Auseinandersetzung werden: Versuchten die USA, die Blockade gewaltsam zu durchbrechen, wäre dies wohl der Beginn eines großen Krieges.

Teil sieben: »Beijings Militärdoktrin«
Teil neun: »Die erste Inselkette und der Pazifik«

der zwölfteiligen China-Serie von Jörg Kronauer

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In der Serie Auf dem langen Marsch. Chinas Aufstieg:

Chinas Aufstieg verändert die Welt. Der Volksrepublik ist es nicht bloß gelungen, sich aus der Armut zu befreien. Wirtschaftlich erstarkt, ist sie längst zu einem Machtfaktor geworden, der die globale Dominanz des Westens in Frage stellt. Der reagiert, indem er China immer schärfer attackiert – per Wirtschaftskrieg und mit einem militärischen Aufmarsch, der einen dritten Weltkrieg befürchten lässt.

Dieser Artikel gehört zu folgenden Dossiers:

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