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Aus: Ausgabe vom 09.05.2023, Seite 2 / Inland
Tag der Befreiung

Polizeiaufmarsch zum 8. Mai

Berlin: 1.500 Polizisten an sowjetischen Ehrenmälern zum Tag der Befreiung
Von Arnold Schölzel
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Blumen zum Gedenken an die gefallenen Rotarmisten am Sowjetischen Ehrenmal (Berlin-Treptow, 8.5.2023)

Mit dem Aufmarsch von mehr als 1.500 Polizisten zur Besucherüberwachung an den Gedenkstätten der Roten Armee beging Berlin den 78. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus. Das Aufgebot dürfte wie 2022 bundes- und weltweit einmalig gewesen sein. Kurz vor 16 Uhr lautete die Bilanz der Polizei: störungsfrei. Die Berliner Zeitung berichtete um 12.45 Uhr im Internet vom Tiergarten-Monument: »Derzeit übersteigt das Polizeiaufgebot die Besucherzahlen des Ehrenmals um ein Vielfaches.« Dazu gab es weitere passende Meldungen: Auf dem Gelände eines sowjetischen Ehrenmals im brandenburgischen Lübbenau wurden am Wochenende zwölf Grabsteine umgestoßen. Aber die Brandenburger Polizei hat die russische Hauptgefahr im Blick. Eine Sprecherin teilte am Montag mit, die Rockergruppe »Nachtwölfe« sei mit etwa 50 Personen im Anmarsch und werde amtlich begleitet. Die Gruppe wurde am Montag in der Gedenkstätte Sachsenhausen nördlich von Berlin erwartet.

Das ideologische i-Tüpfelchen setzte am selben Tag Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen), die in einer Presseerklärung politischen Geschichtsumbau ankündigte: »Zehn Jahre nach der Eröffnung der Dauerausstellung im Museum Berlin-Karlshorst wird nun eine Überarbeitung angestoßen, um neueste Forschungsergebnisse sowie die aktuellen Entwicklungen einzubeziehen.« Zudem sollen der Trägerverein und der wissenschaftliche Beirat des Museums neu aufgestellt werden.

Auf einer Kundgebung des Bunds der Antifaschistinnen und Antifaschisten in Berlin rief Gregor Gysi (Die Linke) am Montag dazu auf, den 8. Mai zum Feiertag zu machen. Er erklärte, Wladimir Putin hätte seine »Sicherheitsinteressen« anders verteidigen müssen, und kritisierte zugleich die westlichen Sanktionen gegen Russland als »falsch«: »Warum verarmen wir die russische Bevölkerung, die diesen Krieg nicht beschlossen hat.« Der einzige Weg zum Frieden seien Abrüstung und »Interessenausgleich«. Gysi bedankte sich bei den Befreiern sowie den Widerstandskämpfern in Deutschland und allen besetzten Ländern.

Vertreter der Bundesregierung tauchten wie üblich zum Gedenken an diesem Tag nicht auf. In Berlin legten der ukrainische Botschafter Olexij Makejew und der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) an der Gedenkstätte »Neue Wache« Unter den Linden Kränze nieder. In Frankreich, wo der 8. Mai gesetzlicher Feiertag ist, nahm Staatspräsident Emmanuel Macron in Paris einen Truppenvorbeimarsch ab und besuchte am Nachmittag in Lyon das frühere Gestapogefängnis, in dem der Résistance-Kämpfer Jean Moulin 1943 zu Tode gefoltert worden war. In Kiew kündigte Präsident Wolodimir Selenskij an, in der Ukraine werde zukünftig wie in der »freien Welt« nur der 8. Mai als Gedenktag begangen, nicht der Folgetag wie in Russland. Dessen Niederlage werde so wie die Deutschlands 1945 ausfallen: »All das alte Übel, welches das moderne Russland zurückbringt, wird genauso zerschlagen werden, wie der Nationalsozialismus zerschlagen wurde.«

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  • Leserbrief von JochenTheWhochen (9. Mai 2023 um 16:47 Uhr)
    Auf dem Bild sind Tulpen.
    • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (10. Mai 2023 um 10:53 Uhr)
      Ihre Bemerkung ist ein Argument, das ohne Wenn und Aber überzeugt!
  • Leserbrief von Matthias Apitz (9. Mai 2023 um 11:55 Uhr)
    Ich bin Jahrgang 55 und meine Heimat war bis 1989 die DDR. Ich bin verbittert und erzürnt darüber, dass ich in einem Land angekommen bin, in dem am Tag der Befreiung vom Faschismus die Fahnen der Befreier an den Mahnmalen verboten werden. Kann ich bitte meine DDR wiederhaben!
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in Torsten Andreas S. aus Berlin (9. Mai 2023 um 12:43 Uhr)
      Mauer drum, Deckel drauf, Schild dran: DDR 2.0 – meinen Sie, das geht gut?
      • Leserbrief von Matthias Apitz aus Taufkirchen bei München (9. Mai 2023 um 14:20 Uhr)
        Ja, mit den Erfahrungen, die wir früheren DDR-Bürger seit 1989 sammeln durften, wird ein zweiter Anlauf besser ausgehen. Und: Solange die Mauer stand, war Frieden in Europa.
        • Leserbrief von Onlineabonnent/in Oliver S. (10. Mai 2023 um 14:45 Uhr)
          Bin dabei!
  • Leserbrief von Holger K. aus Frankfurt (8. Mai 2023 um 22:11 Uhr)
    Was ist doch dieser Selenskij nur für ein Schaumschläger, ein Schwätzer der nicht mehr zu toppen ist. Was will denn die Ukraine militärisch ausrichten, wenn Russland seine Mobilmachung ausmacht, ggf. gar das Kriegsrecht verkünden sollte. In einem solchen Fall wäre es doch rasch mit dem Kiewer Regime zu Ende. Dieses kann froh sein, dass Moskau nur mit einer relativ geringen Anzahl an Soldaten in der Ukraine kämpft. Ob das so bleiben wird, ist z.Z. nicht absehbar. Bleibt die Truppenstärke so wie jetzt, wird dieser fürchterliche Krieg sich noch lange hinziehen, dabei viele Menschenleben auf beiden Seiten kosten. Die so wichtigen Friedensverhandlungen sind ja wohl nicht zu erwarten, dazu ist die NATO und der ukrainische Staat einfach nicht gewillt. Sollte dieser aber auf dem Schlachtfeld eine saftige Niederlage erleiden, dann dürften die Karten wieder anders gemischt sein, Friedensverhandlungen zumindest vorstellbar.
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in Torsten Andreas S. aus Berlin (9. Mai 2023 um 13:23 Uhr)
      Am 8. August 2008 begannen die Olympischen Sommerspiele in der VR China. Der Beschuss Südossetiens durch georgische Truppen war wahrscheinlich nicht mit der Regierung in Beijing abgesprochen, aber ging so gut wie unter – außer bei den Opfern. Die Antwort der Regierenden der Russländischen Föderation ließ nicht auf sich warten. Doch Georgien wurde nicht erobert oder gar besetzt. Das wird auch in der Ukraine nicht geplant, erst recht nicht durchführbar sein. Meiner Meinung nach gibt es weder eine saftige Niederlage noch einen triumphalen Sieg. Nur Verhandlungen führen zum Ende des Konflikts, und die laufen auf Anerkennung und Autonomie der Minderheiten hinaus, denn die wurden nicht zugestanden. – In der BRD gibt es vier anerkannte Minderheiten: Sorben, Roma und Sinti, Friesen und Dänen (mit Herrn Habecks Familie mittendrin). Und selbstverständlich wird in Kindergärten und Schulen in deren Muttersprachen gesprochen und auch unterrichtet (wohl außer bei den Sinti und Roma?). Herr Selenski soll ja sein Ukrainisch auch erst zur Kandidatur auf Niveau gebracht haben, leidet also nicht an Polyglossie. Er könnte wohl verstehen, dass man einer Minderheit von zehn Millionen Russischsprachigen entgegenkommt. In unserem Land geht es nicht um Millionen, sondern um ca. 60.000 Personen je Minderheit – anerkannter Minderheit! Davon kann Herr Habeck Herrn Scholz und Frau A. Baerbock vielleicht einiges berichten. Und Herr Lauterbach sollte eingeladen sein und sich ermuntern lassen, höchstselbst mit den Aggressoren zu verhandeln. In Vietnam wurde auf diese Weise ein fürchterlicher Krieg beendet, für den Verhandlungsführer der Aggressoren – Heinz Kissinger aus Fürth – gab es sogar den Friedensnobelpreis obendrauf. Und er hat ihn angenommen! Der Vertreter der nordvietnamesischen Seite hat abgelehnt.

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