»Bestimmte Kräfte bleiben weg, neue wachsen heran«
Interview: Marc Bebenroth
Zusammen mit dem Bremer Friedensforum hat die Bonner Kooperation für den Frieden für dieses Wochenende in Bremen ihre 17. Strategiekonferenz auf die Beine gestellt. Worin besteht das strategische Problem für die Friedensbewegung aus Ihrer Sicht?
Es gibt viele. Spätestens nach der Stationierung von »Pershing«- und »Cruise«-Raketen in der Bundesrepublik sind wir damals mit Vorträgen über die Krise der Friedensbewegung durch die Gegend gezogen. Letztlich gilt: Immer wenn Kriege herrschen, ist das auch eine Krise oder Niederlage der Friedensbewegung. Man muss sich immer wieder neu darauf einstellen und Menschen dafür gewinnen, trotzdem weiter an unseren Zielen festzuhalten.
Ein Blick in das Programm zeigt, dass es sich nicht um eine Nabelschau der deutschen Friedensbewegung handelt. Welche Einsichten erhoffen Sie sich von den internationalen Rednerinnen und Rednern?
Bei der Programmzusammenstellung legten wir Wert darauf, über den Tellerrand der deutschen Friedensbewegung hinauszublicken. Gerade auch in der Diskussion hierzulande, die auf den Ukraine-Krieg starrt und in der jeder, der die Erzählungen der Bundesregierung nicht oder nicht umfänglich teilt, sofort als verdächtig angesehen wird. Da erhoffe ich mir, dass der Horizont erweitert wird durch die internationalen Gäste.
Sie stehen im Kontakt mit internationalen Friedensgruppen. Wie unterscheidet sich die Debatte um Krieg und Frieden?
Manche internationale Partner waren früher sehr engagiert dabei, lassen heute aber kaum von sich hören. So hatte Ende der 1970er Jahre, Anfang der 80er auch die holländische Friedensbewegung eine zentrale Rolle gespielt beim Widerstand gegen die Neutronenbombe.
Im Vergleich ist die deutsche Diskussion eine ganz besondere. Gerade das Verhältnis zu Russland beziehungsweise zur Sowjetunion war immer kompliziert. In anderen Ländern ist das wohl nicht ganz so extrem wie bei uns, mit diesem tiefen Antikommunismus, dem Antisowjetismus, der Russophobie …
… wobei antirussische Stimmung seit dem Angriff auf die Ukraine kräftig geschürt wird.
Das will ich auch wirklich gar nicht abstreiten.
Arbeitsgruppen sollen am Sonnabend Themen wie das Zusammenwirken von Klima, Umwelt und Gerechtigkeit oder die weltweiten Atomwaffenarsenale diskutieren. Was folgt aus den Ergebnissen der Arbeitsgruppen, aus der Konferenz insgesamt?
Es ist eine Arbeitskonferenz. Kurze, einführende Thesen werden präsentiert – und dann ist die Diskussion freigegeben. Die Arbeitsgruppen dauern jeweils nur eine halbe Stunde. Das ist ohnehin das Problem: Die Konferenz ist inhaltlich vollgepackt mit hoch qualifizierten Leuten, der Zeitplan aber sehr ambitioniert. Diese Konferenz entscheidet auch ein bisschen über den Gebrauchswert solcher langjährigen Bündnisorganisationen wie die Kooperation für den Frieden oder das Bremer Friedensforum – und darüber, wie wir unseren Platz bestimmen in den nächsten Monaten.
Die Arbeitsgruppe »Aktuelle Herausforderungen für den Frieden aus Sicht von Friedensbewegten« ist für mich als Praktiker die spannendste. Bestimmte Kräfte bleiben weg, die den Rüstungs- und Kriegskurs der Bundesregierung vertreten. Und neue wachsen heran. Wir müssen vor allem junge Leute einbeziehen, da hat die Arbeitsgruppe »Klima, Umwelt, Gerechtigkeit« einen entscheidenden Stellenwert.
Wie blicken Sie auf die Debatte um die Abgrenzung nach rechts?
Ich bin jetzt seit fast 50 Jahren in der Friedensbewegung aktiv und habe mich immer als Antifaschist und Antimilitarist verstanden. Wenn jemand uns unterstellt, wir seien rechtsoffen, ist das eine bodenlose Frechheit. Wir beim Bremer Friedensforum registrieren sehr aufmerksam, wer uns unterstützt und wer zu uns kommt. Die neuen sind größtenteils bürgerliche, humanistisch denkende Menschen. Wenn sie die Politik der Aufrüstung infrage stellen, sind sie erst mal willkommen. Selbstverständlich arbeiten wir nicht mit Rassisten und Neonazis zusammen.
Ekkehard Lentz ist Sprecher des Bremer Friedensforums
17. Strategiekonferenz der Kooperation für den Frieden: Fr.–Sa., Kornstraße 31, 28201 Bremen
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