Die Waffen nieder
Von Henning von Stoltzenberg
Mit dem Wochenende beginnen die jährlichen Ostermärsche für Frieden und Abrüstung, die in der Bundesrepublik seit 1960 stattfinden. Entstanden sind die Demonstrationen rund um die Osterfeiertage aus der damaligen Protestbewegung gegen die Anschaffung bzw. Stationierung von Atomwaffen. Die Ostermärsche haben die Friedensbewegung entscheidend geprägt. Auch wenn die Zahl der Teilnehmenden sich in den vergangenen drei Jahrzehnten kontinuierlich verringert hat, gehen Jahr für Jahr bundesweit Tausende Menschen auf die Straße, um gegen die laufenden Kriege in der Welt, Aufrüstung und Rüstungsexporte zu protestieren.
Für dieses Jahr sind laut Webseite der Ostermarschbewegung 118 Veranstaltungen vorgesehen, vermutlich dürften es sogar ein paar mehr sein. Nachdem am Freitag in Osnabrück-Belm eine »Friedens-Oster-Radeltour« gestartet ist und in Tübingen eine Ostermarsch-Vorabkundgebung stattgefunden hat, macht die Friedensbewegung in Potsdam am Sonnabend wie immer seit 22 Jahren den Anfang. Dort sprechen nachmittags am Brandenburger Tor die Linke-Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen sowie Reiner Braun vom International Peace Bureau aus Berlin zum Veranstaltungsmotto »Die Waffen nieder – für eine friedliche Welt«. Anschließend stehen Songpoesie und Friedenslieder sowie ein Auftritt der lokalen Schule der Künste auf dem Programm.
Am Osterwochenende findet in der Woche darauf der Großteil der Ostermarschaktivitäten statt. Den inhaltlichen Schwerpunkt in den meisten Städten bildet der Krieg in der Ukraine, aber auch andere Konflikt- und Kriegsregionen wie Syrien oder Jemen sollen bewusst thematisiert werden. Es ist eine vielfach geäußerte Kritik aus der Friedensbewegung, dass neben der täglichen Propaganda für Waffenlieferungen und Eskalation des Krieges in der Ukraine die anderen Konflikte, die zumeist mit deutschen beziehungsweise westlichen Waffen geführt werden, »vergessen« werden. In dieser und anderen Fragen ist sich die Friedensbewegung einig und hat auch in den letzten Jahrzehnten manche Kampagne der Militaristen und ihrer Lobby überlebt, die sie als »Traumtänzer«, »Ewiggestrige« oder neuerdings als »Lumpenpazifisten« diffamieren wollten.
Dabei steht die Friedensbewegung aktuell so uneins da wie schon lange nicht mehr. Für Außenstehende dürften die Differenzen auf den ersten Blick gar nicht sichtbar sein, sprechen sich die Friedensdemos doch überall für ein Ende der Kriege und gegen die Aufrüstung aus. In einigen Städten geht es indes weniger um die Slogans, als vielmehr um die Bündnispartnerinnen und -partner bei den aktuellen und geplanten Aktionen. Exemplarisch dafür sind mehrere Kundgebungen in Düsseldorf. Dort trat zuletzt ein neu gegründetes »Friedensbündnis NRW« mit mehreren Veranstaltungen in Erscheinung. Zuletzt fand dort am 25. März eine Kundgebung statt, bei der auch der ehemalige Linkspartei-Bundestagsabgeordnete Diether Dehm sprach. Unterstützer waren neben einzelnen Friedensbündnissen auch Gruppen aus dem schillernden Spektrum der Coronaproteste sowie die Kleinparteien »Team Todenhöfer« und »Die Basis«.
Das veranlasste Felix Oekentorp und Joachim Schramm, im Namen der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen NRW ein Rundschreiben »An Gruppen und Einzelpersonen der Friedensbewegung in NRW« zu verfassen. Darin bezeichnen sie diese Entwicklung als bedenklich. Man lehne eine Zusammenarbeit mit solchen Zusammenschlüssen ab. »Wir fragen, warum diese Kräfte eigene Strukturen aufbauen, anstatt bei den seit Jahren bestehenden Friedensgruppen vor Ort mitzuarbeiten«, heißt es weiter. Offenbar werde ganz bewusst die Nähe zu sogenannten Querdenkern »und noch weiter rechts stehenden Gruppierungen« gesucht oder zumindest nicht ausgeschlossen. Das stoße bei den meisten Friedensgruppen auf deutliche Ablehnung.
Oekentorp und Schramm sehen in der Bildung von Zusammenschlüssen wie dem Düsseldorfer »Friedensbündnis« den Versuch, die Friedensbewegung in NRW zu diskreditieren und zu spalten. Dagegen müsse man sich entschieden zur Wehr setzen. Die DFG-VK Münster und die Friedenskooperative hatten sich bereits zuvor deutlich positioniert und Rechte aller Couleur vom Ostermarsch in Münster ausgeschlossen.
Dokumentiert: Aufruf der AG Frieden aus Trier
Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine hat zu unzähligen Toten und Verletzten sowie zu Millionen Geflüchteten geführt. Infolge des Krieges sind die Beziehungen zwischen NATO und Russland an einem besorgniserregenden Tiefpunkt angelangt, wodurch auch die Wahrscheinlichkeit eines Atomkriegs zugenommen hat. Zusätzlich zu den riesigen Rüstungsetats planen Deutschland und andere Staaten, weitere Milliarden Euro in Aufrüstungsprojekte zu stecken. Wir warnen: Die ungehemmte Aufrüstung, immer mehr Krieg, zunehmende soziale Ungleichheit sowie Umweltzerstörung und Klimakrise führen die Menschheit in den Abgrund!
Wir fordern die Staaten und Regierungen weltweit zum Umdenken auf. In Kooperation, nicht in Konfrontation liegt die Lösung der globalen Probleme. Nur durch internationale Zusammenarbeit werden Abrüstung, eine atomwaffenfreie Welt und die Bewältigung der Klimakrise möglich! Von Russland fordern wir das Ende des Krieges gegen die Ukraine! Die Bundesregierung fordern wir auf, endlich wieder Friedensinitiativen zur Beendigung des Krieges zu starten und die Verhandlungsbereitschaft aller involvierten Parteien zu fördern. Die Menschen in der Ukraine brauchen dringend Friedensperspektiven. Immer mehr Waffenlieferungen schaffen keinen Frieden und werden die Spirale der Gewalt nicht durchbrechen. Dies ist nur durch einen Waffenstillstand, Verhandlungen und langfristig durch Versöhnung möglich – in der Ukraine und den Konflikten weltweit! Wir zeigen uns solidarisch mit allen von Kriegen und Konflikten betroffenen Menschen, wie etwa in Afghanistan, Äthiopien, Irak, Jemen, Mali, Myanmar, Syrien oder der Ukraine. (…)
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»Auswirkungen dieses Krieges sind überall zu spüren«
vom 01.04.2023
Das Nationalkomitee »Freies Deutschland« (NKFD), eine antifaschistische Kriegsgefangenenorganisation in der UdSSR, versuchte vor 80 Jahren auch konservative bzw. sogar feudal-adlige Hitlergegner einzubeziehen, und benutzte daher die Farben Schwarzweißrot, nicht die der Republik! Gibt das vielleicht zu denken!?
Man kann nur an die Verantwortlichen appellieren, nicht in erster Linie an die Abgrenzung nach rechts zu denken, auch wenn die wichtig ist, sondern primär »klare Kante gegen die NATO« zu zeigen! Die ist nämlich rechts! Rechter geht es kaum noch!