Undurchdachtes Vorgehen
Von Detlef Georgia Schulze
Am 25. August 2017 machte das Bundesinnenministerium (BMI) mittels einer Veröffentlichung im Bundesanzeiger¹ und – ganz handgreiflich – in Form einer Reihe von Hausdurchsuchungen in Freiburg das Verbot des angeblichen »Verein(s) ›linksunten.indymedia‹« bekannt. Kürzlich endete der dadurch in Gang gesetzte Rechtsstreit mit einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die eine Nichtentscheidung war. Diejenigen, denen die Verbotsverfügungen bei den Hausdurchsuchungen 2017 überreicht wurden, hatten Klage beim Bundesverwaltungsgericht erhoben. Die Leipziger Richter urteilten 2020², die Klage sei zwar zulässig, soweit bestritten werde, dass der Herausgeberkreis vereinsförmig organisiert sei. Gerade insofern seien die Klagen aber unbegründet:³ »Die verbotene Vereinigung ›linksunten.indymedia‹ war im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids ein Verein im Sinne des Paragraphen 2 Absatz 1 Vereinsgesetz.«⁴ Einen darüber hinausgehenden Anspruch auf Überprüfung des Vorliegens oder Nichtvorliegens der Verbotsgründe hätten einzelne Mitglieder (und erst recht: Nichtmitglieder) des jeweiligen Personenzusammenschlusses aber nicht.⁵
Für eine solche Überprüfung hätte vielmehr der Herausgeberkreis als Kollektiv klagen müssen (dies entspricht der seit 1984 etablierten Rechtsprechung des Gerichts⁶ – damals ging es um das Verbot der linken Vereinigung Devrimci-Sol). Die dagegen eingelegten Verfassungsbeschwerden wurden nun vom Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen, da sie einer substantiierten Begründung ermangelten: »Die Verfassungsbeschwerden zeigen nicht auf, dass das Bundesverwaltungsgericht bei der Auslegung und Anwendung des Fachrechts Verfassungsrecht verkannt haben könnte. (…) Hier stützen die Beschwerdeführenden ihre Rügen (…) im wesentlichen darauf, dass nicht das Bundesverwaltungsgericht, sondern die Verbotsverfügung ihre Grundrechte verletze. Eine mögliche Grundrechtsverletzung gerade durch die gerichtlichen Entscheidungen wird damit nicht substantiiert.«
Da die Beschwerdeführer wohl nicht auch noch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anrufen werden, dürfte der Rechtsstreit damit beendet sein. Aus diesem Anlass blicke ich im folgenden in sechs Thesen auf die bürgerrechtlichen bis linksradikalen Reaktionen auf das »linksunten«-Verbot zurück.
These 1. Der grundlegende Fehler der Reaktionen auf das Verbot liegt darin, dass sich die unbekannten ehemaligen Betreiber von »linksunten«, soweit mir nichts entgangen oder entfallen ist, niemals explizit zu dem Verbot geäußert haben.
Das Hin und Her in den Stunden unmittelbar nach Bekanntgabe des Verbotes (der Staat konnte die Webseite anscheinend nicht kapern, der bisherige Inhalt war zunächst noch stundenlang online; dann hieß es: »Wir sind zur Zeit offline …«; dann wurde auf den Streisand-Effekt⁷ angespielt; dann hieß es wieder: »Wir sind zur Zeit offline …«)⁸ mag noch halbwegs verständlich sein, aber eine brauchbare politische Orientierung ergab sich daraus nicht: Das Foto mit der Anspielung auf den Streisand-Effekt konnte als Wunsch nach einer rebellischen Antwort auf das Verbot verstanden werden. Die Entfernung der alten »linksunten«-Inhalte aus dem Netz und die zwischenzeitlich und dann – nach Entfernung des Streisand-Fotos – schließlich wieder ausgegebene Parole »Wir sind zur Zeit offline …« legte dagegen Abwarten und Teetrinken nahe: eigene Initiativen unerwünscht. Vielleicht kommt der alte Betreiberkreis demnächst mit neuer technischer Infrastruktur und verbesserter Konspiration wieder; vielleicht wird die Infrastruktur in neue Hände übergeben. Vielleicht soll auch einfach abgewartet werden, bis irgendwann das Bundesverwaltungsgericht über die Klagen der Verbotsadressaten entschieden haben wird.
Diese abwartende Haltung wurde noch dadurch bestärkt, dass die Verbotsadressaten zwar Klage gegen das Verbot erhoben, aber keinen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage⁹ stellten. Dafür mag es juristische Gründe oder zumindest Motive gegeben haben; aber der politische Effekt war klar: Es wird einen Jahre währenden – tendenziell lähmenden – Schwebezustand geben, weil auf das Bundesverwaltungsgericht gestarrt, statt gehandelt wird.
Auch in den weiteren Wochen nach dem Verbot und in all den Jahren danach gab es seitens des alten Betreiberkreises nie eine klare politische Ansage: Haben sie sich – verbotsgemäß – aufgelöst, aber wäre es wünschenswert, wenn andere den Faden wieder aufnähmen? Oder soll vielmehr auf das Bundesverwaltungsgericht gewartet werden? Und falls das Bundesverwaltungsgericht das Verbot nicht aufhebt: Soll dann (endgültig) kapituliert werden?
These 2. Das Vorgehen der Verbotsadressaten war selbst widersprüchlich: Zwischen dem politischen Willen, die strafrechtlichen Risiken zu minimieren und – mehr oder minder – eine Unschuldskampagne zu fahren (eine Zugehörigkeit zum Betreiberkreis von »linksunten« zu bestreiten oder jedenfalls nicht zu bestätigen) und dem gleichzeitigen politischen Willen, sich vor Gericht gegen das »linksunten«-Verbot zu wehren und Klage vor dem Bundesverwaltungsgericht zu erheben, bestand ein Widerspruch. Sollten die strafrechtlichen Risiken minimiert werden, musste die Klagebefugnis vor dem Bundesverwaltungsgericht unterminiert werden; sollte vor dem Bundesverwaltungsgericht erfolgreich geklagt werden, geriet das Ziel der strafrechtlichen Risikominimierung in Gefahr.
These 3. Die Weite des vereinsgesetzlichen Vereinsbegriffs wurde ignoriert – und dadurch die Bedrohlichkeit/Durchsetzbarkeit des Verbotes unterschätzt. Statt sich mit der Weite dieses Vereinsbegriffs, seiner bis in die Zeit der Sozialistengesetze zurückreichenden Geschichte¹⁰ und der in der Weite dieses Vereinsbegriffs liegenden Gefahr zu beschäftigen, wurden schenkelklopfend Witze gerissen: »Haha, ›linksunten.indymedia‹ war doch kein e. V., sondern eine Internetplattform; wie blöd ist de Maizière denn?«
Während von politischen Aktivisten und Technik-/Internetexperten ohne Rechtskenntnisse nicht verlangt werden kann, dass sie den Unterschied zwischen bürgerlichem (Bürgerliches Gesetzbuch, BGB) und öffentlich-rechtlichem Vereinsbegriff kennen, wäre es die Aufgabe von Bürgerrechtlern und Anwälten gewesen, auf diesen Unterschied hinzuweisen und ihn zu erklären. Statt dessen wurden direkt falsche Informationen verbreitet: »Vereine gründen sich, geben sich eine Satzung, lassen sich mit mindestens sieben Mitgliedern eintragen ins Vereinsregister«.¹¹ In der Tat bedarf es irgendeiner Art von Gründungsakt, und den gab es sicherlich auch im Falle des späteren Betreiberkreises von »linksunten« (anders kann es nicht sein). Leute haben sich getroffen und haben vereinbart: »Wir machen das jetzt, wir bauen eine Internetplattform ›linksunten.indymedia‹ auf.« Das reicht. Vereine im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches haben auch eine Satzung¹² und können sich – müssen sich aber nicht – ins Vereinsregister eintragen lassen. Also: Auch im zivilrechtlichen Sinne gibt es nichteingetragene Vereine.¹³
Für Vereinsverbote gilt aber ein spezieller öffentlich-rechtlicher Vereinsbegriff. Paragraph 2 Absatz 1 Vereinsgesetz bestimmt: »Verein im Sinne dieses Gesetzes ist ohne Rücksicht auf die Rechtsform jede Vereinigung, zu der sich eine Mehrheit natürlicher oder juristischer Personen für längere Zeit zu einem gemeinsamen Zweck freiwillig zusammengeschlossen und einer organisierten Willensbildung unterworfen hat.« Ohne diesen Unterschied zwischen bürgerlich-rechtlichem Vereinsbegriff (Vereine mit Vorstand und Satzung) und öffentlich-rechtlichem Vereinsbegriff (zwar nicht jede Art, aber nahezu alle Personenzusammenschlüsse) zu verstehen, konnte auf einen vermeintlich leichten Sieg vor dem Bundesverwaltungsgericht gehofft werden. Aber es stellt sich die Frage: Wie konnten die Anwälte, die den Unterschied zwischen bürgerlichem und öffentlich-rechtlichem Vereinsrecht kennen mussten, glauben, eine erfolgreiche juristische Strategie könne darauf gegründet werden, dass gerade der für Vereinsverbote einschlägige öffentlich-rechtliche Vereinsbegriff unter den Teppich gekehrt wird? Oder ging es darum, der Öffentlichkeit eine »einfach verständliche« (wenn auch unzutreffende) Erzählung zu bieten, weil das für politisch »nützlich« befunden wurde?
These 4. Das Verbot wurde als persönliches Wahlkampfmanöver des damaligen Bundesinnenministers Thomas de Maizière verharmlost¹⁴ und so auf die leichte Schulter genommen – statt es als ernsthaften Angriff jedenfalls einer Fraktion im deutschen Staatsapparat auf die radikale und revolutionäre Linke zu erkennen.
These 5. Geschichtsvergessen und borniert wurde die Behauptung des BMI vom »ersten Verbot einer linksextremistischen Vereinigung«¹⁵ übernommen (zum Beispiel von Rechtsanwältin Kristin Pietrzyk im Rahmen ihres Vortrags am 10. Januar 2019 in der Kunsthochschule Berlin-Weißensee). Borniert war diese Übernahme deshalb, weil es seit den 1970er Jahren zu einer ganzen Reihe von Verboten von als »linksextremistisch« klassifizierten sogenannten ausländischen Vereinen und »Ausländervereinen« kam. Geschichtsvergessen war jene Übernahme, weil es vor Inkrafttreten des Vereinsgesetzes (1964) jede Menge Vereinsverbote gegen linke Strukturen gab (wenn auch nicht gegen autonom-anarchistische, sondern gegen solche mit kommunistischem Selbstverständnis).
Auch wurde der staatliche Taktikwechsel von den Paragraphen 129 ff. Strafgesetzbuch über »kriminelle und terroristische Vereinigungen« zu Artikel 9 Absatz 2 Grundgesetz nicht reflektiert (auch deutsche »linksextremistische« Strukturen wurden seit den 1970er Jahren ja nicht verschont, sondern es wurde gegen Strukturen der militanten Linken – auch wenn sie bloß publizistisch tätig waren – gleich mit der strafrechtlichen Keule zugeschlagen; im Vergleich damit kam im Falle »linksunten« mit dem vereinsrechtlichen Vorgehen zusätzlich das Florett zum Einsatz).
These 6. Es wurde versucht, die ursprüngliche Gleichsetzung des BMI von Medium und dessen Herausgebern (»Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière hat heute die linksextremistische Internetplattform ›linksunten.indymedia‹ auf Grundlage des Vereinsgesetzes verboten und aufgelöst.«¹⁶) beizubehalten, aber mit einer umgekehrten rechtlichen Bewertung zu versehen. Das Ministerium sagte ursprünglich in etwa: »Medium und dessen Herausgeber sind quasi eines – und weil die Herausgeber ein Verein sind, können wir insgesamt (also auch auf das Medium) das Vereinsrecht anwenden und die Plattform verbieten.« Die umgedrehte Position wäre, zu sagen: »Medium und dessen Herausgeber sind quasi eines – und weil die Herausgeber eben ein Medium herausgeben, dürfen sie nicht als Verein klassifiziert werden.« In etwa darauf läuft es hinaus, wenn die Anwälte der Verbotsadressaten argumentieren, es sei Telemedienrecht statt des Vereinsgesetzes anzuwenden, und die Berufung des Ministeriums auf das Vereinsgesetz als bloß vorgeschoben abtun.¹⁷ Ich will gar nicht behaupten, dass sich diese Position im Ergebnis nicht vertreten lässt, aber sie müsste ausargumentiert werden – zum Beispiel so: In dieser speziellen Konstellation (ein ›Verein‹ tut nichts anderes als ein Medien herauszugeben) sei Artikel 5 Absätze 1 und 2 Grundgesetz (Meinungsäußerungs- und Medienfreiheiten sowie deren Schranken) lex specialis gegenüber Artikel 9 Absätze 1 und 2 Grundgesetz (Vereinigungsfreiheit und Vereinigungsverbot). Aber dies allein zu behaupten (oder gar zu hoffen, Bundesverwaltungsgericht und Bundesverfassungsgericht kämen von alleine auf die Idee), genügt keinesfalls.
Vor allem hätte man sich mit folgendem auseinandersetzen müssen: Es gab schon vor dem Verbot von »linksunten« drei (gerichtlich gar nicht oder jedenfalls nicht unter diesem Gesichtspunkt beanstandete) Verbote gegen Vereinigungen, die hauptsächlich oder ausschließlich wegen der Inhalte ihrer publizistischen Tätigkeit angegriffen wurden (der rechte Verlag Hohe Warte¹⁸, die rechte Internetseite Altermedia¹⁹ und der kurdische Fernsehsender Roj TV²⁰). Nach dem »linksunten«-Verbot waren – als Gegenstand einer einheitlichen Verbotsverfügung – der kurdische Mezopotamien-Verlag und der kurdische MIR-Musikvertrieb betroffen.²¹ Wenn diese seit über 60 Jahren bestehende und vom Bundesverwaltungsgericht gebilligte exekutive Praxis juristisch angegriffen werden soll, dann bräuchte es schon ein stärkeres Argument als des bloßen Wortes »vorgeschoben«.
In Artikel 9 Absatz 2 Grundgesetz heißt es ausdrücklich: »Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeiten den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.« Es geht also nie um den Personenzusammenschluss als solchen (bloße Kaffeekränzchen werden auch in der BRD nicht verboten), sondern immer um das, was die Zusammenschlüsse spezifisch tun oder wollen. »Sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten«, sagt ganz deutlich, dass es um Ideologie geht²² – und im Strafgesetzbuch gibt es (vom Bundesverfassungsgericht unbeanstandet) jede Menge politischer Äußerungsdelikte (zum Beispiel: verfassungsfeindliche Einwirkung auf Bundeswehr und öffentliche Sicherheitsorgane [§ 89 StGB]²³, Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole [§ 90a StGB], Billigung von Straftaten [§ 140 StGB]). Wenn daran etwas geändert werden soll, dann bedarf es doch – abgesehen von gesellschaftlichem Druck – einer konkreten argumentativen Auseinandersetzung mit der Auffassung der Gerichte in Leipzig und Karlsruhe. Und auch den gesellschaftlichen Druck (also linksliberale Unterstützer) wird es nur geben, wenn Argumente auf den Tisch kommen.
Dadurch, dass der Unterschied zwischen Medium und dessen Herausgebern von den Anwälten der Verbotsadressaten (genauso wie ursprünglich vom BMI) ignoriert wurde, entstand eine Unfähigkeit oder ein Unwille, gerade auszunutzen, dass das Bundesverwaltungsgericht den Unterschied durchaus anerkannte: »Regelungsgegenstand des Verbotsbescheids ist nicht das Verbot des unter der Internetadresse ›http[s]://linksunten.indymedia.org‹ betriebenen Veröffentlichungs- und Diskussionsportals, sondern das Verbot des dahinter stehenden Personenzusammenschlusses ›linksunten.indymedia‹ als Organisation.«²⁴
Zunächst fokussierten die Anwälte vor allem darauf, dass »linksunten.indymedia« kein Verein gewesen sei beziehungsweise eine Beteiligung ihrer Mandanten nicht einmal nachgewiesen werden könne²⁵, und dadurch vernachlässigten sie die Betonung der Pressefreiheit. Als es dann nach dem Urteil des Leipziger Gerichts – in der Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht – vor allem darauf angekommen wäre, auf Artikel 9 Absatz 1 Grundgesetz und die Frage der Klagebefugnis zu fokussieren²⁶, redeten sie nun auf einmal über Artikel 5 Absatz 1 Grundgesetz (Meinungsäußerungs-, Informations- und Medienfreiheiten).
Es handelte sich also insgesamt um ein völlig undurchdachtes Vorgehen, dem es an folgendem fehlte: an politischer Prioritätensetzung (siehe Thesen 1 und 2), an der Analyse der realen Gefahr beziehungsweise Bedrohung, die von der Verbotsverfügung ausging (siehe Thesen 3 und 4) sowie der wechselnden Lage auf dem Schlachtfeld (siehe besonders These 6), an historischer Kontextualisierung (siehe Thesen 5 und 6) und folglich an der Bestimmung des nächsten »Kettengliedes« (Lenin), nach dem zu greifen ist. Eine bessere Strategie hätte zwar keinen Erfolg in dieser Auseinandersetzung garantiert; aber die tatsächlich eingetretene Niederlage ist in ihrer konkreten Form in erster Linie selbstverschuldet.
Anmerkungen
3 Urteil vom 29. Januar 2020 zum Aktenzeichen BVerwG 6 A 1.19, Textziffer 10 (»Die zulässige Klage (…) ist unbegründet«). Es gab für alle vier Kläger ein separates Urteil, von denen aber drei – abgesehen von den Namen – identisch waren und das vierte etwas länger war. Ich zitiere hier eines der vier Urteile. Die »Zulässigkeit« betrifft im juristischen Sprachgebrauch die formellen Voraussetzungen (Frist- und Formgerechtheit, zuständige Behörde, befugte Klägerin u. ä.) dafür, dass es auf die »materielle« (inhaltliche) Begründetheit überhaupt ankommt. Fehlt es schon an der Zulässigkeit, ist die Begründetheit gar nicht mehr zu prüfen.
4 Ebd., Textziffer 37
5 Ebd., Textziffer 25: »Die Klägerin kann unter Berufung auf ihre allgemeine Handlungsfreiheit aus Artikel 2 Absatz 1 Grundgesetz lediglich eine Prüfung erreichen, ob ihr durch die Auflösung von ›linksunten.indymedia‹ zu Recht die Möglichkeit entzogen worden ist, sich als Angehörige dieses Personenzusammenschlusses wie bisher zu betätigen. Dies ist nicht der Fall, wenn diese Vereinigung mangels Erfüllung der in Paragraph 2 Absatz 1 Vereinsgesetz genannten Strukturmerkmale oder mangels Anwendbarkeit des Vereinsgesetzes nicht auf der Grundlage des Paragraphen 3 Absatz 1 Vereinsgesetz hätte verboten werden können. Trifft dies zu, ist der Verbotsbescheid aufzuheben, andernfalls ist die Klage abzuweisen, ohne dass das Vorliegen von Verbotsgründen nach Paragraph 3 Absatz 1 Vereinsgesetz oder die formelle Rechtmäßigkeit des Bescheids zu prüfen wäre.«
6 Urteil vom 13. August 1984 zum Aktenzeichen BVerwG 1 A 26.83, Textziffer 6
8 https://t1p.de/pp5kh (25.8.2017; 16:05 Uhr); https://t1p.de/qp2jt (25.08.2017; 18:35 Uhr); https://t1p.de/qjqvs (26.8.2017; 5:33 Uhr); https://t1p.de/qjqvs (26.8.2017; 16:33 Uhr).
9 Vgl. dazu Paragraph 3 Absatz 4 Satz 3 Vereinsgesetz: »Das Verbot wird mit der Zustellung, spätestens mit der Bekanntmachung im Bundesanzeiger, wirksam und vollziehbar; Paragraph 80 der Verwaltungsgerichtsordnung bleibt unberührt.« Paragraph 80 Verwaltungsgerichtsordnung: »(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (Paragraph 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. (…) 3. in (…) durch Bundesgesetz (…) vorgeschriebenen Fällen(.) (…) (5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummern 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.«
10 Verein: »jede dauernde Vereinigung mehrerer Personen zur Verfolgung bestimmter gemeinschaftlicher Zwecke unter einer Leitung.« (Entscheidungen des Reichsgerichtshofes. Entscheidungen in Strafsachen, http://systemcrashundtatbeilinksunten.blogsport.eu/files/2017/09/rgst_18_169_-_174.pdf">Bd. 18, S. 169–174 [S. 172]; Urteil vom 2. November 1888)
11 https://t1p.de/altqc, Min. 4:10 bis Min. 4:17
12 Paragraph 25 Bürgerliches Gesetzbuch: »Die Verfassung eines rechtsfähigen Vereins wird, soweit sie nicht auf den nachfolgenden Vorschriften beruht, durch die Vereinssatzung bestimmt.«
13 Siehe Kapitel 1 »Allgemeine Vorschriften« über Vereine; Kapitel 2 »Eingetragene Vereine«. Beide Kapitel stehen in Titel 2 »Juristische Personen« Untertitel 1 »Vereine« des Bürgerlichen Gesetzbuches. Es gibt also zwei Arten von Vereinen im Sinne des bürgerlichen Rechts: Eingetragene und nichteingetragene Vereine.
14 So schrieb Markus Reuter bei netzpolitik.org am 25.08.2017 unter der Überschrift: »Wahlkampfmanöver: Innenminister verbietet linksunten.indymedia.org«. Auch unterhalb der Überschrift befinden sich mehrere Formulierungen in diesem Sinne.
15 Pressemitteilung des BMI zum Verbot, https://t1p.de/15x15
16 Ebd.
17 Selbst jetzt – nach der Pleite vor dem Bundesverfassungsgericht – heißt es in der gemeinsamen Presseerklärung der Anwälte: »Die Darstellung (…), man habe mit dem Verbot nicht vorrangig die Internetplattform, sondern die dahinterstehende Personenvereinigung treffen wollen, halten die Betroffenen weiter für vorgeschoben. ›Das eigentliche Ziel des BMI war und ist die Abschaltung der Plattform, die dem BMI ein Dorn im Auge war. Das Vereinsgesetz war ein rechtswidrig angewendetes Mittel zum Zweck – es hätte das Telemediengesetz Anwendung finden müssen und eine vollumfängliche Grundrechtsprüfung ermöglicht‹.«
18 Gemeinsames Ministerialblatt 1966, S. 1–26 und S. 496–497 (S. 20 f., S. 497 [lit. k bis p])
20 Siehe dazu meinen Artikel: https://t1p.de/zav3a
22 Friedhelm Hase: »Bonn« und »Weimar« – Bemerkungen zu der Entwicklung vom »okkasionellen« zum »ideologischen« Staatsschutz, in: Dieter Deiseroth, Friedhelm Hase, Karl-Heinz Ladeur (Hg.): Ordnungsmacht? Über das Verhältnis von Legalität, Konsens und Herrschaft, Frankfurt am Main 1981, S. 69–84
23 Die »Einwirkung« kann auch durch bloße Äußerungen geschehen, siehe dazu kritisch: Karl-Heinz Ladeur: http://delete129a.blogsport.de/images/Wachsnase.pdf">Formalisierung und Materialisierung im Recht der freien Meinungsäußerung, in: DuR 1979, S. 59–67 (S. 51 f.)
24 https://t1p.de/kaf65, Textziffer 33
25 »Die vermeintlichen Betreiber von ›linksunten.indymedia‹ haben am Mittwoch mehrere Klagen eingereicht. Vor dem Bundesverwaltungsgericht wendeten sich die Betroffenen gegen das angewendete ›Konstrukt eines Vereins‹ durch das Bundesinnenministerium. (…) Der Rechtsanwalt Sven Adam bezweifelt in einer Pressemitteilung zur Klage die Einordnung von ›linksunten.indymedia‹ als Verein. (…) ›Aus den uns bislang vorliegenden Unterlagen ist nicht ersichtlich, wie das Bundesinnenministerium die Einordnung von ›linksunten.indymedia.org‹ als Verein belegen will, geschweige denn, was die Betroffenen der Durchsuchungen damit zu tun haben sollen‹, so Adam.« (https://t1p.de/inj51).
26 Siehe die hiesige Einleitung und meinen Text: https://t1p.de/klsab
Detlef Georgia Schulze ist Politikwissenschaftlerin.
Onlineaktionsabo
Das Onlineaktionsabo der Tageszeitung junge Welt bietet alle Vorteile der gedruckten Ausgabe zum unschlagbaren Preis von 18 Euro für drei Monate. Das Abo endet automatisch, muss also nicht abbestellt werden. Jetzt Abo abschließen und gleich loslesen!
Ähnliche:
- jW25.03.2023
Tik Tok ohne Maske
- Michael Kappeler/dpa10.06.2020
Innenminister unterliegt der AfD
- Silas Stein/dpa29.11.2019
Archive müssen vergessen können