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Aus: Ausgabe vom 03.04.2023, Seite 1 / Titel
Politische Repression

Kein Recht für Mumia

USA: Richterin lehnt neuen Prozess im Fall Mumia Abu-Jamal ab
Von Jürgen Heiser
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Seit 1981 in den Fängen der US-Justiz: Der Journalist und politische Aktivist Mumia Abu-Jamal – weltweite Proteste für seine Freilassung

In den USA hat Richterin Lucretia Clemons vom Common Pleas Court in Philadelphia die Hoffnung des US-Bürgerrechtlers und jW-Kolumnisten Mumia Abu-Jamal zerschmettert, nach Jahrzehnten erlittenen Unrechts endlich Gerechtigkeit von der US-Justiz zu erfahren. Am Freitag lehnte sie als letzte Amtshandlung vor dem Wochenende um 16.08 Uhr (Ortszeit) Abu-Jamals Antrag auf einen neuen Prozess ab. In einer ersten Reaktion sprach die Produzentin des kalifornischen Prison Radios, Noelle Hanrahan, von einer »niederschmetternden Nachricht«, die angesichts der Berichterstattung über die Affären des Expräsidenten Donald Trump fast untergegangen wäre. Nach mehr als 41 Jahren Haft habe Abu-Jamal jetzt »fast alle seine rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft«, den Knast noch lebend zu verlassen, so Hanrahan.

Richterin Clemons nutzte die Gunst der Stunde und lancierte ihre seit Monaten von Abu-Jamals Verteidigung und der Solidaritätsbewegung befürchtete negative Entscheidung. Sie unterlief damit auch den Antrag der Verteidigung, neue Unschuldsbeweise in einer gerichtlichen Anhörung darlegen zu können. Petitionen aus aller Welt zugunsten Abu-Jamals hätten die Richterin offensichtlich unbeeindruckt gelassen. In einem spontanen Interview mit Black ­Power Media nannte Jamal jr., ein Enkel Abu-Jamals, die Gerichtsentscheidung »herzzerreißend«. Nach wie vor werde seinem Großvater der Mord an dem Polizisten Daniel Faulkner 1981 in Philadelphia angehängt, für den er ursprünglich sogar zum Tode verurteilt worden war, obwohl mittlerweile klar sei, dass er die Tat nicht begangen haben kann. Die Richterin wisse das ebenso wie Larry Krasner, der sich liberal gebende Bezirksstaatsanwalt von Philadelphia.

Radiomacherin Hanrahan warnte, Abu-Jamals größter Feind sei jetzt angesichts seiner schlechten Gesundheit die Zeit. »Mit seinen 68 Jahren leidet Mumia an einer Herzerkrankung, für die er sich einer doppelten Bypassoperation unterziehen musste«. 2015 sei er beinahe an der faktischen Nichtbehandlung einer Hepatitis-C-Infektion gestorben. Eines sei jedoch klar, so Hanrahan: »Die Gerechtigkeit verlangt, dass Mumia Abu-Jamal einen neuen Prozess bekommt!« Diese Forderung trug die »Free-Mumia«-Bewegung bereits am Sonnabend erneut in zahlreichen US-Städten auf die Straße. Jamal jr. zu den Protestaktionen: »Wir werden niemals aufhören!«

Diese Haltung hatte noch am 27. März 2023 Stephen Cotton, Generalsekretär der Internationalen Transportarbeitergewerkschaft ITF mit Sitz in London, betont. In einem Schreiben an Clemons hatte er gefordert, dass es endlich eine »faire Anhörung« für Abu-Jamal geben müsse. Jene erst 2018 entdeckten Unschuldsbeweise, die die Staatsanwaltschaft fast 40 Jahre lang verborgen gehalten hatte, kämen noch »zu der vernichtenden Beurteilung des ursprünglichen Prozesses durch Amnesty International (AI) im Jahr 2000 hinzu«. AI habe damals schon festgestellt, dass »dieser Fall eindeutig nicht den internationalen Mindeststandards zur Gewährleistung eines fairen Verfahrens entsprach«.

Doch das alles hinderte Richterin Clemons nicht daran, sich zur Handlangerin einer politischen Justiz zu machen und die auf 39 Seiten ausgebreitete Rechtfertigung ihres Rechtsbruchs mit den Worten zu schließen, Abu-Jamals mittlerweile »sechster Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens« sei »unbegründet« und werde »ohne Beweisanhörung abgewiesen«.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Josie M. aus 38448 Wolfsburg (3. April 2023 um 11:13 Uhr)
    Liebe jW-Redaktion, lieber Jürgen Heiser, obwohl man diese neue Enttäuschung kaum verkraften kann, dass auch die neue Richterin von Philadelphia das Berufungsverfahren für Mumia Abu-Jamal so ungeniert und völlig unrechtmäßig weiter ablehnt, möchte ich es nicht versäumen, Euch für diesen heutigen Leitartikel ausdrücklich zu danken. Denn, welche andere Zeitung traut sich schon, im Schatten des alles beherrschenden Ukraine-Krieg auch noch so unübersehbar auf ein weiteres entlarvendes Detail, nämlich das des korrupten US-Justizsystems aufmerksam zu machen? – Wie viele Eurer LeserInnen wissen, waren und sind die nicht zuletzt dank Euch bekannteren Fälle wie Mumia und Leonard Peltier nicht die einzigen dieser Art im »Land of the Free«. Gerade ist ja doch einer der »Los Cinco Heroes« inzwischen als Präsident des kubanischen »Institut für Völkerfreundschaft« bei uns Gast, der es exemplarisch vor allem durch sein »resistentes« Heimatland geschafft hatte, wenn auch nicht vom US-Staat, so doch vor denen im »Rest der Welt« rehabilitiert zu werden, vor all denen, die nicht aufhören wollen, sich der Willkür zu widersetzen und sich für eine bessere Welt, »el mundo mejor« einzusetzen. Wie Che Guevara schon sinngemäß sagte: »Wer kämpft, kann verlieren, aber wer nicht kämpft, hat schon verloren!« – Wieso scheint keiner unserer maßgeblichen politischen Vertreter und der »Leitmedien« sich bspw. gegen den doch immerhin während der »Maidan-Proteste« geleakten, daher bekanntgewordenen Spruch von Victoria Nuland, »Fuck the EU«, zu protestieren? Das frage sicher nicht nur ich mich immer wieder. Wer mag da noch so kurzsichtig denken, dass es ihm oder ihr «nützt»?
  • Leserbrief von J. Borchert aus Berlin (2. April 2023 um 21:22 Uhr)
    Mit welcher Dreistigkeit beurteilt das Gericht in Philadelphia unter Richterin Lucretia Clemons vom Common Pleas Court ihre Entscheidung zu Mumia Abu-Jamal. Hat dieser Mensch nicht genug unter dem US-Justizsystem Leid, Erniedrigung und Misshandlungen erleiden müssen, um ihn auch nicht noch den letzten Lebenswillen zu nehmen, den er noch hat und ihn schließlich entlassen. Dazu müsste ihm nicht noch eine Entschädigung zustehen, die er seit seiner unberechtigten Inhaftierung im Jahr 1981 (!) zusteht. Solange wie Mumia Abu-Jamal im Gefängnis sitzt, wäre in Deutschland nach 20 Jahren Schluss. Selbst die RAF -Terroristen von 1977 sind schon längst auf freien Fuß. Darüber sollte man mal nachdenken.

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