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Aus: Ausgabe vom 01.04.2023, Seite 5 / Inland
Soziale Zeitbombe

Inflation frisst sich fest

Teuerung in Deutschland weiter auf hohem Niveau. Nahrungsmittelpreise steigen besonders stark
Von Klaus Fischer
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Gefühlte und reale Inflation im Gleichschritt: Nahrungsmittelpreise legten im März um 22,3 Prozent zu

Das Leben in Deutschland verteuert sich weiter. Nach vorläufigen Daten des Statistischen Bundesamtes vom Donnerstag sind die Verbraucherpreise auch im März auf Jahressicht um 7,4 Prozent gestiegen. Trotz Ende der Nullzinspolitik durch die Europäische Zen­tralbank (EZB) und allerlei »Entlastungen« durch den Staat – der sich gezwungen sah, Steuergelder umzuverteilen – verschärft sich damit die soziale Lage von Millionen Menschen weiter. Ein Ende ist nicht in Sicht.

In Medienberichten wird darauf verwiesen, dass sich die Teuerung verlangsamt habe, denn im Februar waren 8,7 Prozent gemessen worden. Manche Schlagzeile suggeriert sogar, die Inflation habe sich »abgeschwächt«, weil die Inflationsrate auf Jahressicht nun erstmals seit August 2022 wieder unter der Achtprozentmarke lag. Auf diesen Zug sprang auch Wirtschaftsminister Robert Habeck auf. »Wir haben ja schon davor gesehen, dass die Inflation zurückgeht. (…) Aber der Rückgang ist stark, und wir können das fortsetzen, indem wir kluge Politik weitermachen«, wurde der Grünen-Politiker am Freitag von der Nachrichtenagentur dpa zitiert.

Bei solchen Interpretationen spielt sicher Wunschdenken eine Rolle. Die Zahlen sagen etwas anderes. Im Vergleichsmonat März 2022 hatten die Verbraucherpreise gegenüber dem Vorjahresmonat (März 2021) um 5,9 Prozent zugelegt. Ein Jahr später sind es nun 7,4 Prozent. Auch im Vergleich zum Vormonat (Februar 2023) sieht es nicht gut aus – denn im März war der als Maßstab dienende Waren- und Dienstleistungskorb bereits wieder um 0,8 Prozent teurer geworden. Selbst die als Experten gerne gefragten Sprecher großer Finanzunternehmen und Banken gestehen das Problem ein: »Trotz des heutigen Rückgangs ist nicht davon auszugehen, dass das Inflationsproblem schon bald wieder vom Tisch ist«, zitierte dpa ebenfalls am Freitag Deutsche-Bank-Volkswirt Sebastian Becker.

Fazit: Die allgemeine Teuerung hat sich festgefressen. Das wird vor allem deutlich, wenn man die sogenannte Kerninflation betrachtet – bei der die besonders schwankungsanfälligen Preise für Energie und Lebensmittel herausgerechnet werden. Der Commerzbank zufolge ist sie im März gestiegen, von 5,7 auf 5,9 Prozent, wie die Nachrichtenagentur Reuters am Donnerstag berichtete. Das gelte als Zeichen dafür, dass die Inflation zunehmend in der Breite der Wirtschaft ankommt. Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer: »Der unterliegende Preisanstieg ist noch immer sehr hoch. Dabei dürfte es noch lange bleiben«, sagte Krämer. »Schließlich rollt mit dem absehbaren starken Anstieg der Löhne eine neue Kostenwelle auf die Wirtschaft zu.«

Besorgt gibt sich auch die EZB-Führung. Nach den Worten von Direktorin Isabel Schnabel erweist sich die Kerninflation inzwischen als viel hartnäckiger als die Gesamtinflation. »Und natürlich verursacht das auch einige Kopfschmerzen für Notenbanker«, wird sie von Reuters zitiert. Die Zentralbank hatte nach mehr als zehn Jahren Nullzinspolitik schrittweise ihren Leitzins auf inzwischen 3,5 Prozent erhöht, um die Inflation einzudämmen. Besonders erfolgreich war sie bislang nicht. Nun befürchten vor allem die Banken- und Immobilienbranche weitere Zinsschritte.

Besonders dramatisch ist der Anstieg der Lebensmittelpreise neben der Energieverteuerung – eine echte soziale Zeitbombe. Nahrungsmittel verteuerten sich um durchschnittlich 22,3 Prozent im Vergleich zum März 2022 und damit stärker als im Februar mit 21,8 Prozent. »Das liegt vor allem daran, dass Gemüse offenbar aufgrund von Ernteausfällen einiger Lieferländer knapp geworden ist«, zitiert Reuters einen weiteren Banken-Chefvolkswirt. Nur ist das – wie viele gängige »Erklärungen« für die Inflationsschübe – zu kurz gegriffen. Kausalitätsketten könnten auch so aussehen: Nach Beginn der russischen Militäraktion im Februar 2022 erklärten NATO und EU dem Land mit Hurra den Wirtschaftskrieg. Sanktionen und Boykotte russischer Lieferungen betrafen nicht nur Energieträger – was die Gas- und Ölpreise in die Höhe trieb. Russland und Belarus sind zugleich wichtige Düngemittelexporteure. Auch so können »Ernteausfälle« entstehen.

In jedem Fall aber ist wegen dieser Preisexplosion für Millionen Menschen mit geringem Einkommen Verzicht angesagt. Auch der Gang zu den »Tafeln« hilft dann nicht unbedingt – sie sind inzwischen vielerorts überlastet und beklagen sich über zuwenig Spenden. Unterernährung oder gar Hunger sind keine Fremdwörter mehr in der Bundesrepublik, die sich gerne als die viert- bzw. fünftgrößten Volkswirtschaft der Welt rühmen lässt.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Manfred G. aus Hamburg Altona (31. März 2023 um 23:22 Uhr)
    Der Begriff Inflation ist irreführend ebenso wie der Begriff US-Demokratie. Beides gibt es nicht. Der Begriff Inflation führt die Menschen gedanklich auf eine falsche Fährte, um die kapitalistische Ausbeutung zu verschleiern. Der richtige Begriff ist Geldentwertung. Was bedeutet Geld(-Entwertung)? Geld ist der Gegenwert für den Wert der Ware. Es geht darum, wieviel Ware bekommt der Arbeiter für seinen Lohn? Nur das ist wichtig. Preissteigerung ist eine Wertminderung des Geldes. Wenn die Löhne weniger steigen als die Preise, dann fällt der Lohn. Z. B. gab es 2022 zehn Prozent Preissteigerung und ohne Lohnerhöhung bedeutet das zehn Prozent Lohnkürzung. Auch der Begriff US-Demokratie ist irreführend und demagogisch. Wie Scott Ritter richtig sagte, sind die USA eine Kriegsnation, die nur mit dem Mittel des Krieges überleben kann. Frieden ist für die USA Gleichbedeutung mit Tod des Staates USA. Zitat Scott Ritter: »Sie (die USA) haben ein sozial-ökonomisches Modell, vor dem uns Dwight Eisenhower gewarnt hat. Es basiert auf einem militärisch-industriellen parlamentarischen Komplex, der globale Konflikte oder die Bedrohung durch globale Konflikte braucht, um seine Existenz zu rechtfertigen. Die USA können im Grunde nicht in einer Welt leben, in der Frieden herrscht.« Das bedeutet, dass die USA permanent auf Krieg ausgerichtet ist. In der Schrift »Chinas Generalabrechnung, Teil 3, Kulturelle Hegemonie« ist faktisch nachgewiesen, dass eine globale Expansion der amerikanischen Kultur ein wichtiger Teil ihrer externen Strategie ist. Sie setzen kulturelle Werkzeuge ein, um ihre Hegemonie in der Welt zu stärken und aufrechtzuerhalten. In allen Unterhaltungsfilmen, in Fernsehsendungen, Publikationen etc. werden amerikanische Werte verbreitet. Es werden ständig Hollywood-Filme veröffentlicht, in denen die amerikanischen Werte transportiert werden. In ihren Medien tauschen sie Fakten gegen Erzählungen. Sie führen Völker und Politiker hinters Licht.

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