Petro geht in die vollen
Von Frederic Schnatterer
Der Schritt ist drastisch. Am Mittwoch hat Kolumbiens linker Präsident Gustavo Petro gleich sieben Minister ausgetauscht. Via Twitter teilte Petro mit, dass mit dem neuen Kabinett »der Weg des Wandels« fortgesetzt werden solle, »für den Millionen Kolumbianer gestimmt haben«. Die neue Regierung werde nun die Anstrengungen für »unsere Agenda des sozialen Wandels im Dienste der großen Mehrheit der Bürger und Völker Kolumbiens verdoppeln«.
Ins Auge fallen die Abgänge von Finanzminister José Antonio Ocampo, Innenminister Alfonso Prada und Gesundheitsministerin Carolina Corcho. Auch die Ministerin für Landwirtschaft, Cecilia López, Wissenschaftsminister Arturo Luna, Informations- und Kommunikationsministerin Sandra Urrutia sowie Verkehrsminister Guillermo Reyes mussten ihren Hut nehmen. Während Politiker wie Prada dem gemäßigt rechten Expräsidenten Juan Manuel Santos nahestehen, gelten die Neuernannten als Verbündete Petros. So diente der neue Finanzminister Ricardo Bonilla unter dem heutigen Staatschef zu dessen Zeit als Bürgermeister der Hauptstadt Bogotá (2012–2015), ebenso der neue Gesundheitsminister Guillermo Jaramillo sowie Transportminister William Camargo.
Am Dienstag abend hatte Petro bei einer Veranstaltung vor Kleinbauern in Zarzal im Departamento Valle del Cauca sein gesamtes Kabinett zum Rücktritt aufgefordert – ein Schritt, der als Flucht nach vorn interpretiert werden kann. In seiner Rede forderte er eine »Notstandsregierung«, deren Mitglieder »Tag und Nacht arbeiten, deren Herz für die Armen schlägt und nicht nur für ein Gehalt und Provisionen, und die in der Lage sind, die enormen Herausforderungen zu bewältigen, die in den ländlichen Gebieten an uns gestellt werden«. Auch die inoffizielle Koalition mit mehreren Parteien, die der Rechten und dem Zentrum zugeordnet werden, kündigte er auf. In seiner Rede warf er diesen vor, den Wählerwillen in den Schmutz zu ziehen. Noch gebe es eine Chance, die »sozialen Reformen des Wandels« durchzusetzen. Dafür notwendig seien jedoch »Entschlossenheit und Mut von seiten der Regierung und eine Bauernbewegung, die sich in Würde erhebt«.
Zuvor war bekanntgeworden, dass mehrere Parteien, die mit Petro zusammengearbeitet hatten, gegen dessen Gesundheitsreform stimmen wollten. So habe César Gaviria, Vorsitzender der Liberalen Partei, seinen Abgeordneten gar damit gedroht, sie zu bestrafen, sollten sie für das Vorhaben stimmen. Auch die Konservative Partei sowie der »Partido de la U« hatten angekündigt, ihre Unterstützung für das Projekt zurückzuziehen. Mit der Gesundheitsreform will die Regierung private Krankenkassen zurückdrängen und das öffentliche Gesundheitswesen stärken, was großen Widerstand in mächtigen Wirtschaftskreisen des Landes hervorruft.
Für Petro, dessen Parteienbündnis »Historischer Pakt« nur über rund 25 Prozent der Sitze im Parlament verfügt, häuften sich in den vergangenen Monaten die Schwierigkeiten, eigene Vorhaben durchzusetzen. Zuletzt waren zwei Artikel des »Nationalen Entwicklungsplans« im Kongress abgeschmettert worden, die die Verteilung von Land an Kleinbauern regeln sollten. Auch andere für die Regierung zentrale Projekte wie eine Arbeits- sowie eine Rentenreform stocken – auch weil Petro auf Kompromisse mit anderen Parteien angewiesen ist.
Petro war vergangenes Jahr als erster Linker in der Geschichte Kolumbiens ins Präsidentenamt gewählt worden, seit dem 7. August 2022 steht er an der Spitze des Staates. Getragen wurde sein politisches Projekt von Beginn an von sozialen Bewegungen, die große Hoffnungen in einen Wandel sowie die Friedensbemühungen der Regierung stecken. Im Widerspruch dazu setzte Petro auf die Einbeziehung rechter Politiker. Dieser Kurs ist nun gescheitert. Eine künftige Minderheitsregierung dürfte die Durchsetzbarkeit der teils ambitionierten Vorhaben zwar nicht erhöhen, dem Präsidenten allerdings seine Glaubwürdigkeit wiedergeben. Diese ist fundamental, wird Petro künftig doch noch stärker auf die Unterstützung der sozialen Bewegungen angewiesen sein.
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