Unterm Radar
Von Gabriel Kuhn
Wenn andere Wintersportler schon im Urlaub sind, wird es für die Eishockey-Cracks erst richtig ernst. Bei den Männern befinden sich die Play-offs in der nordamerikanischen Profiliga NHL gerade in der Anfangsphase (Beginn in diesem Jahr am 17.4.), die Herrenweltmeisterschaft findet erst Ende Mai in Finnland und Lettland statt. Die Damen spielten ihre WM in den vergangenen zwei Wochen in Brampton bei Toronto in Ontario, Kanada.
Aufgefallen ist es in Deutschland nicht vielen, was kein Wunder ist. Obwohl ein Team des Deutschen Eishockeybundes bereits bei der allerersten Damen-WM 1990 dabei war, hat das Eishockey der Frauen hierzulande immer noch einen schweren Stand. Wer nach deutschsprachigen Artikeln zur WM sucht, wird vor allem in der Schweiz fündig, wo dem Eishockeyteam eine gewisse Aufmerksamkeit zukommt. Die wenigen deutschen Zeitungen, die die WM ankündigten, druckten alle denselben spärlichen dpa-Artikel ab.
Es überrascht nicht, dass Christian Künast, Sportdirektor des DEB, vor der WM den Klassenerhalt als Ziel ausgab. »Mehr ist zur Zeit nicht drin«, erklärte er gegenüber der dpa. Dafür notwendig war ein Platz unter den ersten acht des zehnköpfigen Feldes. Genau diesen belegten die Damen des DEB am Ende. Sie waren mit einem überraschenden 6:2-Sieg gegen Schweden ins Turnier gestartet und gewannen danach noch gegen die späteren Absteiger Ungarn und Frankreich. Im Viertelfinale war nach großem Kampf beim 0:3 gegen die USA Schluss, ehe es im Plazierungsspiel gegen Finnland mit 2:8 die einzige Abreibung im Turnier setzte.
Die Viertelfinalniederlage gegen die USA war alles andere als eine Schande. Die USA standen bei allen bisherigen 22 Fraueneishockey-Weltmeisterschaften im Finale. 21 Mal hieß der Gegner Kanada, nur im Jahr 2019 schaffte Finnland vor heimischem Publikum die Sensation und setzte sich im Halbfinale gegen Kanada mit 4:2 durch. An der ganz großen Sensation schlitterten die Finninnen dann haarscharf vorbei – im Finale mussten sie sich dem US-Team erst im Penaltyschießen geschlagen geben, und das nachdem ihr vermeintlicher Siegtreffer in der Verlängerung nach mehr als zehnminütigem Videostudium aberkannt worden war – da soll sich noch wer über den VAR beim Fußball beschweren.
Auch bei der diesjährigen WM lag eine Sensation in der Luft. Im Viertelfinale zwang das schwedische Team die Gastgeberinnen aus Kanada in die Verlängerung. Das 2:2 fiel neun Sekunden vor Schluss durch die erst 16jährige Hilda Svensson. Bei den Olympischen Spielen in Beijing 2022 waren die Schwedinnen noch mit 0:11 gegen Kanada untergegangen. Die Statistik der Torschüsse war auch dieses Mal mit 54:14 eindeutig auf Kanadas Seite. Doch der Puck muss ins Netz. In der Verlängerung brauchten die Kanadierinnen dafür viereinhalb Minuten – Ende gut, alles gut. Geleitet wurde die Partie von der einzigen deutschen WM-Schiedsrichterin, Tijana Haack.
Nachdem Kanada die Schweiz im Halbfinale souverän mit 5:1 besiegt hatte, warteten im Finale erwartungsgemäß die USA, die sich beim 9:1 gegen die Tschechische Republik keine Blöße gaben. Durch einen 6:3-Sieg holten sich die USA am Sonntag ihren ersten WM-Titel seit 2019 und verkürzten im ewigen Titelduell mit Kanada auf 10:12. Im Spiel um Platz drei setzte sich, wie schon im Vorjahr, die tschechische Auswahl gegen die schweizerische durch.
Das Dameneishockey tut sich nicht nur in Deutschland schwer. Der Zuschauerschnitt bei der diesjährigen WM lag bei knapp unter 2.000, nur beim Finale war die 5.000 Zuschauer fassende Halle in Brampton ausverkauft. Für das Fraueneishockey sind das gute Zahlen. Weit dürftiger sieht es auf Vereinsniveau aus. Die nordamerikanische Profiliga der Premier Hockey Federation (PHF) besteht aus nur sieben Teams, von denen insgesamt nicht mehr als zehn Spielerinnen für die WM nominiert wurden. Das kanadische Team besteht fast ausschließlich aus Spielerinnen, die in Teams der Spielergewerkschaft PWHPA aktiv sind. Das US-Team setzt sich in erster Linie aus College-Athletinnen zusammen. Auch vier der deutschen WM-Teilnehmerinnen laufen für US-Colleges auf, darunter Torhüterin Sandra Abstreiter aus Halbergmoos, die seit 2017 am Providence College studiert. Bei der 0:3-Viertelfinal-Niederlage gegen die USA wurde sie zur Spielerin des Spiels gewählt.
Man kann nur hoffen, dass es mit dem deutschen Dameneishockey wieder aufwärts geht. 2017 war man bei einer WM immerhin schon einmal Vierter geworden. Nur Kanada, die USA, Schweden, Finnland, die Schweiz und Russland nahmen öfter an Endrunden teil. Um dem Fraueneishockey in Deutschland wieder zu einem Aufschwung zu verhelfen, bedarf es weit mehr Anerkennung und Förderung.
Onlineaktionsabo
Das Onlineaktionsabo der Tageszeitung junge Welt bietet alle Vorteile der gedruckten Ausgabe zum unschlagbaren Preis von 18 Euro für drei Monate. Das Abo endet automatisch, muss also nicht abbestellt werden. Jetzt Abo abschließen und gleich loslesen!
Mehr aus: Sport
-
Verwaltungsgeschäfte
vom 18.04.2023 -
Neuen Rekord verpasst
vom 18.04.2023