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Aus: Ausgabe vom 04.05.2023, Seite 7 / Ausland

Größter Handelspartner des Kontinents

Serie. Teil 4: China in Afrika
Von Jörg Kronauer
CHINA-AFRICA-LENDING.JPG
Eines von vielen staatlich-privaten Bauprojekten auf dem afrikanischen Kontinent: Der Nairobi Expressway (20.10.2021)

Chinas Aufstieg verändert die Welt. Der Volksrepublik ist es nicht bloß gelungen, sich aus der Armut zu befreien. Sie ist längst zu einem Machtfaktor geworden, der die globale Dominanz des Westens in Frage stellt.

Jörg Kronauer beleuchtet in der zwölfteiligen jW-Serie anhand zentraler Aspekte die Konsequenzen, die sich aus dem Aufstieg der Volksrepublik für die internationalen Beziehungen ergeben. (jW)

Das Video ging viral. Norbert Lammert, Exbundestagspräsident, jetzt Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung (CDU), sitzt gemütlich im Sessel zurückgelehnt, ihm gegenüber Hage Geingob, der Präsident Namibias. Es gebe ein Problem, doziert Lammert: Immer mehr Chinesen kommen nach Namibia. Mittlerweile sei die chinesische Community doch tatsächlich viermal so groß wie die deutsche und … – »Was ist Ihr Problem?« unterbricht ihn Geingob. »Wir erlauben Deutschen, ohne Visum zu uns zu kommen, während unsere Leute in Deutschland drangsaliert werden. China behandelt uns nicht so.« Und überhaupt: »Jedesmal, wenn jemand aus dem Westen hierherkommt, geht es um Chinesen.« Was solle das? Offenbar würden »Afrikaner für Kinder« gehalten, die nicht wüssten, wie man mit mächtigen Staaten umzugehen habe. »Ich bin nicht eure Marionette!« schimpft Geingob: »Wir wissen selbst, wie wir mit unserem Land umzugehen haben.« Die Chinesen, über die Lammert sich so empört beklage, brächten Investitionen – und das sei gut.

Dass China in den Ländern Afrikas weithin ein beliebter Kooperationspartner ist, hat seinen Grund. Die Volksrepublik hatte bereits kurz nach ihrer Gründung begonnen, afrikanische Befreiungsbewegungen, die gegen ihre europäischen Kolonialherren kämpften, tatkräftig zu unterstützen; das ist unvergessen. In den 1960er Jahren hat sie, selbst noch dabei, ökonomisch auf die Beine zu kommen, erste Entwicklungsprojekte in den soeben unabhängig gewordenen Staaten des Kontinents auf den Weg gebracht. Das beschleunigte Wachstum ihrer Wirtschaft, das mit der Reform- und Öffnungspolitik ab 1978 einsetzte, hat die Verhältnisse geändert: China beschaffte nun einen guten Teil der Rohstoffe, die seine boomende Industrie in rauhen Mengen verschlang, auf dem afrikanischen Kontinent. In den 1990er Jahren explodierte der chinesisch-afrikanische Handel deshalb, 2008 überschritt das Volumen in US-Dollar die 100-Milliarden-Schwelle, seit 2009 ist die Volksrepublik der größte Handelspartner des gesamten Kontinents.

Ab der Jahrtausendwende sind chinesische Unternehmen zudem mit Investitionen auf dem afrikanischen Kontinent präsent. Zunächst flossen die Gelder in die Rohstofförderung, dann schon bald auch in den Bau von Infrastruktur; Straßen, Schienen, Häfen – es stimmt: China braucht sie, um Afrikas Bodenschätze, die es für seine Industrie benötigte, abtransportieren zu können. Es stimmt aber auch: Infrastruktur kommt letzten Endes allen zugute – auch der einheimischen Wirtschaft, auch der Bevölkerung. Der nächste Schritt war, dass Firmen aus China begannen, nicht mehr nur in Rohstoffe und in Infra­struktur zu investieren, sondern auch in Fabriken. Recherchen der Beratungsfirma McKinsey ergaben im vergangenen Jahr, dass mittlerweile ein Drittel aller chinesischen Firmen in Afrika im verarbeitenden Gewerbe tätig ist und rund zwölf Prozent des Ausstoßes der afrikanischen Industrie produziert. Wird der Kontinent unter chinesischem Einfluss nun also vom Rohstofflieferanten zum Niedriglohnstandort? Zunächst: ja. Nur: So mancher auf dem Kontinent verbindet damit die Hoffnung auf eine beginnende Industrialisierung, auf den Aufstieg; schließlich startete auch die Volksrepublik einst als Niedriglohnstandort mit Hilfe auswärtiger Investitionen in den rasanten industriellen Boom.

Geht der Plan auf? Nun, man wird sehen. Erfolgsgarantien gibt es nicht – und schon lange zeigen sich durchaus auch Probleme. Schwierigkeiten bringen gelegentlich etwa chinesische Kredite mit sich, dann nämlich, wenn sie nicht rechtzeitig zurückgezahlt werden können; und auch wenn die Volksrepublik Knebelpraktiken vermeidet, wie man sie etwa vom IWF kennt, und sich statt dessen regelmäßig um Lösungen bemüht, die für die Schuldner gangbar sind: Erfreulich sind Schuldenprobleme nie. Von einer »Schuldenfalle« freilich, in die China fremde Länder leichtfertig, ja sogar absichtlich treibe – ein im Westen populärer Vorwurf –, kann keine Rede sein. Alles in allem kommt Chinas Präsenz in Afrika gut an – so gut, dass laut dem Meinungsforschungsinstitut Afrobarometer 63 Prozent aller Afrikaner der Ansicht sind, die Volksrepublik übe einen positiven Einfluss auf ihr Land aus. Das ist der Spitzenwert. Die USA folgen auf Platz zwei (60 Prozent), frühere Kolonialmächte Europas kommen mit rund 46 Prozent deutlich schlechter weg. Anmaßendes Auftreten ihrer Vertreter – siehe Lammert – trägt dazu bei.

Teil drei: »Die Neue Seidenstraße«
Teil fünf: »China in Lateinamerika«

der zwölfteiligen China-Serie von Jörg Kronauer

Lesen Sie am Freitag Teil 5 (von 12): China in Südamerika

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  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (5. Mai 2023 um 15:19 Uhr)
    Zitat: »Chinas Aufstieg verändert die Welt. Der Volksrepublik ist es nicht bloß gelungen, sich aus der Armut zu befreien. Sie ist längst zu einem Machtfaktor geworden, der die globale Dominanz des Westens in Frage stellt.« Ohne Zweifel ist China ein Machtfaktor geworden und schmälert die westliche Dominanz in der Welt. Wirtschafts- und Handelsmacht sind aber eine Sache, Machtstrategie ist eine andere. In der Machtstrategie ist die wichtigste Komponente, dass das Land komplett Selbstversorger sein kann. Nur zwei Länder besitzen diese »Gabe«: die USA und Russland. Sie sind in der Lage in jeder Hinsicht sich zu behaupten. Dagegen können sich weder China noch Indien, geschweige die EU auf sich selbst verlassen und sich behaupten. Das ist der wesentliche Unterschied und spielt zukünftig eine große Rolle, weil zurzeit in der heutigen Welt die Sicherheitspolitik »mehr Wert« ist als die Handelspolitik. Dabei können sich die Landesstrategien schon kurzfristig ändern. Zur Erinnerung: Die Angelsachsen finanzierten Hitler, übergeben ihm die Tschechische Goldreserven 1938. Dann Kriegserklärung 1939 gegen Deutschland. 1940 gibt es einen Stalin-Hitler Pakt. 1941 überfallen die Deutschen die Sowjetunion. Die Sowjetunion und der Westen waren Partner, führte am Ende aber doch noch zum Kalten Krieg (usw.)! Das nennt man Strategie. Was ist mit China, wenn sich die USA und Russland einigen können. Was ist, wenn im Mittleren Osten ein Krieg entfacht wird? Was ist mit Indien, Afrika und Südamerika? Die ständen da wie Kuh vor neuem Tore!

In der Serie Auf dem langen Marsch. Chinas Aufstieg:

Chinas Aufstieg verändert die Welt. Der Volksrepublik ist es nicht bloß gelungen, sich aus der Armut zu befreien. Wirtschaftlich erstarkt, ist sie längst zu einem Machtfaktor geworden, der die globale Dominanz des Westens in Frage stellt. Der reagiert, indem er China immer schärfer attackiert – per Wirtschaftskrieg und mit einem militärischen Aufmarsch, der einen dritten Weltkrieg befürchten lässt.

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