»Der Konzern zahlt Aktionären Blutdividende«
Interview: Gitta Düperthal
Die Firmenspitze des Rüstungskonzerns Rheinmetall tritt am Dienstag zur Hauptversammlung der Eigentümer auf die virtuelle Bühne. Ihr Bündnis »Rheinmetall entwaffnen« will dagegen protestieren und spricht davon, dass 2022 »ein gutes Jahr für die Manager des Todes war«. Hat sich die Haltung des Bündnisses seit dem Ukraine-Krieg verändert?
Wir beobachten seither starke gesellschaftliche Veränderungen. Uns beschäftigt etwa die Rolle von Deserteuren, die sich der Kriegslogik entgegenstellen und den Dienst an der Waffe verweigern. Wenn sie flüchten wollen, werden Grenzen geschlossen. Studierende oder Arbeitskräfte aus Drittstaaten, die zwar in der Ukraine Bleiberecht hatten, aber keinen Pass besitzen, sind nach ihrer Flucht in Deutschland schlechter gestellt. Zudem nimmt die Ausbeutung in der Carearbeit, im Gesundheitssektor, in der Erntearbeit, auf dem Bau, in der Fleischindustrie und anderen Bereichen zu. Seit Jahresbeginn vernetzen wir uns international mit der Gruppe »Permanent Assembly Against the War« (Ständige Versammlung gegen den Krieg, jW), denn Widerstand gegen Krieg und Aufrüstung muss internationalistisch sein.
Am Dienstag starten Sie eine Demo in Berlin und Aktionen in Düsseldorf, dem Hauptsitz der Rheinmetall-Aktiengesellschaft. Mit welchem Ziel?
Wie jedes Jahr wird an diesem Tag die Höhe der Profite aus Krieg und Leid verkündet. Der Konzern zahlt die Blutdividende an seine Aktionärinnen und Aktionäre aus, die er aus der Produktion von Waffen, Munition und Kriegsgerät bezieht. Wir stellen uns der deutschen Kriegstreiberei und denen, die mit dem Töten und Sterben Profite machen wollen, entschlossen und voller Wut auf der Straße entgegen.
Was sagen Sie denen, die fordern, gegen einen Angriffskrieg müssten Waffen geliefert werden?
Wir stellen die Gegenfrage: Wie viel Kriegsgerät brauchen NATO und Co. denn noch? Von den 100 Milliarden Euro Sondervermögen aus Steuergeld dafür in Deutschland profitieren nur die herrschenden Klassen, die Zivilbevölkerung leidet.
Ist es für das Bündnis schwieriger zu mobilisieren, seit Kanzler Olaf Scholz die sogenannte Zeitenwende ausrief?
Antimilitaristische Positionen sind gesellschaftlich weiterhin maßgeblich vorhanden; finden aber medial kaum Gehör, was mit der aggressiven Propaganda der Kriegsprofiteure zusammenhängt. Momentan sind wir noch im linken Spektrum verhaftet, wollen aber unsere Standpunkte verstärkt in gesellschaftliche Debatten einbringen. Die Bundesregierung nutzt die allgemeine Fassungslosigkeit über den Angriff auf die Ukraine, um Militarisierung voranzutreiben, und überschreitet vermeintliche rote Linien schnell. Sie ist mit der Rüstungslobby eng vernetzt, kooperiert mit dem Diktator Erdogan, dem saudiarabischen Regime – und behauptet zugleich, Menschenrechte seien unverhandelbar. Marie-Agnes Strack-Zimmermann von der FDP ist Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Bundestages und zugleich Präsidiumsmitglied des Lobbyverbandes der Rüstungsindustrie »Förderkreis Deutsches Heer«. All diese Doppelmoral ist unerträglich.
Warum wollen Sie auch vor die Grünen-Zentrale in Berlin ziehen?
Die Partei, die sich einst als Friedenspartei verstand, befeuert Kriege, statt ernsthaft nach Alternativen für beide Seiten zu suchen. Waffenlieferungen können ihr gar nicht schnell genug gehen. Für uns ist klar, dass wir von den fest im kapitalistischen System verankerten Regierungsparteien nichts zu erwarten haben.
Was halten Sie von Annalena Baerbocks »feministischer Außenpolitik«?
»Rheinmetall entwaffnen« ist feministisch ausgerichtet. Deshalb brechen wir mit ihrer Außenpolitik, die sich nur so bezeichnet. Ihre Politik wird die Lage der Klasse der Arbeiterinnen und Arbeiter als auch aller Menschen, die sich an diese von Kapitalinteressen geleitete Politik nicht anpassen wollen, nur verschlimmern.
Til Corralis ist Aktivist und Sprecher von »Rheinmetall entwaffnen«
Antimilitaristische Demonstration »Rheinmetall entwaffnen – Kriegstreiberei von Grünen & Co. stoppen« gegen die Online-Aktionärsversammlung von Rheinmetall: Dienstag, 9. Mai, 17 Uhr, Parteizentrale Bündnis 90/Die Grünen, Platz vor dem neuen Tor 1, BerlinOnlineaktionsabo
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