Brasiliens Goldproblem
Von Norbert Suchanek, Rio de Janeiro
Während einer am vergangenen Sonntag gemeinsam mit Beamten der brasilianischen Umweltschutzbehörde (Ibama) durchgeführten Vertreibungsaktion haben Sicherheitskräfte vier Goldschürfer getötet. Laut Ibama soll wenigstens eines der Opfer Mitglied einer kriminellen Vereinigung gewesen sein. Tags zuvor hatte laut Angaben der Hutukara-Yanomami-Vereinigung (HAY) eine Gruppe Goldschürfer von Booten aus die Yanomami der Uxiu-Gemeinde während eines Bestattungsrituals am Mucajaí-Fluss angegriffen und dabei einen Indigenen erschossen und zwei verletzt.
Nun entdeckte die Polizei die Leichen von acht vermutlichen Goldschürfern im Mucajaí-Fluss. Die Behörden glauben, dass sie von Yanomami des Uxiu-Dorfes als Vergeltungsaktion für den Angriff auf die Trauerfeier getötet wurden. Um eine weitere Eskalation zu verhindern, entsandte die Regierung deshalb jetzt eine Elitetruppe der Bundespolizei in das Gebiet.
Angaben der Regierung in Brasília zufolge seien die Polizeiaktionen im Yanomami-Reservat bisher erfolgreich verlaufen. So hätten bereits etwa 70 bis 80 Prozent der Goldschürfer das Indigenenschutzgebiet verlassen. Insgesamt wurden laut Ibama von den Sicherheitskräften bis heute 327 Camps, 18 Flugzeuge, zwei Hubschrauber und Dutzende von Flößen, Booten und Traktoren der Goldgräber zerstört oder in Brand gesetzt.
Auf den ersten Blick erfolgreicher als die Regierung von Lula da Silva waren 1992 Brasiliens Staatspräsident Fernando Collor de Mello und sein Umweltstaatssekretär José Lutzenberger. Das Yanomami-Reservat litt damals unter einer Invasion von mehr als 40.000 illegalen Goldschürfern, was weltweit Schlagzeilen machte. Per Kampfflugzeug und Hubschrauber bombardierten Luftstreitkräfte die Landepisten der Goldsuchercamps, woraufhin die Invasoren das Weite suchten. Ein Großteil der Goldgräber flüchtete damals in das benachbarte Territorium der Yanomami in Venezuela, der Rest in die brasilianischen Städte außerhalb des Reservats. Doch es war nur ein Pyrrhussieg. Wenige Zeit nach der Umweltkonferenz kehrten Tausende wieder in das Reservat zurück und gingen ihrer üblichen Beschäftigung nach: Abholzung und Goldsuche.
Die Goldschürfer, in Brasilien Garimpeiros genannt, sind nicht nur für Morde und Vergewaltigungen an den Yanomami und anderen indigenen Völkern in Amazonien verantwortlich. Sie schleppen auch Infektions- sowie sexuell übertragbare Krankheiten wie Malaria, Syphilis und AIDS in die Indigenenschutzgebiete. Darüber hinaus hinterlassen sie auf der Suche nach dem Edelmetall regelrechte, mit Quecksilber vergiftete Mondlandschaften. Das flüssige, silbrig glänzende Schwermetall setzen die illegalen wie auch die legalen Goldgräber in Brasilien ein, um den feinen Goldstaub vom Schlamm abzutrennen. In ganz Amazonien sind bereits mehrere Flüsse stark mit Quecksilber belastet, das sich in der Nahrungskette, insbesondere in Fischen anreichert und zu Gesundheitsschäden führt.
Eine auch aus Umweltschutzgründen schon seit Jahrzehnten notwendige Maßnahme, um die Goldgräberei im Regenwald zu verhindern, wäre deshalb ein Verbot des Einsatzes von Quecksilber in der Goldgewinnung sowie eine strenge Regulierung des Verkaufs von Quecksilber. Doch dies hat bisher noch keine Regierung in Brasília veranlasst.
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