Gegner zu Partnern
Von Karin Leukefeld, Damaskus
Nach zwölf Jahren wird Syrien in die Arabische Liga zurückkehren. Das beschlossen die Außenminister der 22 Mitgliedstaaten des Bündnisses am Sonntag in Kairo. Die Mitgliedschaft Syriens war 2011 auf Eis gelegt worden, als Proteste in einen bewaffneten Konflikt und Stellvertreterkrieg zwischen regionalen und internationalen Akteuren auf syrischem Territorium umgeschlagen waren. Nun wird Damaskus wieder in die »arabische Gemeinschaft« aufgenommen, und das ist eine gute Nachricht.
Seit 2017 versuchen arabische Staaten, die Beziehungen mit dem Land zu normalisieren. Der syrische Präsident Assad hatte mit Unterstützung der Verbündeten Russland und Iran sowie der libanesischen Hisbollah seine Position stabilisiert. Libanon, Jordanien, Irak und nacheinander arabische Golfstaaten nahmen ihre Beziehungen wieder auf oder suchten nach Wegen, die Rückkehr syrischer Flüchtlinge zu ermöglichen und Handelsbeziehungen zu etablieren. Viele Menschen hätten Arbeit gefunden, Häuser hätten repariert werden und Vertriebene zurückkehren können. Doch die Annäherung kam nicht voran, weil EU und USA sich weigerten, im Rahmen der UNO ein Rückkehrprogramm zu finanzieren. Statt dessen legten sie einen eisernen Ring von »einseitigen wirtschaftlichen Strafmaßnahmen« (Sanktionen) um Syrien, der auch Staaten und Unternehmen bedrohte, die ihre wirtschaftlichen und politischen Beziehungen mit Syrien wiederaufnehmen wollten. Die heutige stellvertretende Verteidigungsministerin für den Nahen Osten im US-Pentagon, Dana Stroul – damals noch beim neokonservativen Washington Institute for Near East Policy –, gab die Richtung vor, und die EU folgte: Die USA »hätten« die wichtigsten Ressourcen in einem Drittel des Landes (Nordosten), »der Rest von Syrien liegt in Trümmern«. Assad müsse isoliert werden, Wirtschaftssanktionen aufrechterhalten. In Kooperation mit der EU habe man die internationalen Finanzinstitutionen in der Hand und könne verhindern, dass Wiederaufbauhilfe und technische Expertise nach Syrien gelangten. Die EU – ganz vorneweg Deutschland – machte alles mit.
Die Folgen des Erdbebens vom 6. Februar 2023 im türkisch-syrischen Grenzgebiet wirkten schließlich wie ein Dammbruch. Der Hilfe aus den arabischen Staaten folgten Treffen von Diplomaten und Außenministern. Anfang März vermittelte China die Annäherung zwischen Saudi-Arabien und Iran, die ihre diplomatischen Beziehungen wiederherstellten. Aus Gegnern werden Partner.
Die USA und die EU haben alles Vertrauen in der Region verspielt. Die ungebrochene Unterstützung Israels, der Druck auf souveräne Staaten, die einseitige westliche Sanktionspolitik, Bevormundung und Arroganz – es reicht. Mit Russland und China gibt es Großmächte, die politische, militärische und Handelsbeziehungen auf Augenhöhe bieten und die nationalen Interessen und Souveränität anderer respektieren. Der Wind hat sich gedreht.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Gabriel T. aus Berlin (8. Mai 2023 um 08:57 Uhr)Na, wir werden sehen, was dem »Wertewesten« nach der Wahl in der Türkei dazu noch einfällt, er wird seine Präsenz in der Region nicht gewaltlos aufgeben.
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Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (7. Mai 2023 um 21:49 Uhr)Der Wind scheint im Nahen Osten zu drehen. Ob der Wind sich tatsächlich gedreht hat, wie es Frau Leukefeld behauptet, bezweifle ich stark. Fakt ist, der Westwind aus Washington weht zurzeit nicht, aber wer kennt sich schon beim Wind aus. Die Araber unter sich sähen einen erfreulichen, frischen »Frühlingswind«, aber der könnte in einem Sturm enden. Ich wäre nicht ganz überrascht, wenn die Araber sogar in Kürze einen scharfen »Westwind« ins Gesicht geblasen bekommen werden.
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