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Aus: Ausgabe vom 01.04.2023, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Frankreich

Überraschung an der Spitze

CGT-Kongress: »Kompromisskandidatin« zur Vorsitzenden gewählt – Kampf für komplette Rücknahme der »Rentenreform« bekräftigt
Von Raphaël Schmeller, Clermont-Ferrand
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Nach zähem internen Ringen Beifall von allen Seiten für die neue CGT-Chefin (Clermont-Ferrand, 31.3.2023)

Es ist ein Paukenschlag: Sophie Binet ist die neue Generalsekretärin der französischen Gewerkschaft CGT. Sie setzte sich am Freitag bei der Wahl gegen die favorisierte Marie Buisson durch, die vom scheidenden Gewerkschaftschef Philippe Martinez unterstützt wurde. Auch Céline Verzeletti, die den Rückhalt einer radikaleren Fraktion innerhalb der Gewerkschaft hatte, schaffte es nicht, eine Mehrheit hinter sich zu bringen. Der Grund: Die angestrebte Allianz mit dem Flügel des kämpferischen Olivier Mateu kam trotz stundenlanger Verhandlungen bis tief in die frühen Morgenstunden nicht zustande.

Binet ist die erste Frau, die seit der Gründung der Organisation im Jahr 1895 zur Generalsekretärin gewählt wurde. Ihre Wahl ist eine große Überraschung, da das Rennen um den Chefposten eigentlich eines zwischen Buisson und Verzeletti war. Doch im am Vortag gewählten »Parlament« der CGT, das die neue Chefin wählen sollte, konnte keine der beiden eine Mehrheit organisieren. Ein heftiger Rückschlag für den scheidenden Martinez und eine Absage an die von ihm getragene Linie. Am frühen Freitag morgen wurde dann Binet als Kompromisskandidatin aus dem Hut gezogen.

Diese Entscheidung wurde getroffen, um die tiefen Grabenkämpfe zwischen dem moderateren Martinez-Buisson-Flügel und den radikaleren Verzeletti- und Mateu-Fraktionen zu überwinden. Das scheint zunächst gelungen zu sein, denn als den Delegierten im Saal am Vormittag die Wahl Binets verkündet wurde, gab es von allen Seiten viel Beifall.

Binet, sichtlich gerührt, ergriff anschließend das Wort. »Es war ein sehr harter Kongress, aber wir haben es geschafft, unsere Differenzen zu überwinden, um geeint hier rauszugehen und zusammen zu kämpfen«, so die frischgewählte CGT-Generalsekretärin. Man müsse sich jetzt dafür einsetzen, die Industrie »zurückzuholen und nachhaltig zu machen«, begann Binet dann ihre Schwerpunkte für die kommenden Jahre aufzuzählen. »Wir müssen aufhören, die soziale Frage und die Klimakrise gegeneinander auszuspielen, der Kapitalismus zerstört unseren Planeten, das kann nicht mehr so weitergehen«, fuhr sie fort. Auch das Thema Gleichberechtigung, »ob im Betrieb oder in der Gewerkschaft«, dürfe man nicht mehr stiefmütterlich behandeln, so Binet. Wichtig sei ihr außerdem, die internationalistische Ausrichtung der CGT stark zu machen, »weil das Kapital heute global agiert und der Klassenkampf über die Landesgrenze hinaus geführt werden muss«, betonte die 41jährige.

Die Hauptaufgabe von Binet wird es nun sein, die Wogen zwischen den verschiedenen Fraktionen in der Gewerkschaft zu glätten – um zunächst geeint – weiter gegen die »Rentenreform« zu protestieren. Auch deshalb bedankte sie sich in ihrer Rede bei ihrem Vorgänger Philippe Martinez und richtete dann das Wort an Mateu: »Wir zählen weiter auf dich und deinen unglaublichen Kampfeswillen«, – eine Ansage, auf die tosender Applaus folgte.

Binet beendete ihre Rede mit einer Botschaft in Richtung Präsident Emmanuel Macron: »Wir machen keine Kompromisse, wir werden kämpfen, bis die Regierung die Rentenreform zurückzieht.« Sie kündigte an, an den Gesprächen mit Premierministerin Élisabeth Borne am kommenden Mittwoch zusammen mit den anderen Gewerkschaften teilzunehmen. Man werde von der Regierungschefin nichts anderes verlangen als die komplette Rücknahme der Reform. »Wenn das nicht passiert, wird Macron beim nächsten großen Protesttag am Donnerstag was erleben!«

Standing Ovations und eine von den 942 Delegierten mit erhobener Faust lautstark gesungene Internationale beendeten dann den 53. Kongress der CGT in Clermont-Ferrand.

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  • Leserbrief von Reiner-Lenz aus Birkenwerder (31. März 2023 um 20:24 Uhr)
    Ich frage mich immer wieder, warum Linke das verlogene Vokabular des Kapitals übernehmen. Es gibt keine Rentenreform, sondern schlichtweg Raub von Rentenansprüchen und nichts Anderes. Warum werden diese Tatsachen nicht beim Namen genannt?

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