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Aus: Ausgabe vom 19.04.2023, Seite 5 / Inland
Ausbildung

Zahl der Ungelernten auf Rekordhoch

Erstmals mehr als 2,5 Millionen junge Menschen ohne Berufsabschluss, Ursachen vielfältig
Von Bernd Müller
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Immer mehr junge Leute haben keinen Berufsabschluss, bei diesen Jugendlichen in Cottbus muss das aber keineswegs so sein

Das deutsche Bildungssystem verhilft immer weniger jungen Menschen zu einer abgeschlossenen Ausbildung. Wie das Handelsblatt am Dienstag berichtete, haben inzwischen mehr als 2,5 Millionen 20- bis 34jährige hierzulande keinen Berufsabschluss. »Neuer Negativrekord« lautete die Überschrift. Das Blatt aus Düsseldorf berief sich dabei auf einen Entwurf zum neuen »Berufsbildungsbericht« der Bundesregierung.

Der Trend wird schon in dem noch aktuellen Berufsbildungsbericht deutlich. Seit 2015 steigt die Zahl der Ungelernten unter den jungen Erwachsenen. Damals waren 1,9 Millionen Personen ohne Berufsausbildung, was einem Anteil von 13,2 Prozent in der Altersgruppe von 20 bis 34 Jahren entsprach. Im Jahr 2020 waren dann 2,3 Millionen junge Menschen betroffen, 15,5 Prozent in der Alterskohorte. Ein Jahr später waren es bereits 17 Prozent.

Die Ursachen der Entwicklung sind vielfältig. Das beginnt mit einer relativ hohen Zahl von Jugendlichen, die ohne Hauptschulabschluss die Schule beenden und damit kaum Chancen haben, eine Lehrstelle zu finden. Laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung, deren Ergebnisse im März veröffentlicht wurden, beendeten 2021 rund 47.500 junge Menschen die Schule ohne Abschluss. Das waren etwa sechs Prozent des Jahrgangs. Seit 2011 liege die Quote etwa auf diesem Niveau.

Auch die Coronapandemie hat einen Anteil an der Situation. Lange fielen etwa Ausbildungsmessen zur Berufsorientierung aus, zahllose Schüler wurden während der Lockdowns abgehängt. Von diesem Einbruch habe sich das duale System bisher nicht erholt, heißt es im Entwurf des neuen Berufsbildungsberichts.

In der vergangenen Woche meldete das Statistische Bundesamt einen Negativrekord vom Ausbildungsmarkt: Ende vergangenen Jahres waren demnach 1,2 Millionen Personen in einer Ausbildung, der niedrigste Wert seit der sogenannten Wiedervereinigung. Im Vergleich zum Vorjahr sank die Zahl der Auszubildenden um 39.500 Personen. Immerhin stieg die Zahl der neuen Ausbildungsverträge 2022 im Vergleich zum Vorjahr um 0,6 Prozent auf 468.900 Personen. Das Niveau der Jahre vor der Pandemie wurde damit allerdings nicht erreicht. Im Jahr 2019 wurden laut Statistischem Bundesamt 510.900 Neuverträge unterzeichnet, 2011 waren es sogar noch mehr als 560.000.

Schließlich spielt auch die mangelhafte Integration von Kindern und Jugendlichen aus Flüchtlingsfamilien laut Handelsblatt eine Rolle. Von den 20- bis 34jährigen, die nicht in Deutschland geboren und aufgewachsen seien, hätte knapp ein Fünftel keine Ausbildung. Bei den Gleichaltrigen ohne Migrationshintergrund gelte das nur für jeden zehnten.

Die steigende Zahl der Ungelernten sei »ein Alarmzeichen, das man nicht ignorieren darf«, sagte Elke Hannack, stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), gegenüber dem Handelsblatt. Und der parlamentarische Staatssekretär im Bildungsministerium, Jens Brandenburg (FDP), ergänzte: »Das können wir uns in Zeiten des Fachkräftemangels auch volkswirtschaftlich nicht länger leisten.«

Die Bundesregierung hat kürzlich ein Gesetz für eine Ausbildungsgarantie auf den Weg gebracht, das Hannack als »guten ersten Schritt« bewerte, wie das Handelsblatt schrieb. Die Garantie müsse »jetzt aber auch schnell umgesetzt werden«, zitierte das Blatt die Gewerkschafterin.

Die Kapitalseite sieht dagegen große Reserven bei der Berufsorientierung in den Schulen. Diese müsse verbessert werden, damit sich wieder mehr junge Leute für eine duale Ausbildung interessierten, und dann am besten für die passende. Verbände wie der BDI verweisen regelmäßig auf die hohe Abbrecherquote. Knapp ein Viertel der Azubis brach die Ausbildung im Jahr 2020 ab.

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