Gewerkschaften geben auf
Von Dieter Reinisch
Vor den Kommunalwahlen an diesem Donnerstag hatte die konservative Regierung in Großbritannien Grund zum Feiern: Gesundheitsminister Steve Barclay konnte eine Einigung im Lohnkampf der Beschäftigten des Gesundheitssystems NHS vermelden. Die meisten Gewerkschaften stimmten dem Angebot von gerade einmal fünf Prozent Lohnplus zu. Die große Pflegegewerkschaft RCN, die kämpferische Unite und die Ärzte wollen aber weiterkämpfen. Die Taktik der Regierung, die Gewerkschaften zu spalten, hat allerdings den Wind aus der Streikwelle genommen.
Im April hatten die Mitglieder der Gewerkschaften im staatlichen Gesundheitsdienst (NHS) wie GMB und Unison bereits knapp für das Angebot der Regierung gestimmt. Die Mitglieder der mächtigen RCN und der Unite stimmten dagegen. Bei den Verhandlungen mit Vertretern von 14 NHS-Gewerkschaften am Dienstag preschte die Regierung daher vor. Bei einer Abstimmung über das Regierungsangebot wurden die Stimmen nach Mitgliederzahlen gewichtet. Die Mehrheit stimmte für die Offerte.
Mehr als eine Million NHS-Angestellte sollen nun nach monatelangen Streiks für Reallohnerhöhungen mit einer Steigerung von fünf Prozent und einer Einmalzahlung von knapp über 1.600 Pfund abgespeist werden. Laut Berechnungen sank der Reallohn im NHS während der Coronajahre um 25 Prozent.
Die Unison-Sprecherin für das NHS, Sara Gorton, zeigte sich wie Gesundheitsminister Barclay erfreut: »NHS-Angestellte werden jetzt die Lohnerhöhung erwarten, für die sie gestimmt haben.« Denn wann sie kommen wird, ist noch unklar: »Wir hoffen, dass die Einmalzahlung und die Gehaltserhöhung im Juni da sind.«
Nicht zufrieden sind RCN und Unite, die gemeinsam eine halbe Million NHS-Mitglieder vertreten. RCN-Vorsitzende Pat Cullen betonte, die Einigung »ist nicht im Interesse des Pflegepersonals«. Ihre Gewerkschaft befinde sich »weiterhin im Kampf gegen die Regierung«. Doch derzeit hat nur Unite ein bestehendes Streikmandat, das in Großbritannien obligatorisch ist. RCN lässt im Mai ihre Mitglieder über ein neues sechsmonatiges Mandat abstimmen.
Der Economist bezeichnete die Streikwelle, die letzten Herbst begann, als die größte und folgenschwerste in der NHS-Geschichte. Die Einigung ist ein schwerer Schlag für alle Branchen. Die Regierung wird mit ähnlichen Methoden auch andere Gewerkschaften zu spalten versuchen.
In mehreren NHS-Bereichen werden die Arbeitskämpfe weitergehen. Die Ambulanzfahrer von Unite und die Ärzte haben für Mitte Mai neue Arbeitsniederlegungen angekündigt. Sie wollen sich nicht mit Kürzungen des Reallohns zufriedengeben. Ihr Kampf wird nun ungleich schwerer.
Onlineaktionsabo
Das Onlineaktionsabo der Tageszeitung junge Welt bietet alle Vorteile der gedruckten Ausgabe zum unschlagbaren Preis von 18 Euro für drei Monate. Das Abo endet automatisch, muss also nicht abbestellt werden. Jetzt Abo abschließen und gleich loslesen!
Ähnliche:
- Hesther Ng/IMAGO/ZUMA Wire03.05.2023
Rechnung ohne Basis
- Henry Nicholls/REUTERS29.04.2023
Neuer Angriff
- IMAGO/ZUMA Wire27.04.2023
Britische Gerichte sollen Streiks stoppen
Regio:
Mehr aus: Kapital & Arbeit
-
Pipelines mit Lecks
vom 04.05.2023