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Aus: Ausgabe vom 29.04.2023, Seite 3 (Beilage) / Wochenendbeilage

Der Imperator

Von Arnold Schölzel
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Am Freitag vergangener Woche fragt der Spiegel in einem Artikel aus der tags darauf erscheinenden Druckausgabe auf seiner Internetseite: »Hat René Benko sich verzockt?« Die Hamburger Illustrierte gibt darauf keine klare Antwort, sorgt aber für Unruhe nicht zuletzt unter Banken. Beim österreichischen Milliardär und Immobilienspekulanten stellt die Illustrierte solch kühne Fragen, was nichts am Spiegel-Grundsatz und dem des hiesigen Mediengewerbes ändert: Deutsche Superreiche sind tabu. Die Branche wird von etwa zehn Familien beherrscht. Da ist die Pressefreiheit gemäß Grundgesetz umfassend gesichert, leider bei der Erörterung von Besitzverhältnissen etwas eingeschränkt.

Der Spiegel bleibt so auch bei Benko verständnis- und respektvoll und nennt ihn österreichisch »Wunderwuzzi«, »Magier« und plaudert, Benko habe »mit viel Fleiß und Chuzpe die größten Nuggets« heimgetragen. Im Spiegel ist die Welt noch wie in Franz Josef Degenhardts »Wenn der Senator erzählt« aus dem Jahr 1968: »Schon mit fünf Jahren ist der Senator jeden Tag / Von Wackelrode nach Hohentalholzheim gelaufen«, zwölf Kilometer hin und zwölf zurück. »Weil in Wackelrode ein Liter Milch / Zweieinhalb Pfennig gekostet hat / In Hohentalholzheim aber nur zwei Pfennig / Und diesen halben Pfennig durfte der Bub behalten.« Nach zehn Jahren hat der Senator das ganze Geld genommen: »Und hat das erste Hüttenwerk / auf das Wackelsteiner Ländchen gestellt / Ja, wenn der Senator erzählt.«

Senatormäßig schwärmen 55 Jahre später die Spiegel-Autoren von Benko, »der es in nur 25 Jahren vom Schulabbrecher zum Multimilliardär brachte« und »wie nebenbei« ein »Warenhausimperium zimmerte, das seinesgleichen sucht«. Und als Imperator mit anderen Spiegel-Helden von gleich zu gleich verkehrt, mit »Wirtschaftsgrößen wie Wendelin Wiedeking, Robert Peugeot und Klaus-Michael Kühne«. Da erstirbt der Spiegel in Ehrfurcht: Ehrenwerte Leute, die immer den halben Pfennig aufgehoben und daraus dem Benko Milliarden Euro zur Verfügung gestellt haben. Aber Fleiß und Goldklumpen nützen dem armen Reichen nichts, das ist die Spiegel-Botschaft: »Steigende Zinsen, fallende Preise: Das Imperium von Immobilienkönig René Benko gerät gefährlich in Schieflage.« Die Moral: Eine tragische Figur. Die Umstände, sie sind nicht so.

Was im Spiegel-Märchen nicht vorkommt: Wie bei jedem Schmierlappen vom Bau – Musterfall der Trump-Clan – gehören auch zum Konzept Benkos Miet- und Lohnklau. Entwohnte Häuser lassen sich besser verkaufen, Einkommensverzicht von Angestellten, zumal von schlecht bezahlten Verkäuferinnen, wie beim deutschen Warenhauskonzern Galeria Karstadt-Kaufhof sichern satte Rendite. Vor allem aber: Mit Hinweis auf den stets drohenden Verlust von Arbeitsplätzen öffnet sich die Staatskasse. Das funktioniert gut, der Pate muss nicht gleich selbst Staats- oder Regierungschef werden wie in den USA. Das kann selbst hierzulande einer wissen. Der Münchner Merkur kommentierte im Internet kurz nach Erscheinen der Spiegel-Fantasygeschichte daher reichlich klarer als die Hamburger: »Zum zweiten Mal setzt der österreichische Multimilliardär und Galeria-Eigentümer René Benko der Bundesregierung die Pistole auf die Brust: Geld her, oder die 17.000 pleitebedrohten Galeria-Kaufhof-Jobs sind weg, so lautet kurz zusammengefasst die Forderung. Auf 590 Rettungsmillionen aus dem ersten Insolvenzverfahren, bei dem die damaligen Gläubiger mit zwei Milliarden bluten mussten, soll der Staat verzichten. Andernfalls, so heißt es kühl im Juristendeutsch des Insolvenzplans, sei der ›Geschäftsbetrieb unmittelbar einzustellen‹.«

So geht Klassenkampf, so lange die Benko, Wiedeking, Peugeot oder Kühne nicht enteignet sind.

Mit Hinweis auf den stets drohenden Verlust von Arbeitsplätzen öffnet sich die Staatskasse. Das funktioniert gut, der Pate muss nicht gleich selbst Staats- oder Regierungschef werden wie in den USA. Das kann selbst hierzulande einer wissen.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Christa K. (29. April 2023 um 17:16 Uhr)
    Verglichen mit organisierter Legalität ist die Mafia kriminelles Prekariat - und sie sc haffen es immer, immer wieder, die Benkos und Konsorten - so lange die Basis, die Schaffer des Mehrwerts sich nicht uneingeschränkt solidarisieren und dagegen ankämpfen, wird dieses »Spiel« kein Ende nehmen.

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