3 Monate jW-digital für 18 Euro
Gegründet 1947 Freitag, 2. Juni 2023, Nr. 126
Die junge Welt wird von 2709 GenossInnen herausgegeben
3 Monate jW-digital für 18 Euro 3 Monate jW-digital für 18 Euro
3 Monate jW-digital für 18 Euro
Aus: Ausgabe vom 04.04.2023, Seite 7 / Ausland
Linkes Wahldesaster

»Wahre Finnen« auf Vormarsch

Ultrarechte legen bei Parlamentswahl zu, für Sozialdemokraten reicht es nicht mehr zum Regieren. Am Zug ist Sammlungspartei
Von Gabriel Kuhn, Stockholm
aibwfuob7.jpg
Lachende Sieger: Wahlparty der Nationalen Sammlung mit Konterfei von Parteichef Petteri Orpo (Helsinki, 2.4.2023)

Die ultrarechten »Wahren Finnen« stehen erneut vor dem Einzug in die Regierung des skandinavischen Landes: Am Sonntag lieferte sich die Partei ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit den Sozialdemokraten der regierenden Ministerpräsidentin Sanna Marin und mit der liberalkonservativen Nationalen Sammlungspartei. Am Ende der Wahlnacht hatte letztere mit 20,8 Prozent die Nase vorn. Es folgten die »Wahren Finnen« mit 20,1 Prozent, danach die Sozialdemokraten mit 19,9 Prozent.

Im Vergleich zu den Wahlen 2019 steigerte sich die Nationale Sammlungspartei um 3,8 Prozentpunkte. Die »Wahren Finnen« – wie ihr originaler Name »Perussuomalaiset« nach wie vor am präzisesten zu übersetzen ist – legten um 2,6 Prozentpunkte zu und erzielten das beste Wahlresultat ihrer Geschichte. Die Parteivorsitzende Riikka Purra holte zudem die meisten Direktstimmen. Obwohl auch die Sozialdemokraten 2,2 Prozentpunkte hinzugewannen, reichte es nur für Platz drei. Marin, international als Aushängeschild junger linksliberaler Führungskraft gefeiert, wird ihren Platz als Ministerpräsidentin räumen müssen. Finnland kämpft seit der Coronapandemie mit einer hohen Staatsverschuldung und ökonomischer Unsicherheit. Auch das Aufheben des türkischen Vetos gegen Finnlands NATO-Beitritt wenige Tage vor der Wahl half Marin nicht. Sie hatte sich für den Beitritt stark gemacht.

Eine landesweite Sperrklausel für den Einzug ins finnische Parlament gibt es nicht, die Mandatsverteilung hängt von den Ergebnissen in 13 Wahlkreisen ab. Neben der Nationalen Sammlungspartei, den »Wahren Finnen« und den Sozialdemokraten werden sechs weitere Parteien in der kommenden Mandatsperiode im Parlament vertreten sein: die Zentrumspartei (11,3 Prozent), die Linkspartei (7,1 Prozent), die Grünen (7,0 Prozent), die Schwedische Volkspartei (4,3 Prozent), die Christdemokraten (4,2 Prozent) und die »Bewegung Jetzt« (2,4 Prozent), eine Abspaltung der Nationalen Sammlungspartei.

Als Vorsitzender der stärksten Partei erhält nun der Spitzenkandidat der Nationalen Sammlungspartei, Petteri Orpo, den Auftrag, eine neue Regierung zu bilden. Am wahrscheinlichsten scheint eine rechte Koalition mit prominenten Ministerposten für die »Wahren Finnen«, die 2015 bis 2017 schon einmal an der Regierung beteiligt waren. Ihr Hauptthema ist, wenig überraschend, die Migration. Nicht zuletzt aufgrund der zunehmend restriktiven Migrationspolitik der nordischen Nachbarländer hat sich der Anteil der migrantischen Bevölkerung in Finnland (erste und zweite Generation) in den letzten zehn Jahren verdoppelt. Mit knapp acht Prozent ist er im europäischen Vergleich jedoch immer noch gering.

Die Unterstützung für den NATO-Beitritt ist in Finnland groß. Selbst die Opposition der Linkspartei, Koalitionspartner der Sozialdemokraten unter Ministerpräsidentin Marin, fiel halbherzig aus. Ausgezahlt hat sich das nicht, die Partei verlor 1,1 Prozent an Stimmen im Vergleich zu den Parlamentswahlen 2019.

Beim Kommentar zum Wahlausgang am Sonntag abend flüchtete sich Marin in Floskeln: »Die Demokratie hat gesprochen, das finnische Volk hat seine Stimme abgegeben.« Orpo mischte Poesie mit harter Ansage: »Ich wusste, wir gewinnen heute, weil der Himmel so blau war. Die Sonne scheint, die Vögel zwitschern. Wir werden Finnland wieder auf Vordermann bringen!« »Wahre Finnen«-Frontfrau Purra war so gerührt, dass sie in Tränen ausbrach.

Von der »sozialdemokratischen Welle« in Skandinavien wird wohl bald nur noch wenig übrig sein. Regierten die Sozialdemokraten vor vier Jahren noch in allen nordischen Ländern, könnte auch Finnland neben Schweden bald eine rechte Regierungskoalition haben. In Dänemark hielt sich Mette Frederiksen 2022 nur an der Macht, weil sie eine große Koalition mit bürgerlichen Kräften einging. Auch der norwegische Ministerpräsident Jonas Gahr Støre steht unter Druck. Das, obwohl alle sozialdemokratischen Parteien der Region in den vergangenen Jahren einen starken Rechtskurs einschlugen. Dieser scheint sich immer mehr als Sackgasse zu erweisen.

Onlineaktionsabo

Das Onlineaktionsabo der Tageszeitung junge Welt bietet alle Vorteile der gedruckten Ausgabe zum unschlagbaren Preis von 18 Euro für drei Monate. Das Abo endet automatisch, muss also nicht abbestellt werden. Jetzt Abo abschließen und gleich loslesen!

Ähnliche:

  • Überall dabei: Ein britischer und ein US-Soldat in Kabul (10.10....
    10.03.2023

    Krieg aus Prestigegründen

    Seit 1990 pausenlos mit den USA auf Feldzug: Großbritanniens Militärpräsenz in der Welt
  • Sind sich einig, was das Kriegsbündnis angeht: Die Staats- und R...
    24.02.2023

    Kriegsspiel im Gutshaus

    NATO, Unterstützung der Ukraine und militärische Zusammenarbeit: Treffen der nordischen Länder in Schweden

Regio:

Mehr aus: Ausland

Startseite Probeabo